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Palma de Mallorca, 21 Uhr: Fleisch- und Feuergeruch zieht durch die Calle Blanquerna. Eine Gruppe junger Leute hat ein kleines Feuer entfacht, die Kohle glüht bereits, Grillroste werden positioniert. So wie jedes Jahr am 19. Januar, in der Nacht vor dem Feiertag des Schutzheiligen Sant Sebastià. Unentschlossene Bummler haben die breite Auswahl: An fast jeder Ecke stehen Grills, einige haben Gastronomen aufgestellt, andere haben Privatpersonen mitgebracht. Die meisten sind vollgepackt, einen Platz für das eigene Fleisch zu finden, erfordert Geduld. In einem Supermarkt in der Nähe drängen sich die Menschen um das Fleischwarenregal. Die Spontanen, die keine Zeit hatten, sich auf Sant Sebastià vorzubereiten. "So ist das hier jedes Jahr", erzählt eine Angestellte. "Aber wir haben ja genug da."

21.15 Uhr: Noch sind die Lichter an der großen Bühne an der Plaça d'Espanya ausgeschaltet, aber durch die riesigen Boxen dringt schon Musik vom Band. Mainstreampop. In gut 30 Minuten wird hier das Konzert der katalanischen Gruppe "Pepet i Marieta" starten. "Wenn hier eine Alterskontrolle gemacht würde, blieben nicht mehr viele übrig", witzelt ein Mann im Vorbeigehen. Er hat recht: Fast alle erwartungsfreudigen Zuhörer sind Jugendliche. Nur an den Rändern des Platzes steht die ältere Generation, mit gebührendem Abstand zu ihrem Nachwuchs.

21.35 Uhr: Auf der Calle Olmos Richtung Rambla mischen sich die Altersgruppen wieder. Eine private Vereinigung hat zwei Grills auf die Straße gestellt und Musikboxen auf einem der anliegenden Balkone angebracht. Es ist so voll, dass kaum Durchkommen ist, von einem freien Platz am Grill ganz zu schweigen. Dafür stimmt die Stimmung. "Wir treffen uns jedes Jahr hier", erzählt Ana. Die Mallorquinerin, Mitte 30 etwa, ist mit einer großen Clique hier. "Das ist quasi unser Stammgrillplatz. Aber es ist auch jeder Neuling willkommen."

21.50 Uhr: Die Belegschaft vom Restaurant "Al Punt" hat gut zu tun. Drei Grills stehen auf der Terrasse. Für Kunden, die Fleisch kaufen, wird gegrillt. Wer Grillzeug mitgebracht hat, muss es selbst betreuen - wenn er denn einen Platz auf den vollen Rosten findet. Ein Alleinunterhalter sorgt bei dem eher älteren Publikum für Stimmung, es wird getanzt. "Wir haben erst im Sommer geöffnet, somit ist es unser erstes Sant Sebastià", erzählt eine gestresst wirkende Kellnerin. "Aber hier braucht man nicht seit Jahren etabliert zu sein. Wer Grills gut sichtbar aufstellt, zu dem kommen die Leute am 19. Januar so oder so." Tatsächlich kann fast von Völkerwanderungen die Rede sein. Viele Gruppen lassen sich durch die Stadt treiben, schauen mal hier und mal da - allein bei den Konzerten mehr als 34.000 Menschen, wie Palmas Rathaus später bekannt gibt.

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22 Uhr: In der Mitte der Plaça Major lodert das wohl schönste Feuer. Familien sitzen in Gruppen auf dem Boden, genießen mallorquinische Schlagermusik.

22.15 Uhr: Im Gewimmel nahe der Plaça del Mercat sind deutsche Stimmen zu hören. Daniel, Alon, Laura, Corinna und Julia haben sich der südländischen Spontaneität angepasst und ziehen ohne bestimmtes Ziel durch die Stadt. "Es ist schon unser drittes Jahr Sant Sebastià", erzählt Laura. Wie die meisten anderen aus der Gruppe hat sie in Palma studiert und kürzlich angefangen, hier zu arbeiten. Der 19. Januar sei immer ein Highlight gewesen. "Man braucht gar keine genaue Planung, hier ist ja überall etwas los."

22.35 Uhr: Auf der Bühne an der Plaça del Rei Joan Carles I steigt die Spannung. Bald wird hier die Dark-Music-Gruppe Helevorn auftreten. Die Chance, endlich einen Platz an einem der Grills zu ergattern. Grillzangen und Plastikbesteck haben nur die besser Vorbereiteten dabei. Macht nichts - Fleischgeruch an den Händen gehört an Sant Sebastià wohl dazu. Immerhin: Die Wurst aus dem Supermarkt schmeckt.

23.30 Uhr: Auf dem Weg zum Parc de la Mar werden die Haare der Männer länger, die Kleidung ausgefranster, in der Luft liegt Marihuanageruch. Ein DJ mit Wollmütze sorgt für stimmungsvolle Beats. Zwei Männer vom Sicherheitsdienst gehen mit müden Blicken durch die friedlich feiernden Menschengruppen, drücken immer wieder ein Auge - oder besser: ein Nasenloch - zu. Hier wird traditionell "Sant Kanut" gefeiert, der "heilige Joint". "Die Stimmung ist chillig hier, aber nachher gehe ich zu den Hauptbühnen im Zentrum zurück", berichtet Andreu. Er ist in Palma geboren und schätzt vor allem die Vielfalt von Sant Sebastià - und die will ausgenutzt werden. Er lacht: "Die Nacht hat ja gerade erst begonnen."

Hier geht es zur MM-Fotogalerie und zum Video der Schwesterzeitung Ultima Hora. Das Programm läuft noch bis Sonntag, 24. Januar.