"Ich fand es schon immer schrecklich, wie die Textilindustrie funktioniert", sagt Christina Bussmann. Ausbeutung der Arbeitskräfte, Umweltbelastung - all das verabscheut sie. Und doch absolvierte die Berlinerin in Köln eine Ausbildung zur Bekleidungstechnischen Assistentin und studierte dann in Florenz Modedesign. Damals, vor ihrer Mallorca-Zeit. "Um nicht in die Textil-Branche einsteigen zu müssen, habe ich als Kostümassistentin und Stylistin bei Filmproduktionen in Berlin gearbeitet", erinnert sie sich.
Da erscheint es nicht verwunderlich, dass Bussmann heute, gut zehn Jahre, nachdem sie mit ihrem Mann und ihrer damals vierjährigen Tochter nach Mallorca zog, das einzige Design-Label betreibt, das auf der Insel "veganes Leder" verarbeitet. "Naja", sagt sie und grinst. "Eigentlich kann man es nicht so nennen. Es ist ja kein Leder, sondern eine Textilie aus Fasern von Ananas-Blättern. Aber es hat ähnliche Eigenschaften." "Piñatex" heißt das Material offiziell, das nur von einer Firma hergestellt wird, die wiederum nur an wenige Design-Labels verkauft. Unter anderem an Bussmanns "Maravillas Bags". "Auf Mallorca bin ich auf jeden Fall die Einzige, die Piñatex verarbeitet, und ich glaube sogar in ganz Spanien." Bussmann wirkt sympathisch, offen und bodenständig zugleich. "Nicht alle Mythen um Piñatex stimmen", verrät sie augenzwinkernd. "Kompostierbar ist es zum Beispiel nicht."
Bussmann selbst ist keine Veganerin und stellt neben den Piñatex-Artikeln auch Taschen aus echtem Leder her. Sie lacht. "Ein paar Leute schrecken zurück, wenn sie das Wort vegan hören. Im anderen Extrem gab es mal eine schweizerische Veganerin, die meine Ananas-Tasche nicht kaufen wollte, als sie erfuhr, dass ich auch Echtledertaschen herstelle. Man kann es eben nicht allen recht machen."
Wichtig ist Bussmann, dass sie sich selbst treu bleibt und darum ist sie stets bemüht: Das Leder kauft sie bei einer Firma in Spanien, von der sie weiß, dass die Herstellung weder den Arbeitern noch der Umwelt schadet. "Und ich verwende nur naturgegerbtes und nicht chromgegerbtes Leder. Verbraucher merken nachher kaum einen Unterschied, aber es ist nachhaltiger und recycelbar."
Drei Jahre ist es her, dass Bussmann ihr Label gründete. "Das war schon immer mein Traum." Dass es Taschen geworden sind, war Zufall. "Ich war auf der Suche nach einer, aber habe auf Mallorca keine gefunden, die mir gefällt. So nähte ich mir selbst eine und plötzlich fragten Freunde an, die auch Interesse hatten."
Bussmann spricht fließend Spanisch. "Ich würde sagen, dass ich gut integriert bin. Aber ich habe nicht nur mallorquinische Bekannte, sondern auch deutsche und andere Nationalitäten." Aus einer freundschaftlichen Beziehung zu einer Spanierin ging auch die Kooperation mit ihrem Atelier hervor. Seit anderthalb Jahren arbeitet Bussmann im Untergeschoss des Ladens "Suite 13", direkt neben Palmas Plaça Major. Jeder kann vorbeikommen. Hier verbringt Bussmann viel Zeit. Fast schon zu viel, wie sie findet. "Ich versuche, alles selbst zu machen, nur wenn es zu viele Bestellungen auf einmal sind, greife ich auf die Hilfe mallorquinischer Bekannter zurück."
Neid oder Missgunst habe sie bisher nicht erfahren. "Im Gegenteil, es ist ja ein traditionelles Handwerk auf der Insel, das auszusterben droht. Ich habe das Gefühl, Mallorquiner finden es gut, was ich mache." Nicht zuletzt, weil der lokale Bezug immer wieder auftaucht. "In einer Kollektion habe ich allen Taschen Ortsnamen von Mallorca gegeben." Sie deutet auf einen naturweißen Beutel. "Das hier ist zum Beispiel 'Es Trenc'." Auch der Labelname kommt von hier - "Maravillas", so heißt die Zone der Playa de Palma, in der Bussmann mit ihrer Familie lebt. Trotz der Lokalverbundenheit: Viele ihrer Kunden kommen von nördlich der Alpen. Nachhaltigkeitsdenken beim Taschenkauf, das sei unter Mallorquinern erst langsam im Kommen. "Und Handarbeit hat natürlich ihren Preis." Bis zu 300 Euro kann nicht jeder zahlen.
Reich werden, das könne man mit dem Business nur schwer. "Dann muss man sich noch mehr reinhängen." Bussmann ist froh, wenn sie zumindest ab und zu auch noch die Insel genießen kann. Beim Surfen oder beim Wandern zum Beispiel. "Dann wird man sich wieder bewusst, wie schön man hier lebt."
(aus MM 08/2017)
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