Die junge Spanierin nimmt das Weinglas, hält ihre Nase tief hinein, schwenkt das Glas, nimmt einen Schluck des Weißweins, lässt ihn im Mund ein wenig „hin- und herrollen”, schluckt und spuckt einen Teil zielsicher in den dafür vorgesehenen Behälter. Beim zweiten Wein der Weinprobe in Alaró das gleiche Prozedere. Ihre Begeisterung steigt mit jedem der sechs an diesem Abend dekantierten Weine: „Ist der gut, der schmeckt mir!“ ruft sie. Und das will etwas heißen, denn Evelyn de las Alas wurde 2018 von Mallorcas Gastroautoren und -journalisten zur besten Sommelière Mallorcas gewählt.
„Star“ an diesem Abend ist der Riesling. Der auf Mallorca lebende Weinliebhaber Stephen Nickel hatte das Glück, von ausgesuchten Weingütern aus der Rhein- und Moselregion einige der zurzeit weltweit besten Rieslingweine zu bekommen und vertreibt diese nun in ausgesuchten Restaurants und Weinhandlungen auf Mallorca.
„Der Riesling ist auf dem spanischen Festland gut vertreten, nur auf Mallorca bisher nicht“, erzählt Nickel, „dabei mögen die Spanier den Riesling gerne, er passt perfekt zu Fisch und Meeresfrüchten.“ Nickel möchte dem Riesling auf Mallorca aktive Starthilfe geben.
Die Weine, die er in dem kleinen Weinladen Sa Portassa in Alaró vorstellt, bewegen sich alle um die 20 Euro. Er beginnt mit einem Riesling aus dem Jahr 2017 vom Weingut Schäfer-Fröhlich. So natürlich wie möglich, mit wenig zugesetzten Sulfaten.
Wein Nummer zwei stammt vom rheinhessischen Weingut Keller, dem Shooting Star der Riesling-Szene. Dieser Wein wurde zum besten Riesling des Jahres 2018 unter 20 Dollar von der New York Times gekürt. Stephen Nickel hat das Glück, von diesem besonderen Tropfen 48 Flaschen erhalten zu haben. Dieser Wein hat es in sich: Fruchtig und „reif“. Am Tisch sind sich alle einig – dieser Wein „kann was“.
Riesling ist eine Rebsorte, die steinigen, trockenen Boden mag. Die Rebstöcke wurzeln tief in der Erde, daher rührt der mineralische Geschmack. Steile Hanglagen ermöglichen viel Sonne und perfekte Süße, ohne lieblich zu werden.
„Der Trend geht hin zu trockenen Weinen. Beerenauslesen oder Ähnliches sind nicht mehr so gefragt“, sagt Nickel. Die Weingüter von der Mosel und vom Rhein betreiben kleine Parzellen, die Erträge sind im Vergleich zum Aufwand gering. Daher erzielen diese kostbaren Weine mitunter Spitzenpreise auf dem internationalen Markt. Besonders im Bereich der Versteigerungen und im Online-Geschäft schießen die Preise in astronomische Höhen. Der rheinhessische Winzer Klaus Peter Keller kann für seinen prämierten G-Max Wein 1800 Euro pro Flasche verlangen.
Inzwischen ist man bei der Verkostung in Alaró beim fünften Wein angelangt. Ein Westhofener vom Weingut Wittmann in der Nähe von Worms. Auch dieser wird auf einer besonders kleinen Parzelle kultiviert. Der Anbau ist biodynamisch und der Gärungsprozess natürlich. Die mallorquinische Weinsommelière lässt den Wein im Glas rotieren, fast tänzeln, bewegt das Glas kräftig senkrecht nach oben und unten, um Sauerstoff in den Wein zu bringen. Der Rebsaft besteht den Profitest: „Dieser Wein schmeckt mir ausgezeichnet”, sagt de las Alas zu ihrer Sommelière-Kollegin Gemma Puig.
