Wenn die Abendsonne tief über Mallorcas Westküste steht und ihre letzten Strahlen in Richtung der Bucht von Palma wirft, dann ist das Calatrava-Viertel im Osten der Altstadt wohl der Ort, an dem man das warme Licht am längsten genießen kann. Dem Wachstum der Bäume am Passeig de la Murada jedenfalls scheint die Nähe zum Meer ebenso gut getan zu haben, wie das viele Sonnenlicht. Ihre alten, knorrigen Stämme sind wahrhaft mammuthaft.
Gleich nebenan, an der Plaça Llorenç Villalonga, zeigt sich das "Barrio" von seiner schönsten Seite. Der Palacio "Can Estarellas", die Hausnummer zehn, wurde Ende des letzten Jahrhunderts zur "am schönsten restaurierten Fassade der Stadt Palma" gekürt. Eine Plakette an der Hauswand erinnert daran. Und tatsächlich, der Altstadtpalast mit seinen Bordüren, Verzierungen und den Holzerkern ist wirklich eines der beeindruckendsten Gebäude der Inselhauptstadt.
Beeindruckend ist auch der Ausblick, den man von der breiten, palmengesäumten Promenade auf die gesamte Bucht von Palma hat. Versteckt sich das Wahrzeichen, die Kathedrale, im Schatten der Häuser, so tut sich beim Blick aufs Meer ein Bild wie aus dem Reiseführer auf. Die Masten der Segelboote wiegen hin und her, die Abendsonne glitzert auf der ruhigen See und in weiter Ferne liegen die Kreuzfahrtschiffe.
Hinter dem Passeig de la Murada führen enge Gassen hinauf ins Herz des "Barrios", das sich zweifelsohne im Umbruch befindet. Hier eine Baustelle, dort ein Gerüst und etliche "Zu-Verkaufen-Schilder." Von vielen alten Häusern blättert bereits der Putz ab, was der Schönheit des Quartiers keinen Abbruch tut.
Von der Plaça Villallonga führt der Carrer de Cristòfol hinauf zur Plaça Santa Fe. Der Boden des quadratischen Platzes ist mit buntem Herbstlaub bedeckt. In der Bar auf der Ecke sitzen zwei junge Männer bei einem Bier, einer "Caña." Auf der gegenüberliegenden Seite hockt hinter einer Glasscheibe eine junge Frau hinter einem Macbook, umgeben von Weinflaschen. Petra Stubenvoll kommt aus der Nähe von Graz und hat ihren Laden, die "Wine and Food Boutique" erst im Sommer hier eröffnet. Ihr Publikum aber ist keineswegs nur deutschsprachig. Zu ihren regelmäßigen Weinverkostungen, so die junge Frau, kämen auch viele Mallorquiner. Ihr Keller ist gut bestückt mit sämtlichen Sorten, die die Alpenrepublik zu bieten hat. "Dennoch ist es recht schwierig, einen Spanier von den Vorzügen eines grünen Veltliners zu überzeugen. Vor allem auf Mallorca denkt man ziemlich lokal, hier trinkt ja ein Bewohner des einen Anbaugebietes nicht einmal den Wein aus dem anderen Anbaugebiet."
Weniger Überzeugungskraft benötigt offenbar Sarah Schell in ihrem Geschäft "Lo Vegano" im Carrer de la Porta del Mar. "Auch wenn man es kaum glauben sollte, aber der vegane Markt ist auch in Spanien am wachsen", so die junge Frau aus Koblenz, die seit eineinhalb Jahren vegane Produkte verkauft. Es waren die Räumlichkeiten, in die sie und ihr Mann Patrick sich verliebt hatten. Calatrava ist für sie der ideale Ort dafür, denn das Viertel sei im Kommen und prompt betritt ein junger Mann mit Vollbart und enger Jeans, der genauso gut nach Prenzlauer Berg passen könnte, den Laden.
Im Carrer de la Posada de Montserrat tragen zwei junge Männer Gegenstände aus einem Laden. Es ist die Boutique von Giovanni Scavelli. Auch für den jungen Italiener ist Calatrava das "Barrio" der Zukunft. In seiner Boutique vereint er Kleidung und Kunst, beides meist von jungen Designern. In seinem Showroom leuchtet und blinkt es überall.
Draußen, in den Gassen leuchtet fast nichts mehr. Wenn die Sonne untergegangen ist, wird es kühl. Eine einsame Möwe sitzt auf einer Laterne, hat einen Fisch im Schnabel. Die Restaurants im Viertel sind geschlossen. Sie hingegen hat für ihr Abendessen gesorgt.
(aus MM 51/2014)
2 Kommentare
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Ich finde die Lage nicht besonders toll: Man hört die Flughafenautobahn extrem, und die Bausubstanz ist teilweise marode. Außer Son Vida und Bendinat gibt es im ganzen Raum Palma eigentlich keine richtigen A-Lagen. Selbst B-Lagen sind dünn gesät, da es überall laut ist und die Parkmöglichkeiten fehlen. Ansonsten ist die Altstadt Geschmackssache, mein Ding wäre sie aber nicht, und 5000 Euro für den m2 sind einfach nicht gerechtfertigt. Teilweise empfinde ich Palma wohnmäßig regelrecht als Ghetto.
Sehr schön und einfühlsam geschrieben. Ich befürchte allerdings, dass es mit der Beschaulichkeit in Calatrava schon bald vorbei sein könnte. In diesem Barrio steckt einfach zu viel Potenzial.