Prinzessinnen wie Disney sie nicht schöner hätte zeichnen können. Sprechende Bäume, kopflose Figuren mit Sonnenbrillen. Männer aus dem fernen Osten, die über ihren Teppichen schweben. Das Zentrum von Palma de Mallorca wirkt wie ein Zauberwald. Magisch und geheimnisvoll, genau wie seine Protagonisten: die Straßenkünstler.
"Der arme Mann, das ist doch viel zu heiß", sagt eine junge Passantin, die an einer menschlichen Statue vorbeigeht. Es ist der bisher wärmste Tag des Jahres, 39 Grad werden in Palma gemessen. Die Sonne knallt der uniformierten menschlichen Statue auf den Helm, Musiker kämpfen um die wenigen Schattenplätze auf der Plaça Major.
"Letztes Jahr bin ich umgekippt, da musste ein Krankenwagen kommen, weil ich einen Hitzschlag hatte." Naida Abanowitsch ist 65 Jahre alt. An jedem Tag der Woche erfüllt ihre kraftvolle Stimme den Urlauber-Hotspot. Die Menschen bleiben stehen und bewundern die Opernsängerin, die seit 14 Jahren den Platz besingt.
Früher hat sie in Weißrussland eine Musikakademie besucht, einen Abschluss gemacht und ihre Stimme der klassischen Musik gewidmet, auch im Fernsehen. Irgendwann kam die Witwe nach Mallorca, und da das Einkommen als Reinigungskraft nicht ausreicht, verdient sich die Dame etwas Geld als Künstlerin dazu. "Manche geben einen Cent, andere haben schon einmal fünf Euro gespendet." Wie viel am Ende eines Tages in der Kasse landet, sei unterschiedlich, aber "zum Leben reicht es", so die Osteuropäerin. Am liebsten sind ihr die deutschen Urlauber: "Die bleiben stehen, klatschen und unterhalten sich mit mir", ein wenig Deutsch spricht Abanowitsch auch. Nicht zuletzt, weil sie hier, auf Palmas Plaça Major, vor vielen Jahren eine deutsche Urlauberin kennenlernte, mit der sie heute noch befreundet ist.
Abanowitsch packt um 13 Uhr wieder zusammen, die Musiker nebenan haben noch eine Stunde vor sich. "Die Menschen tanzen und singen mit uns, viele lassen ein paar Groschen da, aber eine CD kauft niemand", sagt Omar Niang. Der Afrikaner und seine drei Bandkollegen spielen an der Plaça Marqués del Palmer. Niang musiziert in Palma schon seit 30 Jahren, sagt er. Dann sind nach und nach die Bandkollegen aus Kuba, Argentinien und Brasilien dazugekommen. Afrikanische Fusion Musik spielt "Wa Koul Diop". Zehn Euro kostet die bandeigene CD. Die Männer legen los, mit Schlagzeug, Trommeln, Kontrabass und Ukulele. Sogar ein Ventilator ist dabei. Sie singen und die Straße vibriert, eine Traube von Menschen versammelt sich und bewegt rhythmisch die Hüften. "Hier stört niemanden, dass wir da sind, aber in manchen Ecken ist das anders", sagt der Bandleader. Die Gruppe ist sieben Tage in der Woche im Zentrum unterwegs. "Die Anwohner kann ich verstehen, mancherorts beschallen Musiker die Gegend durchgehend."
Tatsächlich gibt es Anwohner, die sich bereits an Palmas Lokalpolizei gewandt haben, weil die Musik zu laut oder zu lästig sei. Kritisiert wird auch, dass die Musik-Qualität einiger Straßen-Stars zu wünschen übrig lasse und dass es in diesem Jahr deutlich mehr Musiker gebe als in den Vorjahren. Besonders verärgert ist Francisco Gómez. Er wohnt in der Calle Costa de la Pols, nahe der Kirche Sant Miquel. Morgens um 5 Uhr klingelt sein Wecker, bis nach 22.30 Uhr klingen die Saiten der Gitarren vor seiner Haustür. Erst hatte der Anwohner in Gesprächen mit den Musikern nach einer Lösung gesucht. Das half nichts. Dann stellte er Lautsprecher auf den Balkon, um die Künstler zu verjagen, doch nach einer Viertelstunde waren sie wieder da. Die Polizei entgegnet: Ihnen seien die Hände gebunden. Am 30. Mai des vergangenen Jahres hat das Rathaus von Palma eine Verordnung verabschiedet, die Einschränkungen für die Aktivitäten der Straßenkünstler im Zentrum vorsieht.
Ob Musizieren, Statue spielen oder Bilder malen - nicht alles ist erlaubt, erst recht nicht überall und schon gar nicht zu jeder Tageszeit.
So ist zum Beispiel allen Künstlern untersagt, sich an den Königsgärten unterhalb der Kathedrale zu postieren. Auch in der Calle Antonio Maura, vor der Kathedrale und an der Plaça Cort sollten sie sich nicht erwischen lassen.
