Ein älterer Herr winkt freundlich, deutet auf eine freie Parklücke, und geht dann gemächlich weiter seines Weges. Im Herzen von Costitx, der kleinen Gemeinde zwischen Inca und Sineu, im tiefsten Inland Mallorcas, geht es ruhig zu. "Ja, die Leute sind sehr hilfsbereit. Auch Fremden gegenüber", sagt Magdalena González und nickt. Sie betreibt die "Bar Central" auf dem Rathausplatz. Links davon ist die "Bar Español Can Vermell" angesiedelt, rechts die Bäckerei "Forn Can Burí", die ebenfalls eine Außenterrasse hat. Vier gastronomische Betriebe - wenn man auch das knapp 400 Meter entfernt gelegene "Restaurant Can Font" dazuzählt - das reicht für die rund 1250 Einwohner große Gemeinde. Hier findet das soziale Leben statt, hier trifft man sich. "Naja, viele Einwohner sind ohnehin miteinander verwandt", erzählt González und grüßt freundlich einen Kunden, der sich an die Theke setzt. González selbst kommt vom spanischen Festland, hat aber einen Costitxer geheiratet. "Meine Tochter ist hier geboren. Mittlerweile spreche ich mehr Mallorquinisch als Spanisch", sagt sie und lächelt. Schon lange fühlt sie sich integriert. "Und auch die deutschen Einwohner hier haben es in der Regel nicht schwer." Plakativ hat ein Bewohner am Ortseingang ein "Willkommen"-Schild an seiner Haustür befestigt. Womöglich einer der rund 80 Deutschen, die laut Statistik in Costitx leben.
Räumliche und soziale Nähe zählen zu den Dingen, die Costitx auszeichnen. Die Wege in der gut 15 Quadratkilometer großen Gemeinde sind kurz. "Etwa 60 Prozent der Menschen wohnen im einzigen Ortskern, der Rest etwas außerhalb", berichtet Bürgermeister Antoni Salas. Auch er mag die kurzen Wege - in jeglicher Hinsicht. "Ich habe rund 600 Kontakte in meinem Handy", sagt er und lacht. "Oft ruft mich jemand direkt an, wenn er ein Anliegen hat." Keine 20 Meter kann Salas im Dorf gehen, ohne angesprochen zu werden. Vom einzigen Lokalpolizisten im Ort, vom Friedensrichter, der in der "Bar Central" sitzt und einen Kaffee schlürft, oder von einem Anwohner, der "mal eben kurz" Hilfe bei Dokumenten braucht.
Rustikale Fincas und eine gute Sicht über Mallorcas Ebene prägen die Landschaft um Costitx. "Früher wurde hier vor allem Geflügel gezüchtet. In den 1960er Jahren wurden 50.000 Hühner und 9000 Puten pro Monat verkauft", weiß Bürgermeister Salas. Doch das ist lange her. "Heute gibt es mehrere Baufirmen hier, aber die meisten Einwohner arbeiten auswärts, in Hotels in Can Picafort oder Alcúdia zum Beispiel, oder im Einzelhandel in Inca."
Eine Grundschule, ein Spielplatz, eine Kirche, antike Windmühlen, ein Naturkundemuseum, zahlreiche zweistöckige Sandstein-Reihenhäuser und ein paar kleine Lebensmittelläden kennzeichnen den Ortskern. Einer davon gehört Miquel Horrach Nicolau. "Mein Großvater hat das Geschäft 'Sa Botiga Nova' im Jahr 1948 eröffnet. Damals gab es hier natürlich noch keine Touristen", berichtet Horrach. Das sei jetzt anders. "In den vergangenen Jahren sind es deutlich mehr geworden, vor allem Deutsche." Sein Sortiment hat Horrach angepasst: Mehrere Ausgaben des Mallorca Magazins liegen in seinem Laden aus, auch zahlreiche lokale Produkte von den verschiedensten Orten der Insel stehen hier zum Verkauf. "Sobrassada, Käse, Wein, Textilien, Tonware - alles von hier, das mögen die Urlauber."