Die Riesling-Verkostung endet mit einem sogenannten „Großen Gewächs“ des Weinguts Kühling-Gillot, von 2015 bis 2018 als bestes Weingut Deutschlands ausgezeichnet. Ein sehr junger Wein mit wenig Säure und wenig Zucker. „In zehn Jahren wird dieser Wein der Renner sein“, verspricht Stephen Nickel. Große Gewächse, der Begriff stammt vom französischen „Grands Crus” her, sind Weine von höchster Qualität, die mitunter nur zu einem bestimmten Zeitpunkt und in kleiner Menge gelesen werden. Die Weine sind in der VDP, dem Verband für Prädikatsweingüter, registriert. Die experimentierfreudige Sommelière gibt diesem Wein das Etikett „serio”, also ernsthaft, klassisch.
Was bei Immobilien „Lage, Lage, Lage“ ist, entspricht beim Wein dem Wert „Zeit, Zeit, Zeit“. „So wie das Gras nicht schneller wächst, wenn man daran zieht, so werden Weine nicht besser, wenn man sie auf schnelle Reife trimmt“, formuliert es Önologin Carolin Spanier vom Weingut Kühling-Gillot anschaulich.
Für das Ende der Veranstaltung haben sich der deutsche Weinkenner und Julio Torres, Ex-Präsident der balearischen Sommeliersvereinigung und Vorstandsmitglied in der spanischen Organisation seiner Zunft, etwas Besonderes ausgedacht: Bislang ging es einzig um den weißen Riesling. Nun wollten sie die Gaumen der Gäste testen. Kann ein deutscher Rotwein gegen einen spanischen ankommen? Ein qualitativ hochwertiger Portugieser im Vergleich zur Lieblingstraube der Mallorquiner, dem Manto Negro?
Farblich unterscheiden sich die beiden Weine deutlich voneinander. Der spanische Manto Negro ist heller, klarer, der deutsche Portugieser dunkelrot. „Der Manto Negro hat eine wunderschöne Farbe“, sagt die Besucherin am Tisch. Sie ist Mitglied in einer Weinvereinigung, einmal im Monat geht sie mit anderen Mitgliedern zu Weinproben. Sie selbst stammt aus dem Weinort Binissalem. Das kleine Wettspiel geht eher unentschieden aus und zeigt, dass sich die beiden Rotweine geschmacklich sehr nah sind.
Aber die Schau können die beiden Rotweine dem Hauptgast des Abends nicht stehlen: Der Riesling hat überzeugt. Die präsentierten Weine aus deutschen Landen sind auf Mallorca den Angaben zufolge unter anderem in Läden und Lokalen wie Can Simoneta, bei Schwaiger, in der Weinhandlung Mayorica in Santa Catalina, in der Weinhandlung Sa Portassa in Alaró sowie im Restaurant Brut zu erhalten oder zu kosten.
Weinkenner wissen, dass einzelne Inselwinzer schon vor Jahren einige Zeilen der Rebsorte vom Rhein auf ihrer Scholle zum Experimentieren angepflanzt hatten. Mittlerweile, so Weinexperte Julio Torres, ist der Riesling als Rebsorte im Anbaugebiet Pla i Llevant im Inselosten offiziell zugelassen. Bleibt abzuwarten, wie tief der Riesling auch auf Mallorca „wurzeln“ wird.
(aus MM 34/2019)
2 Kommentare
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Ebenso bleibt abzuwarten, ob der Riesling das zunehmend heißere und trockenere Klima mag ...
Die Riesling-Rebe ist eigentlich ideal für Gebiete mit kühlerem Klima und Hanglage, deswegen stark vorkommend in Deutschland. Ob das so auf Mallorca funktioniert bin ich eher skeptisch. Die heimischen Rebsorten wie Manto Negra oder Callet sind halt ideal für die Insel. Und es gibt ja wirklich vorzügliche mallorquinische Weine, allerdings relativ teuer, geschuldet der geringen Ausbringungsmenge.