Direkt vor Denkmälern, historischen Gebäuden oder Wahrzeichen darf auch keiner jonglieren oder zaubern. Außerdem hat jeder von ihnen genau einen Quadratmeter Platz, auf dem er seine Kunststücke zeigen darf, und länger als 30 Minuten dürfen menschliche Statuen sowie Musiker sich nicht auf ihrem Quadratmeter aufhalten. Nach der halben Stunde müssen sie sich einen neuen suchen. Handelt es sich um einen Musiker, so darf sich dieser nicht in der Nähe eines anderen Musikers aufhalten. Lauter als 45 Dezibel darf keine Gitarre und kein Dudelsack sein und gesungen oder geklimpert werden darf nur zwischen 10 und 15 Uhr und zwischen 17 und 22 Uhr. In Palmas Altstadt nur bis 21 Uhr.
Ob Musiker oder Akrobat - verboten ist auch die Teilnahme von Tieren und Minderjährigen unter 16 Jahren. Menschliche Statuen dürfen sich nicht mit "handelsüblichen Kostümen" schmücken. Sie müssen individuelle Verkleidungen tragen. Maler haben die Auflage, nur selbst gemachte Bilder zu verkaufen. Festgelegt ist auch die Farbe der Sonnenschirme, mit denen sich die Straßenkünstler vor allzu großer Hitze schützen: diese dürfen nur helltönig sein.
An der Plaça Major weiß von diesen Regeln noch nicht jeder, zumindest stehen bei einigen Malern auch blaue oder gestreifte Schirme am Stand. Auch die Verordnung, sich nach einer halben Stunde vom Platz zu entfernen, ist noch nicht bei jedem angekommen. Die Band spielt vier Stunden lang am gleichen Platz und wurde auch noch nie angehalten, den Ort zu wechseln. Die Polizei reagiert nicht und verweist auf Nachfrage an das Rathaus von Palma. Dort heißt es, dass man nicht wisse, wie die Beamten vor Ort mit den Verordnungen umgehen und dass die Polizei "sich ja nicht um alles kümmern kann".
Auch Floreal Collado wird an diesem heißen Tag fast sechs Stunden am gleichen Fleck ausharren. Der "Zwerg im Baum" ist gerade bei kleinen Kindern beliebt. Kunstvoll ranken Wurzeln vom Boden an seinen Beinen hinauf und bilden einen Baum, in dem sich der 34-Jährige als Zwerg verkleidet versteckt. "Mir geht es vor allem um die Freiheit. Deswegen mache ich das." Zuvor hat sich Collado mit vielen Gelegenheits-Jobs über Wasser gehalten, Gärtner war er auch schon einmal, die Hitze ist er gewohnt.
Um sieben fängt sein Tag als Straßenkünstler an, nach 45 Minuten Vorbereitungszeit geht die Arbeit richtig los. Bis zu 100 Euro verdient er an einem Tag, manchmal kommen nur ein paar Cent zusammen, heute wird es wohl nicht so viel werden: "Schau, die Touristen tragen alle ein Plastik-Armband. Die kommen aus den All-inclusive-Hotels, kaum einer hat überhaupt Geld dabei."
2 Kommentare
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Wer Menschen, die ihren Lebensunterhalt auf der Straße verdienen müssen, pauschal und undifferenziert als Freaks bezeichnet, hat den Einschlag wohl noch nicht gehört. Der Vorkommentator scheint Großmufti in Sachen Intoleranz und Ignoranz zu sein. Er will sie von den Straßen holen? Na, dann hat er es zum Rassismus und Nationalismus ja nicht mehr weit. Was wird sein nächster Schritt? Die Pogrome der Moderne?
Bei aller Liebe: Aber wie man ein Reizthema wie dieses journalistisch so unkritisch abhandeln kann, wie es die Autorin macht, ist mir ein Raetsel. Die meisten Musiker sind Bettler mit Instrumenten. Der Rest ist eine Freakshow. Es sind genau solche Beitraege, die Menschen, die weitgehend Musikmuell absondern, die Legitimation zum Weitermachen geben. Statt eine Petition zu starten, diese Leute von der Strasse und den Plaetzen zu holen, werden sie hier noch gefeiert statt gefeuert. Nach neun Wintern in Palma habe ich mich entschlossen, der Stadt endgueltig Ruecken zu kehren. Die so genannten Strassenkuenstler waren schlciht nicht mehr auszuhalten. Dazu gehoert auch die von Ihnen zitierte Naida A., die ich ueber Monate hinweg vor meinem Fenster erdulden musste. Dass das Repertoire dieser Frau gerade mal 5 (FUENF!) Lieder betraegt, haette in dem Beitrag ebenso erwaehnt werden muessen wie die Tatsache, dass die meisten der so genannten "Kuenstler" kaum mehr als 3 Gitarrengriffe und drei oder vier Songs kennen.