Sommer, Sonne, Meer: Für viele Menschen ist Mallorca der Inbegriff des Glücks. Arbeiter und Angestellte auf den Balearen gelten als die glücklichsten im ganzen Land – und das, obwohl die Arbeitsbedingungen auf der Insel alles andere als rosig sind. Der Portier der MM-Redaktion pfeift morgens fröhlich sein Liedchen, während man selbst eher missmutig ins Büro schlurft. Die Insulaner sind zufriedener als die restlichen Spanier, auch wenn die Lebensumstände nicht unbedingt besser sind.
In Deutschland hingegen stagniert das Glücksniveau, obwohl es dem Land wirtschaftlich prächtig geht. Der emeritierte Pädagogikprofessor Horst Opaschowski erklärt das an diesem Beispiel: "Wenn Sie ein Auto haben, sind Sie glücklich. Wenn Sie zwei Autos haben, müssen Sie nicht unbedingt glücklicher sein. Irgendwann ist der Glücksfaktor ausgereizt." Doch macht allein die Insel glücklich?
"Glück ist, bei allem was man tut, Freude zu empfinden", sagt die Autorin und Künstlerin Beate Schneider. Sie lebt seit 2015 in Felanitx. "Ich zum Beispiel mache nicht gern Buchhaltung", erzählt sie und lacht, doch irgendwann fand sie sich damit ab und die ungeliebte Tätigkeit wurde ein Teil ihres Lebens.
Doch Glück bedeutet für sie auch Arbeit: "Glück ist nicht wie ein Eierwärmer, der über uns gestülpt ist", sagt die 57-Jährige. Sondern wie an einer guten Ehe müsse man auch an einem glücklichen Leben arbeiten. "Das schließt Aufs und Abs natürlich mit ein."
Bei den Mallorquinern spüre man, dass sie zufrieden sind: "Sogar wenn sie nur in der Tankstelle am Stehtisch beisammen sind, wird viel gelacht." Beate Schneider fühle sich auf Mallorca auf jeden Fall glücklicher als vorher in Aachen: "Für mich ist es der blaue Himmel hier."
Das große Glück im Leben hängt für Yogalehrerin Katja Katzmarcik nicht von der Insel ab: "Es gibt auch Leute, die werden nie glücklich auf Mallorca." Für die 57-Jährige ist Glück eine Frage der inneren Einstellung; eine Harmonie, die Seele, Herz und Verstand miteinander vereint. Glücksmomente empfinde sie beispielsweise in der Natur, wenn sie mit geliebten Menschen gute Gespräche führt, beim Morgenritual mit ihren Hunden und bei Atemübungen im Yoga, dem sogenannten Pranayama.
"Man muss aber schon zwischen Glück und Zufriedenheit unterscheiden", sagt die Residentin, die seit 18 Jahren auf der Insel lebt. Glück sei eben kein Dauerzustand.
Auch Tatjana Strobel findet das Glück eher in besonderen Momenten: "Früher war ich auf der Suche nach dem großen Glück, doch das Licht braucht auch Schatten", sagt die Hypnosetherapeutin und Autorin. Sie lebt die Hälfte des Jahres im Süden Mallorcas und die anderen sechs Monate in Zürich. Sie hält nichts von Vergleichen, welche Nation glücklicher ist als die andere: "Das macht doch nur unglücklich."
"Auf Mallorca jedenfalls kann ich sein, wie ich will", sagt Tatjana Strobel, deshalb erlebe sie hier auch mehr Glücksmomente. "Wenn ich auf der Insel meine Seminare abhalte, hüpft man in der Mittagspause ins Meer. In Zürich sitzt man eingepfercht im Büro." Ihr Rezept für ein glückliches Leben: Man sollte sich genügend Zeit für sich nehmen.
Die Insel spielt für Claudia Nagyivan eine große Rolle bei einem schönen Leben: "Wenn ich in der Natur bin, am Strand, in den Bergen, dann bin ich glücklich." Doch auch bei ihrer Arbeit empfindet die Hochzeitsrednerin Glück: "Wenn ich dann vor dem Paar stehe und sehe, wie glücklich es strahlt, dann bin ich es auch", erzählt sie.
