Auf Abenteuer hat sich Beate Müller-Blattau schon häufig eingelassen. Die langjährige Journalistin war als Auslandskorrespondentin zumeist in afrikanischen Kriegs- und Krisengebieten unterwegs. Dann ging die gebürtige Saarbrückerin ein für sie gänzlich neues Wagnis ein: Unbeleckt von jeder Erfahrung eröffnete sie in ihrer Wahlheimat Mallorca ein Bistro. Warum?
"Jeder Journalist hat diesen Traum: Einmal ein Buch schreiben, und einmal ein nettes Café eröffnen", sagt Müller-Blattau. Bücher hatte sie bis dahin mehrere veröffentlicht. Also war nun der gastronomische Betrieb an der Reihe. Knapp zehn Jahre führte sie das "Sa Plaça", direkt am Kirchplatz von Inca gelegen. Bis zum Eintritt ins Rentenalter schwang Müller-Blattau hier den Kochlöffel. Insgesamt 60 Mitarbeiter hatte sie in jenem Jahrzehnt bei sich beschäftigt, unter ihnen Spanier, Deutsche, Briten, Rumänen, Lateinamerikaner. Hat sich das Abenteuer in die Gastronomie gelohnt?
"Es war ein Fehler", sagt Müller-Blattau frei heraus. "Ich hätte in jenen Jahren lieber noch zwei Bücher schreiben sollen, verreisen, mein Privatleben pflegen."
So schlimm?
"Nie wieder!"
Dabei hatte alles ganz harmlos begonnen. Müller-Blattau, aufgewachsen an der deutsch-französischen Küchengrenze, hatte schon als Kind gerne gekocht. Als sie auf Mallorca nach einem Kinobesuch Crêpes bestellte, löste das eine Initialzündung aus: "Die waren so schlecht! Das kann ich zehnmal besser." Ihr Motiv: Nach all den Jahren intellektueller Kopfarbeit endlich einmal etwas mit den Händen machen. Gesagt, getan.
Und sie ging durchaus geschickt ans Werk: Als in Inca ein Lokal zur Ablöse ("Traspaso") bereitstand, ließ sie sich von einem Anwalt und einem Vermittler beraten. Bei den Verhandlungen kam heraus: Der bisherige Betreiber besaß für sein Lokal gar keine Lizenz, auch ein technisches Ingenieurs-Gutachten fehlte. Das drückte die Ablösesumme erheblich zu ihrem Vorteil.
"Ich plante ein Bistro, mit leichten Gerichten: Crêpes und Salate." Hinzu kamen an den Donnerstagen, wenn Markttag in Inca ist, kleine Gerichte: Frikadellen und Kartoffelsalat. Und natürlich mallorquinisches "Pa amb oli" (Olivenölbrote). "Ich stellte mir das nett vor. So, wie wenn ich für Freunde koche. Das mache ich heute noch gerne. Aber nicht 14 Stunden, jeden Tag."
Denn das Lokal hatte im Winter von 9 bis 22 Uhr geöffnet. Im Sommer sogar zum Teil bis weit nach Mitternacht. "Wenn du gerade schließen möchtest, und es kommt noch eine große Gruppe, dann machst du natürlich nicht zu."
Müller-Blattau wusste, dass sie das Programm nicht alleine stemmen konnte. Sie hatte ja Mitarbeiter, mit denen sie freundschaftlichen Umgang pflegte. "Bis ich merkte, ich werde bestohlen." Mal war es ein Griff in die Kasse, mal wurden Waren oder Lebensmittel mitgenommen. Einmal fiel dem Koch beim Abschied ein ganzer Schinken aus dem Mantel, direkt vor die Füße der Chefin. "Sicher habe ich ihn gefeuert. Aber da ich keine Beweise hatte, musste ich ihn auch noch abfinden."
Situationen wie diese haben sich wiederholt. Müller-Blattau sagt, sie hätte die ganze Zeit im Bistro sein und aufpassen müssen. Aber das sei kaum machbar. Ihr Fazit (und Tipp an Nachahmer): "So ein Lokal lässt sich nur als Familie betreiben, wo niemand den anderen beklaut."
Hinzu kam: Der Job ist anstrengend, getreu einem mallorquinischen Sprichwort, das Gastronomie mit Sklaverei gleichsetzt. Sie habe in jener Zeit menschlich viel gelernt, "aber das wiegt nicht die körperliche Überstrapazierung auf".
Gab es keinerlei schöne Erlebnisse? "Doch, ich war in Inca bekannt wie ein bunter Hund und kam in Kontakt zu vielen Mallorquinern. Das besteht fort." 80 Prozent ihrer Gäste waren einheimische Inselbewohner.
Dennoch ist Müller-Blattau heute froh, das Abenteuer "Bistro" hinter sich gebracht zu haben. Finanziell schloss sie die Erfahrung mit "plus-minus-null" ab. Die Journalistin über sich selbst: "Ich bin raus aus der rosaroten Wolke. Mit einem blauen Auge ..."
(aus MM 6/2014)
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