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Der Kaffeefilter samt Inhalt liegt auf dem Boden und wo war nochmal die Kappe des Kugelschreibers? "Samba" ist gerade in der Pubertät und ein wenig auf Krawall gebürstet, erfährt der Redakteur von Cristina Koopmann und dann treibt die anderthalbjährige Orangenhauben-Kakadu-Dame einigen Schabernack. Koopmann ist die Besitzerin des Vogels. In ihrem Dorfhaus in Pina entdeckt man einiges an Papageienzubehör wie Papageienkäfig, einen bunten Kletterbaum im Wohnzimmer, ein Sisalseil, das von der Küchendecke baumelt. Das sei Sambas Lieblingsplatz, sagt Koopmann. Im Garten stehen weitere Volieren mit südamerikanischen Amazonenpapageien, Weißbauchpagageien und zwei afrikanischen Mohrenkopfpapageien. "Das sind reproduktive Zuchtpaare", erklärt Koopmann stolz.

Die 47-jährige Physiotherapeutin hat sich in ihrer Freizeit ganz den Papageienvögeln verschrieben und setzt sich intensiv mit ihrer Haltung auseinander. "Es sind Fluchttiere und nicht domestiziert, das muss man erstmal wissen", sagt sie. Sie will die Haltungsbedingungen der Papageien auf Mallorca verbessern und nennt dafür vier wesentliche Elemente. "Unterbringung, intelligenzförderndes Spielzeug, Ernährung und Bewegungsfreiheit." Das Fliegen sei für alle Papageienarten elementar wichtig. Deshalb hat Koopmann auf Mallorca den 11. Regio Club des in Deutschland beheimateten Flieger-Clubs gegründet.

Das wichtigste Hilfsmittel, um ihre Vögel fliegen, aber nicht türmen zu lassen, ist der sogenannte Aviator, ein Fluggeschirr für Papageien. Mit ihm kann Koopmann ihre Samba gewissermaßen "Gassi" fliegen lassen. Der Flieger-Club Deutschland schreibt dazu auf seiner Website: "Vögel wollen fliegen. lhnen dies zu ermöglichen, zählt zum Kern der heutigen Papageienhaltung: Bewegung, Sonnenlicht und frische Luft sind elementar für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Papageien."

Um die Tiere an das Geschirr zu gewöhnen, bedarf es Geduld und Hingabe. "Man kann Vögel nicht zwingen, sondern man muss sie positiv fördern", sagt sie. Überhaupt funktioniere es nur, wenn die Papageien bereits als Jungtiere an den Aviator gewöhnt werden.

Nach wenigen Minuten hat "Samba" ihr Geschirr am Körper und dann geht es in den Innenhof. Cristina Koopmann setzt die Kakadu-Dame auf eine Stuhllehne und geht etwa zehn Meter weg. Den Aviator kontrolliert sie über eine ausziehbare Hundeleine. "Komm, Samba", ruft sie in Richtung ihres Vogels. Nach einigem Zieren setzt sich die Kakadudame in Bewegung und fliegt geradewegs auf ihr Frauchen zu, um sich eine Belohnung abzuholen. Die Freude ist beiderseits sichtbar, eineinhalb Jahre Training haben sich bezahlt gemacht. "Mein Ziel ist es, dass Samba auf die Entfernung eines Fußballfelds fliegt, und auch beim Fliegen an Höhe gewinnt", sagt sie. Noch sei sie mit dem Training am Anfang. "Die Idee ist es, dass auch die Leute hier den richtigen Umgang mit dem Aviator lernen und die Onlinekurse des Fliegerclubs machen und nicht den Vogel irgendwie darein quetschen", sagt sie.

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Die Begeisterung für Papageien hat Cristina Koopmann seit frühester Kindheit. Damals hatte sie einen kleinen Nymphensittich, der auch zur Familie der Kakadus gehört. "Es sind einfach unheimlich intelligente Tiere", sagt sie. Die Erziehung ist allerdings anspruchsvoll. "Papageien sind keine Hunde", erklärt Koopmann. Umgang und Erziehung des Vogels ist komplett auf das Prinzip der positiven Verstärkung aufgebaut. "Würde Samba mich in den Finger kneifen und ich sie darauf wütend anbrüllen, fände sie das vielleicht recht aufregend und lustig, und ihr Fazit wäre, wenn ich beiße, dann gibt's richtig Action" erklärt sie. "Stattdessen bekommt Samba eine Belohnung, wenn sie nicht beißt." Die Mutter eines 16-jährigen Sohnes vergleicht die Herausforderung der Papageienerziehung mit Kinderpädagogik. In beiden Fällen gehe es um Förderung und darum, keine Langeweile aufkommen zu lassen.

"Langeweile ist für Papageien grausam. Der hochintelligente Papagei, der den ganzen Tag einsam auf einer Stange im Käfig sitzt, wird mit Sicherheit nach kurzer Zeit schwere Verhaltensprobleme aufweisen", erklärt sie. Das Tier fange dann vor Verzweiflung an, sich die Federn zu rupfen oder ununterbrochen zu schreien. "Meine Papageien haben mindestens jeder vier Spielzeuge, um sich die Zeit zu vertreiben, bis ich aus der Arbeit komme. Ab und zu bringe ich meinem Geflügel auch ein paar Tricks bei", fügt sie hinzu. So kann ihr Amazonenhahn "Tequila" farbige Ringe sortieren und sein Spielzeug vom Tisch in den Korb zurückräumen.

Die rebellische Samba bekommt ihr Futter ausschließlich in "foraging Spielzeug" versteckt, das dem Tier stets einiges an Leistung abverlangt. "Im Urwald liegt das Futter schließlich auch nicht einfach so herum. Besser ist, der Papagei muss sich den Weg zum Futter erarbeiten", erzählt Koopmann. Samba habe schon nach einem Tag gewusst, wie sie die Schrauben ihres Futterbehälters gleichstellen muss, um den Deckel zu öffnen. Kein Wunder, dass bei so viel Lernerfolg die Kakadudame oft unerlaubt den Pfannendeckel hebt, um auch das menschliche Mittag-essen zu kosten.

Eines steht jedenfalls fest: Langweilig wird es nicht mit Papageien als Mitbewohnern, auch ein Interview läuft hier nicht ohne Einmischen ab. Die Kugelschreiberkappe ist übrigens wieder aufgetaucht, allerdings ohne Klammer und arg ramponiert. Aber irgendwie kann man dem lustigen Vogel mit den dunklen Knopfaugen einfach nicht böse sein.

Wer mehr Informationen zum Thema der artgerechten Papageienhaltung sowie dem Fliegen mit Papageien haben möchte, kann sich hier informieren: www.flieger-club.eu oder direkt bei Cristina Koopmann auf Facebook "Aviator Club Mallorca".

(aus MM 48/2017)