Geld und Materielles geben zwar Sicherheit, doch sie allein formen kein glückliches Leben, findet die Aachenerin, die seit elf Jahren auf Mallorca lebt. "Die Mallorquiner legen mehr Wert auf Familie, auf soziales Leben und nehmen sich mehr Auszeiten. Deutsche legen im Gegensatz dazu mehr Wert auf Pflichterfüllung." Ihr Rezept für ein glückliches Leben: "Authentizität. Der Mensch sein, der man ist."
"Ich war schon immer ein zufriedener Mensch", erzählt Eckbert Waldleben. Über das Glücklichsein hat er sich nie große Gedanken gemacht. "Ich bin immer glücklich, wenn ich draußen in der Natur bin, beim Canyoning beispielsweise." Doch schnell komme dann der nächste Berg, der bezwungen, oder die nächste Höhle, die erkundet werden möchte, in den Blick des Abenteuersportlers. "Und Glück ist doch auch schon, wenn man gesund ist."
Der Leipziger und seine Lebensgefährtin betreiben einen Quad-Verleih in Andratx, leben seit 2004 auf Mallorca. "Wir sind auch nicht ausgewandert, sondern umgezogen", sagt er und lacht. Denn wer in der alten Heimat nicht glücklich war, wird es durch die Auswanderung auch nicht unbedingt schaffen.
"Manche empfinden es als Schande, auf Mallorca nicht glücklich zu sein", fügt der 51-Jährige an. Es entstehe in einigen Residenten-Gruppen ein gesellschaftlicher Druck, man lebe in der Sonne, also müsse man auch zufrieden sein. Doch erzwingen lässt sich das Gefühl eben nicht.
Dass der blaue Himmel über Mallorca beim Glücklichsein hilft, denkt Rechtsanwältin Sonja Willner. "Aber ich bin von Natur aus ein sehr positiver Mensch", erzählt die dreifache Mutter. Für sie sei es ein Glücksmoment, an einem Januarmorgen auf der Terrasse in der Sonne bei einem Café con leche und einer Tostada sitzen zu können.
Glück ist für die Rechtsanwältin eine Einstellungssache: "Fest steht, nur über das Finanzielle lässt sich das nicht erreichen." Die Spanier hätten da eine andere Einstellung, sie würden das Leben so genießen, wie es kommt. Das Glücksgefühl ist zudem ortsunabhängig: "Mallorca macht es einem schon einfach, glücklich zu sein, doch man muss sich selbst genügen, mit sich selbst im Reinen sein."
Vor drei Jahren kam Manfred Wenders, der "Lobo" (der Wolf) genannt wird, nach Mallorca. Die erste Zeit lebte er als Obdachloser auf Palmas Straßen, mittlerweile ist er bei Bekannten in Binissalem untergekommen. Er sagt: "Es war ein Glück, dass ich auf die Insel gekommen bin." Hier seien die Lette netter und die Winter milder. Glück ist für ihn, etwas zu bekommen, mit dem man nicht gerechnet hat. Beispielsweise wenn ein Regentag angesagt wurde und dann doch die Sonne scheint.
Glückliche Momente empfindet Lobo mit seinem Hund Ben. Erst vor wenigen Tagen war der Mischling verschwunden: "Als die Polizei ihn dann in Lloseta fand, war ich überglücklich und der Kerl hat sich nur kurz gefreut", sagt Lobo und lacht.
Die Mallorquiner seien aus seiner Sicht glücklicher und zufriedener als die Deutschen. Wer es ihnen gleichtun wolle, sollte sich der spanischen Mentalität hin zu mehr Gelassenheit anpassen.
1 Kommentar
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5 gerade sein zu lassen kann kein Deutscher. KONTROLLZWANG, ORDNUNGSWAHN und der typisch deutsche Perfektionismus machen auf Dauer nur unzufrieden.In der Sonne kann man das Leben genießen...Deutschland ist zwar Zugpferd der Wirtschaft, aber glücklich lebt man in Deutschland deshalb nicht mehr. Minimalismus wird oft angepriesen als ein besseres Leben mit Verzicht. Ich verzichte gerne auf Menschen, die einem nicht gut tun. Glueck soll man auch teilen. Ich teile gerne. Spanien mag ich so sehr, weil die Spanier so vorbildlich europäisch sind. Nur mit mehr Lebensfreude und Glücksgarantie. Ordnungszwang und Pessimismus ist eben typisch deutsch...