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"Im Ausland gehören wir einfach zusammen", sagt Christian Neukom, und bezieht sich dabei auf die "Hassliebe" zwischen deutsch- und französischsprachigen Schweizern. "Das ist ein typisches Phänomen. Zu Hause in der Schweiz kritisieren wir aneinander herum, und im Ausland sind wir eben alle Schweizer."

Neukom ist eidgenössischer Honorarkonsul auf Mallorca. Der Job, den er sich eigentlich immer ganz einfach vorgestellt hat, verlangt ihm einiges ab, vor allem, seitdem immer mehr Schweizer auf die Insel kommen. "Früher habe ich gedacht, mit dem Ausstellen von Lebensbescheinigungen für die Versicherung und der August-Feier sei alles getan, aber weit gefehlt. Wir kümmern uns um 'Gestrandete', organisieren Passangelegenheiten in Abstimmung mit dem Generalkonsulat in Barcelona oder helfen älteren Menschen in Rentenangelegenheiten."

Und Mallorca scheint in der Schweiz zu boomen. Über 450.000 Eidgenossen, so Neukom, kämen pro Jahr zum Urlaub auf die Insel. Vor wenigen Jahren waren es nur 300.000. Das jährliche Wachstum bewege sich konstant im zweistelligen Prozentbereich. Hinzu kommen die Ein- bis Zweitausend Residenten. "Es ist schwierig, offizielle Zahlen zu präsentieren", so Neukom. "Viele verbringen nur ein paar Monate im Jahr auf der Insel und sind deshalb auch nicht bei den Behörden gemeldet."

Hauptgrund für den Zustrom sei der starke Franken und natürlich die Schönheit der Insel. Was die Schweizer an Mallorca schätzen? "Vor allem Bürger aus den großen Ballungsräumen Zürich, Genf oder Basel mögen die Landschaft. Die Schweiz ist sehr zersiedelt, viele Menschen leben auf engem Raum, rundherum hohe Berge. Hier ist das nicht so, man hat noch viel Land vor der Haustür."

Insgesamt seien die Schweizer zwar recht gesellig, suchten aber auch oft die Abgeschiedenheit der Finca. "Große Hotels mit vielen ausländischen Touristen sind nicht so unser Ding. Wir sind ja schon in der Schweiz nur von Touristen umgeben."

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Dass die Schweizer eher diskret und unauffällig leben, bestätigt auch Weinhändlerin Kerstin Künzle. Für sie als Residentin sei es wesentlich leichter, Deutsche kennenzulernen, als ihre Landsleute. "Das liegt natürlich zum einen daran, dass es hier viel mehr Deutsche gibt, aber auch daran, dass viele Schweizer zurückgezogener sind."

Manche Langzeiturlauber und Residenten haben sich in zwei Vereinigungen zusammengeschlossen, dem Schweizer Club der Balearen und dem französischsprachigen Pendant, dem Club Romand. Gut 100 aktive Mitglieder hat der deutschsprachige Verein, 60 die frankophone "Konkurrenz".

"Es ist schwierig, alle Landsleute hier auf Mallorca zu erreichen", erklärt Club-Sekretärin Bettina Frei-Klipstein. "Wir Deutschschweizer sind einfach von zurückhaltendem Naturell." Etwas anders tickten die Freunde aus der Romandie, also der französischsprachigen Westschweiz, meint Club-Romand-Chef Daniel Bürki. "Wir haben mehr Latino-Blut." Ob das die Integration auf Mallorca vereinfache? "Das glaube ich nicht. Hier steht und fällt alles mit der Sprache. Wer Spanisch kann, ist schneller integriert." Auch bei den Treffen der beiden Clubs spielt die Sprache eine Rolle. "Man sollte es nicht glauben, aber oft sprechen wir dann spanisch miteinander. Das ist für viele von uns einfacher."

Das wichtigste Datum im eidgenössischen Kalender ist der 1. August. Dann wird der Nationalfeiertag begangen. "Natürlich mit allem, was dazu gehört", so Neukom. "Gutem Essen, gutem Wein und der Übertragung der Rede des Bundespräsidenten." Ein bisschen Traditionspflege gehört dann doch dazu.

(aus MM 16/2015)