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Quiekende Ratten huschen über den verstaubten Boden, langsam seilen sich handflächengroße Spinnen die Steinwände hinab. Es gibt keinen Ausweg, nur diesen einen schmalen Gang, in dem rechts und links spitze Stahlpfeile aus den Wänden ragen, zum Abschuss bereit. Nur ein falscher Schritt und die Stangen durchbohren Herz und Lunge. Der Puls rast, die Hände sind feucht, die Pupillen riesig – dabei ist das doch alles nur ein Spiel, nichts davon ist echt.

Das, was der Spieler durch seine Hightech-Brille sieht, ist aber so täuschend real, dass die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Illusion verschwimmen, das Gehirn ist überfordert, die Motorik verwirrt. Das ist virtuelle Realität.

True Virtual Reality Mallorca heißt dieses neue Gamer-Erlebnis in Magaluf. Zwei bis vier Personen spielen eine Art Videospiel, aber ohne Joystick, Chipstüte und ohne Fernseher. Stattdessen tragen die Teilnehmer sogenannte VR-Brillen, Sensoren an Füßen und Händen und einen Rucksack, der mit der Brille verkabelt ist, damit sich die Teilnehmer frei im Raum bewegen können.

Vor dem Gaming werden die Spieler mit den entsprechenden High-Tech-Utensilien versorgt.

„Wir haben zwei Spiele im Programm, beim ‚Patient Zero’ schießt man auf Zombies, um die Welt zu retten. Das Spiel ‚Temple of Diamond Skull’ ist ein Denkspiel, ähnlich wie bei Escape Rooms. Hier müsst ihr Aufgaben lösen, um ans Ziel zu gelangen”, erklärt David Della, Manager des neuen True Virtual Reality Stores in Magaluf einer Gruppe junger Leute, die aufgeregt auf die Hightech-Ausrüstung starrt.

Vier Männer entscheiden sich für das Shooter-Spiel, Della und seine Kollegin Christina statten die Kurzzeitsoldaten mit dem Equipment aus, geben jedem ein Gewehr in die Hand und ziehen die VR-Brillen fest. „Erschießt euch nicht gegenseitig! Ihr seid ein Team!”, ruft Della noch in die Runde, doch kaum ist der Erste fertig angezogen, wird bereits aufeinander gezielt und abgedrückt. Die jungen Frauen, die die Männer begleiten, verdrehen die Augen, lachen aber laut auf, als Della noch eine wichtige Regel bekannt gibt: „Es wird bitte niemand gefangen genommen!”

Sieht komisch aus, ist aber Virtual Reality! Ein Spieler mit einer 3D-Brille.

Vorsichtig werden die Männer in einen dunklen Raum geführt. Schon jetzt ist jeder erstaunt über das, was er durch die Brille sieht: „Ich befinde mich im Weltall und schaue auf die Erde! Da links unten ist Italien und da! Da ist Mallorca!” Manuel Carlsson ist ein echter Zocker, es gibt kein Videospiel, das der Mallorca-Resident noch nicht gespielt hat. Virtual Reality ist aber auch für den IT-Spezialisten eine neue Erfahrung.

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Dann ändert sich das Bild: Aus dem Computerfachmann wird ein Krieger und der dunkle Raum verwandelt sich in eine geheime Bunkeranlage. Sogar die eigenen Hände und Füße sind zu sehen und die anderen Player tragen Uniformen wie in Science-Fiction-Filmen. Während im ‚Patient Zero’-Spiel authentische Zombies durch die Räume springen, verblüfft das zweite Spiel vor allem mit der real wirkenden Umgebung.

Die Weltretter müssen durch einen Tempel gehen, in dem verschiedene Fallen lauern. Ziel ist es, das Artefakt einer längst untergegangenen Zivilisation zu finden. Sogar Windstöße und Gerüche werden wahrgenommen. An einer Stelle bröckelt der Boden, die Teilnehmer stehen nur noch auf einem wackeligen Stein und obwohl nichts davon wirklich ist, der Spieler sich eigentlich auf einem stabilen Betonboden befindet, verliert er das Gleichgewicht.

30 Kameras sind an der Decke des klassenzimmergroßen Raumes befestigt. Sie zeichnen jede Bewegung auf, geben sie an einen Computer weiter, der die Signale in Echtzeit berechnet. Eine Schweizer Entwicklungsfirma hat jeden kleinsten Winkel des Raumes vermessen und ins Spiel integriert, 2500 bis 3000 Arbeitsstunden stecken in der Programmierung.

David Della muss die Kameras mindestens einmal pro Woche neu äquilibrieren, also das gesamte System wieder ins Gleichgewicht bringen. Schon kleinste Erschütterungen können Fehler im Programm auslösen und das kann schon bei einem Gewitter der Fall sein. Was die Entwicklung und Instandhaltung kosten mag, übersteigt sicher auch die Vorstellungskraft, ganz abgesehen von der Stromrechnung.

Die Klimaanlage läuft rund um die Uhr, wegen der Technik muss die Raumtemperatur konstant bei 21 bis 24 Grad liegen. Alleine die Ausrüstung der Spieler ist ungefähr so viel wert wie ein Kleinwagen. Bedenkt man das, kommt einem der Spielpreis von 130 Euro vielleicht gar nicht mehr so viel vor. 32,50 Euro sind das pro Kopf, wenn vier Menschen zusammen spielen. 20 bis 30 Minuten dauert eine Runde, je nachdem, wie schnell die Spieler sind. Die zweite Gruppe braucht rund eine halbe Stunde, bis sie die Aufgaben gelöst und das Relikt gefunden hat, die erste Gruppe verabredet sich bereits für eine neue Runde am nächsten Wochenende. Beim Spiel ‚Patient Zero’ geht es darum, eine hohe Punktzahl zu erreichen. Trefferquote, Zielgenauigkeit, Anzahl der erschossenen Zombies – all das wird am Ende ausgerechnet und auf einem Bildschirm präsentiert. Wer die meisten Punkte hat, gewinnt.

Seit September können Urlauber und Residenten beim True Virtual Reality in die Rollen von Soldaten und Weltrettern schlüpfen. Eigentlich wollten die Betreiber das Geschäft schon Anfang des Sommers eröffnen, doch es gab ein paar Schwierigkeiten bei den Räumlichkeiten und bei der Einfuhr des technischen Materials: „Wir haben die Gewehre nicht auf die Insel bekommen, die steckten vier Wochen beim Zoll fest”, so Manager Della. Geöffnet ist während der Wintermonate dienstags bis donnerstags von 14 Uhr bis 20 Uhr, am Wochenende bis 21 Uhr. Bis Ende Februar lockt die Spielhalle mit einem Winterspecial: Wer im Geschäft ein Spiel bucht, zahlt 100 Euro statt 130 Euro.

(aus MM 47/2019)