Igitt, denken manche Besucher, wenn sie aus Versehen in Algen am Strand hineintreten. Dazwischen hängen oft verfaserte Wurzelknollen, die ein bisschen an Ingwerwurzeln erinnern, und filzige Bälle. Im Herbst und Winter sind ganze Strände damit bedeckt. Doch dieser vermeintliche Schmutz leistet einen äußerst wertvollen Beitrag für die Umwelt.
Es handelt sich gar nicht um Algen, wie oft angenommen, sondern um abgestorbene Reste des Neptungrases, einer Salzwasserpflanze. Der botanische Ausdruck ist Posidonia oceanica, zirka 630 Quadratkilometer dieser Seegraswiesen umgeben die Balearischen Inseln. Die Posidonia oceanica bildet weit verzweigte Wurzeln und Sprossachsen (botanisch Rhizome) und bis zu einen Meter lange Blätter. "Nach der Blüte sterben die Blätter von der Spitze her ab und lösen sich von der Sprossachse. Sie fasern aus und spülen an Land", erklärt Hilmar Hinz vom Meeresforschungsinstitut Imedea in Esporles. Auch die Rhizome werden an den Strand gespült. Das sind die ingwerähnlichen Gebilde. Die filzigen Bälle stammen ebenfalls von der Posidonia. "Viele Faserreste sammeln sich am Meeresboden an und werden vom Wellengang hin und her getrieben. Mit der Zeit verbinden sie sich und verfilzen. Sie werden zu einem Ball und schwemmen an den Strand", erläutert Dr. Hinz. Mit echten Seebällen, den beliebten Aquarienpflanzen, haben diese Bälle nichts zu tun.
Die Posidoniawiesen sind Lebensraum für viele Fische und Meerestiere wie Schnecken und Muscheln. Sie spielen eine wichtige Rolle für das Klima, denn sie speichern weit mehr Kohlendioxid als Wälder von der gleichen Größe. Gleichzeitig fangen die Blätter Schmutzpartikel auf und sorgen damit für klares Wasser. Und sie schützen die Strände vor Erosion, denn die langen Blätter agieren wie ein Riff, das den Wellengang abbremst. Umweltschützer fordern, das Neptungras nicht vom Strand zu entfernen, denn bei Stürmen sorgt es dafür, dass der Sand nicht abgetragen wird.
Wasserverschmutzung, Anker und Klimawandel setzen der Posidonia stark zu. Zwar reinigt sie das Wasser von organischen Substanzen, aber wenn die Konzentration zu hoch ist, geht sie ein. Das ist vor allem im Hochsommer der Fall, wenn die überlasteten Kläranlagen das Wasser nicht mehr ausreichend reinigen können, bevor sie es ins Meer abführen. Auch auf die Meereserwärmung reagiert die Posidonia sehr empfindlich. Sie ist deshalb streng geschützt und darf nicht vom Strand entfernt werden. Das gilt auch für die Seebälle, die gerne als Souvenir mitgenommen werden. Es ist auch verboten, auf Posidoniafeldern zu ankern. Durch Anker gerissene Löcher in die Felder richten großen Schaden an, weil die Pflanze nur extrem langsam wächst.
(aus MM 28/2016)
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