Alfred Honermann und seine Mitstreiter vom "Tri-Club Wuppertal" sind nicht zum Ladenbummeln gekommen. "Wir machen Verschnaufpause", erzählen die Triathleten aus NRW, die sich im Radfahrer-Dress ein Pa amb oli in Magdalena González' Bar gönnen. Sie hätten schon oft auf Mallorca trainiert, erzählen sie. "20-mal bestimmt. Aber man will ja auch mal was Neues sehen, und in Costitx waren wir vorher noch nie." Durchatmen, die Ruhe genießen, vielleicht ein Foto auf dem Rathausplatz schießen, dann geht es für die Radler weiter.
"Viele kommen nur für einen Zwischenstopp. Aber in den vergangenen Jahren haben wir auch immer mehr Gäste, die im und um den Ort übernachten", so Bürgermeister Salas. Ein Hotel gibt es zwar nicht, dafür aber mehr als 40 private Ferienunterkünfte mit mehr als 260 Schlafplätzen, berichtet er. "Und alle sind legal."
Idylle pur im verträumten Örtchen? Das war nicht immer so. Costitx - das bringen viele bis heute auch mit einem der größten Korruptionsskandale in Verbindung, die Mallorca erschüttert haben. Stichwort: Maria Antònia Munar, von 1995 bis 2007 Präsidentin des Inselrats - und von 1979 bis 2007 Bürgermeisterin in Costitx. Immer wieder brachte die im Volksmund "Prinzessin von Mallorca" genannte konservative Politikerin das Örtchen in die Schlagzeilen der Inselmedien: Mit ausartenden Sitzungen im Rathaus wegen der umstrittenen Planung des Autobahnbaus von Inca nach Manacor und natürlich mit dem Korruptionsskandal um die kriminelle Vergabe des Can-Domengue-Grundstücks in Palma, bei der Munars Inselrat durch unzulässige Absprachen mit einer Baufirma einen Millionenschaden angerichtet hat.
Während Munar ihre mehrjährige Haftstrafe absitzt, wohnen ihre Angehörigen weiter in dem kleinen Ort. "Man redet noch mit ihnen, natürlich", sagt Bar-Besitzerin Magdalena González. Generell scheint das Thema die Gemüter vieler Dorfbewohner schon lange nicht mehr zu erhitzen. Auch Bürgermeister Salas, der Munar in ihrem Bürgermeisteramt ablöste und seitdem ununterbrochen an der Macht ist, scheint eher den Vergeben-und-Vergessen-Kurs zu fahren: "Wenn jemand sich für seine Fehler entschuldigt und das Geld zurückzahlt, dann sollte man ihm verzeihen", kommentiert er.
Erst neulich schaffte es Costitx auch ohne Munar auf die Titelseiten der Inselpresse: Schlagzeilen über die einzige Sternwarte Mallorcas, nur zwei Kilometer außerhalb des Ortskerns, die nun für 1,7 Millionen Euro zum Verkauf steht. Eine von Stein-eichen gesäumte Landstraße führt zu dem abgelegenen Bau, der vor 26 Jahren eingeweiht wurde. Ein Gebäude mit zwei Stockwerken und drei Kuppeln, sieben frei stehende kleine Kuppeln, ein Planetarium und eine Cafeteria gehören zum Komplex. Dass der Betreiberverein OAM bereits Anfang 2016 Insolvenz anmeldete, ist offensichtlich: Müll liegt hier herum, eine große Satellitenschüssel rostet im Gras vor sich hin. Ein verkommener Anblick, dabei ist der Komplex eigentlich noch in Betrieb - noch. "Es wäre schade, wenn sich kein Käufer findet, der es weiterlaufen lassen will", so Bürgermeister Salas. "Aber wir als Gemeinde können da leider auch nicht viel tun."
Generell widmet sich Salas sowieso lieber den Dingen, die schnell umsetzbar sind. Vor einem Jahr brachte er einen Routenführer durch die zahlreichen archäologischen Fundstätten im Gemeindegebiet auf den Weg, vor wenigen Monaten ließ er die Wanderwege ausschildern. Vielleicht kommen dann bald noch mehr Besucher in das kleine Dorf.
(aus MM 13/2017)
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