Die Stimmung in Ballesteros’ Klasse ist gut. Die Frauen und Männer haben sichtlich Spaß mit ihrer Lehrerin–auch wenn manch einer mit Blick auf die deutsche Grammatik lieber weinen möchte. Schlimm genug, dass es im Deutschen drei Artikel gibt: „Der, die und das.“ Wenn es wenigstens dabei bliebe! „Aber die können sich ja auch mal ändern“ stöhnt Jaume. „Es heißt doch zum Beispiel ,die Küche’“, sagt er, „warum muss ich dann sagen ,ich bin in der Küche?’.“
Die Lehrerin erklärt, gibt Beispiele und wird nachdenklich: „Manchmal tun sie mir wirklich leid“, sagt sie. Aber auch, wenn das Fach nicht leicht ist – ihre Schüler kommen immer wieder. Freiwillig. Auch wenn sie die Hausaufgaben manchmal vergessen, mit MarianaBallesterosmacht ihnen das Lernen Spaß.
Die meisten ihrer Schüler wollen Deutsch lernen, weil sie im Tourismus arbeiten: Im Hotel, im Restaurant, als Finca- Vermieter oder als Verkäufer. Manch einer lernt die Sprache aber auch einfach zum Vergnügen. So wie Julen. Julen ist selbst Lehrer und will jetzt – mit über 60 – weiter den Geist fit halten.
Mariana Ballesteros aus Cala Bona nahe Cala Millor weiß, was es heißt, eine Sprache zu lernen. Sie wurde in der Schweiz geboren und ist viersprachig aufgewachsen: Mit ihrer Mutter, einer Italienerin, hat sie stets italienisch gesprochen, mit ihrem spanischen Vater nur spanisch. Auf der Straße hat sie den Dialekt Schwyzerdütsch gelernt und Hochdeutsch in der Schule. Später kamen Englisch und Französisch hinzu, und weil sie seit 35 Jahren auf Mallorca lebt, kann sie jetzt auch Katalanisch. 1985 ist die heute 57-Jährige auf die Insel kommen. „Damals war ich im Urlaub hier und habe in der Zeitung eine Stellenanzeige für einen Job als Animateurin gelesen“, erzählt sie. „Ich habe mich beworben und eine Woche später angefangen.“
Damals war sie 23 Jahre alt und frei wie ein Vogel. Ein Vogel auf der Suche nach dem Abenteuer. Und nach der Liebe. Eine Liebe fand MarianaBallesterosnoch in jenem Jahr, in dem sie nach Mallorca kam. In Cala Millor hat sie ihren Mann Pepe kennengelernt und wurde kurz darauf schwanger. Ihr Sohn Sergio lebt in Inca und hat Mariana vergangenes Jahr zur stolzen Oma gemacht.
Aber ganz so einfach ist die Geschichte von Mariana und der Liebe nicht erzählt. 1990 trat ein Verehrer in ihr Leben. „Nennen wir ihn einfach bei seinen Initialen ,VDL’“, schlägt Mariana geheimnisvoll vor. Und das Leuchten in ihren Augen verrät: Diese Liebesgeschichte ist reif für Hollywood! Vor 30 Jahren also begegneten sich Mariana Ballesteros und der Italiener VDL auf Mallorca. Für beide war es Liebe auf den ersten Blick, und es entwickelte sich eine Beziehung auf Distanz – VDL in Italien, Mariana auf Mallorca. Nach acht Jahren wollte der Italiener die Sache dann dingfest machen und heiraten. Für Mariana kam das irgendwie überraschend: Sie bekam kalte Füße und machte lieber Schluss.
VDL aber war sich seiner Sache sicher, und so kam er 20 Jahre lang jedes Jahr im August nach Cala Bona, um seine Mariana zu sehen. Die war zwischenzeitig wieder mit ihrem ersten Mann zusammen und ließ den Verehrer abblitzen. Es verstrichen Jahre, in denen sie nicht einmal mit VDL sprach.
Aber es wäre keine Hollywood-Lovestory, gäbe es nicht ein Happy End. Und das gibt es: Seit zwei Jahren gehen Mariana und VDL Hand in Hand durchs Leben. „Es ist wahrhaftig eine sehr romantische Liebesgeschichte. Ich selbst kann es manchmal nicht glauben“, sagt die Schweizerin und strahlt.
Und doch ist da noch immer die Lust auf Abenteuer und Reisen in Mariana Ballesteros. So zog sie 2004 für ein Jahr nach Hanoi in Vietnam und 2007 für zwei Jahre nach Alicante, wo sie ein Studium zur Übersetzerin absolvierte. Vor allem an die Zeit in Vietnam denkt Ballesteros gerne zurück. „Die Vietnamesen fanden mich super“, erzählt sie. Wer in dem kommunistisch-regierten Hanoi Deutsch und Spanisch sprach – die Sprachen der ehemaligen DDR und des Bruderlandes Kubas – der stieß bei vielen Vietnamesen auf große Bewunderung.
Eines Tages, sagtMariana Ballesteros, will sie noch einmal weggehen. Nach Asien, Neuseeland oder Australien vielleicht. Am liebsten würde sie für eine Organisation wie Greenpeace oder 4Ocean arbeiten. Plastik sammeln im Meer, das wäre ihr Traum. Im Moment heißt es für die Lehrerin aber, erst einmal selbst büffeln. Sie will die „C1“ – eine Pflichtprüfung für Lehrer an staatlichen Schulen auf Mallorca – ablegen. Und die ist auf Katalanisch. „Das ist echt richtig schwierig“, gibt sie zu.
Aber so, wie sich MarianaBallesterosin ihrem Leben bisher fast alles autodidaktisch beigebracht hat, wird sie auch das meistern. Mit ganz viel Herz, Geduld und den Flügeln, die ihr der geheimnisvolle Italiener verleiht.
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