Den Interviewtermin auf Mallorca hat José Luis Casero auf 17 Uhr gelegt, doch nicht etwa, weil der Unternehmer da gerade wie hierzulande üblich aus der Mittagspause kommt, sondern weil der Zeitpunkt am besten in seinen vollen Terminkalender passt. Casero ist Unternehmer und Vorsitzender der "Vereinigung zur Rationalisierung der spanischen Arbeitszeiten" (Arhoe). Geht es nach ihm, steht die Siesta vor dem Aus. In drei Jahren, so fordert die Vereinigung, soll Spanien sich an die Arbeitszeiten anderer europäischer Länder angeglichen haben.
"Der Mittagsschlaf ist in Spanien gar nicht so verwurzelt wie man denkt, ich kenne niemanden, der ihn hält", sagt der Unternehmer. Die Siesta stammt aus Zeiten der Franco-Diktatur, in der die Spanier zwei Arbeiten nachgehen mussten: einer ab 8 Uhr und die zweite ab 16 Uhr. Auch in der Sommerhitze mache eine Mittagspause für Landwirte durchaus Sinn, doch in klimatisierten Büros habe sie ausgedient. "Siesta ist etwas für Kinder und ältere Menschen, Spanien drängt sie allerdings von den internationalen Märkten ab", betont José Luis Casero.
2012 schaffte die konservative Regierung Spaniens die lange Mittagspause im Einzelhandel ab, davon sollten vor allem Geschäfte in touristischen Zonen wie Mallorca profitieren. Einzelhändler durften ab dann 90 statt bisher 72 Stunden in der Woche öffnen. Kleinere Geschäfte mit weniger als 300 Quadratmeter Verkaufsfläche waren nicht mehr gezwungen, in der Mittagszeit zu schließen. Bereits 2006 fiel die Mega-Mittagspause in spanischen Ämtern, Beamten konnten keine Siesta mehr halten. Das traf die Mallorquiner nur wenig, denn auf der Insel haben die Ämter traditionell von 8 bis 15 Uhr geöffnet.
Casero setzt sich für flexiblere Arbeitszeiten mit einer kurzen Mittagspause ein. "Wir sind Menschen, keine Maschinen und brauchen menschenwürdige Arbeitszeiten", sagt der zweifache Vater. Denn Zeit für die Familie sei extrem wichtig und durch die überlangen Pausen kommen die Eltern oftmals später nach Hause. Im europäischen Vergleich verbringen die Spanier zwar 41 Stunden an ihrem Arbeitsplatz, das sind drei Stunden mehr als beispielsweise in Deutschland, liegen mit dem Bruttoinlands-produkt aber hinter anderen Staaten. "Wer nur seinen Schreibtischstuhl wärmt, arbeitet nicht produktiv", sagt Casero.
Die lange Mittagspause hat Auswirkungen auf den gesamten Alltag in Spanien. Der Mittagstisch beginnt erst um 14 Uhr, dann wird nicht selten das "Menú del día", das dreigängige Tagesmenü mit einem Gläschen Wein verspeist, bevor um 17 Uhr die Läden wieder öffnen und auch die Büroangestellten weiterarbeiten. Das führt dazu, dass so mancher Angestellter erst um 21 Uhr oder gar später nach Hause kommt. Kleine Kinder liegen dann schon im Bett und sehen einen Elternteil nur am Wochenende. Danach wird zu Abend gegessen und ab 22 Uhr beginnt die Hauptfernsehzeit in Spanien mit Nachrichten und Spielfilm. Da ist die deutsche Primetime schon vorbei. Spanier gehen später ins Bett als Menschen in anderen Ländern. Im Land der Siesta schlafen die Menschen eine Stunde weniger als ihre europäischen Nachbarn, belegen Studien. Wenn Fern- sehprogramme für Kinder erst um 22.30 Uhr beginnen, sei der Nachwuchs am nächsten Tag in der Schule übermüdet, klagen Eltern.
Dabei ist das Land seiner Zeit eine Stunde voraus. Auf der iberischen Halbinsel und den Balearen sollte eigentlich die Uhrzeit von Portugal und den Kanaren gelten, denn die mitteleuropäische Zeit entspricht nicht der geografischen Lage Spaniens. Diktator Franco erließ am 7. März 1940 einen Beschluss, der die Uhrzeit in Spanien um eine Stunde vorverlegte, er glich die Zeit damit an das faschistische Italien und Nazi-Deutschland an. Zeit ist also in Spanien ein heikles Thema: "Wir brauchen eine Stunde null, einen Neustart", sagt José Luis Casero.
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