TW
1

Die Finger streichen vorsichtig, fast zärtlich über den geschwungenen dunkelgrünen Kotflügel. Der Lack glänzt, die Form schmeichelt der Hand. Die großen Schweinwerfer vorne sind rund, wie zwei staunende Kinderaugen. Er ist der Oldie unter den anderen Oldies. Über 50 ist er. Für ein Auto, das immer noch über die Straßen von Mallorca fährt, sind das viele Jahre.

Durch das Fenster im Heck dringt wenig Licht. Die Strebe in der Mitte lässt es wie eine Brezel aussehen. Gebogenes Glas war zur Bauzeit noch aufwendig und teuer, daher wich man auf diese Form aus. Das matte Grün ist eine Original-Volkswagen-Farbe. Nur Kenner unter den Werkstätten können die echten, ursprünglichen Volkswagenfarben zusammenmischen. Immer noch, auch nach vielen Jahren, zieht der VW-Käfer die Leute in seinen Bann. "Kein anderes Auto auf der Welt wird sofort von allen wiedererkannt", sagt Pep Albero, Präsident der Käferfreunde Mallorcas.

Es gibt Rallyes, es gibt Treffen weltweit, auf denen sich VW-Freaks tummeln und bizarre Wettspiele veranstalten. Oder einfach nur fachsimpeln, Gebrauchtteile anbieten und die anderen Modelle bestaunen. Der Käfer ist, zusammen mit dem Golf, weltweit das meistverkaufte Auto. Ein Volkswagen im wahrsten Sinne. Auf der Internetseite www.thesamba.com tauchen alle Modelle inklusive Farbtypen und Baujahr auf. Die Seite ist der Traum für alle VW-Entrückten. Die Lacke der frühen Volkswagen sind diskret - gedeckte Farben, deren Namen schon fast wie Gedichte klingen: Texasbraun, Helles Beige, Islandgrün.

Einer nach dem anderen rollt auf den Parkplatz von Palmas Hafen. Ein roter VW-Bus mit schwarz-weiß gemustertem Dach, ordentlich tiefer gelegt, ein mintfarbener Bus, Typ 2, der die Verwandlung eines früheren Schweizer Postautos sehr gut verkraftet hat. Der Beifahrer, ein weißer wuscheliger Hund, wartet geduldig auf dem Sitz. Auch der weinrote Käfer von Alejandro Pimentel ist dabei. Ein Klassiker unter den teilweise getunten VW-Oldies.

Ziel des heutigen Treffens ist eine Stadtrallye. "Überall in Palma sollen Käfer beziehungsweise Volkswagen unterwegs sein, sich begegnen und von möglichst vielen Leuten gesehen werden", ist Pep Alberos Ziel. Er hat Fragen vorbereitet: Wie hoch ist der mittlere Druck am Barometer auf der Plaça d' Espanya? Wie viele Kuppeln hat das legendäre Hotel in Can Pastilla? Er schickt die betagten Autos kreuz und quer durch die Stadt. Schnell mal eben im Internet nachschauen gilt nicht - ein Originalfoto von jedem Ort, der angesteuert werden soll, ist Pflicht.

Geboren wurde die Idee der Käferfreunde in den 90er Jahren. Der jetzige Präsident fand eines Tages einen kleinen Papierzettel an seiner Windschutzscheibe. Kein Parkticket, sondern ein Zettel mit der Info, dass es noch mehr Käfer- und VW-Begeisterte auf der Insel gebe und es doch schön wäre, wenn man sich zusammentun könnte. Der Club der Käferfreunde der Balearen (Amics dels Escarabats de ses Illes Balears) entstand und Pep war von Anfang an mit dabei.

Der Mallorquiner mit dem beigen Wollpulli ist ein "Aficionado" - ein ganz großer VW-Fan. Sein erstes Auto war ein Käfer. Da war er ein kleiner Junge und der Käfer passte in seine Kinderhand. Seit er 18 ist und selbst fahren kann, kurvt er in einem Volkswagen herum. Sein Favorit ist der VW T1-Kombi. Der VW-Bus, Ikone der 70er Jahre Hippiebewegung, war auch jahrelang sein Auto. "Jeden Tag zur Arbeit und damit durch Europa fahren", was anderes kam für ihn nicht infrage. Der mintgrüne VW-Kombi-Bus, mit dem er heute da ist, ist mehr ein Sammlerstück. Für den Alltag ist er ihm zu schade. Auch dieser Bus ist ein Senior: Jahrgang 1959.

Wie bei einem älteren Menschen zwickt und zwackt es bei Autos dieser Jahrgänge öfter mal. Auch wenn die alten VW-Modelle simpel und robust sind und gut zu reparieren, braucht es einen Kenner wie den Mechaniker Jaume. Pep hat den Mechaniker seines Vertrauens gleich in den Club integriert. Der Mallorquiner mit der schwarzen Kastenbrille schraubt seit Jahren ausschließlich an alten VW-Modellen herum. "Ersatzteile gibt es auch neue, aber die taugen nicht so viel. Frankreich ist ein guter Markt für Originalteile." Auch er ist ein VW-Erleuchteter. Die Leidenschaft könne man nicht erklären, die hat man in sich oder eben nicht. Sein roter Bus war früher ein Feuerwehrauto. Die Farbe ist geblieben, viele andere Teile mussten gehen. Ein potenterer Motor verschafft ihm zusätzliche PS. VW-Autos werden durch Luftventilation gekühlt. Das ist etwas lauter als die häufigere Wasserkühlung, aber weniger anfällig.

Ignasi Galiana, Besitzer des dunkelgrünen Käfers mit filigranen Scheibenwischern, ist mehr als ein Käfer-Liebhaber. Zusammen mit seinem Bruder restauriert er Oldtimer. Der ursprüngliche Flugzeugbautechniker weiß, wovon er redet. Sein privater Fuhrpark am Rande von Palma ist inzwischen auf über 20 Autos gewachsen - nicht nur VW, sondern auch alte amerikanische Straßenkreuzer sind dabei. Den grünen Käfer verdankt er einem Zufallsfund eines Freundes. "Der hat den Käfer in einem kleinen Dorf an der französischen Grenze entdeckt und mitgebracht." Mit den nach außen gebogenen Felgen und den Außenspiegeln, die einem Kinderspielzeug gleichen, ein echter Klassiker. Die braune Lederjacke mit dem Lammfellkragen und die dunkle Fliegersonnenbrille verleihen Galiana die Aura vergangener Zeiten.

Der mattgrüne Käfer ist als historisches Fahrzeug registriert, das heißt, er muss nur alle fünf Jahre zum TÜV und darf bedenkenlos eine extra Portion Blei schlucken. "Damit die Reifen gleichmäßig belastet werden, bewege ich das Auto alle zwei Wochen in der Garage vor und zurück." Besonderer Service für besondere Fahrzeuge.

(aus MM 1/2014)