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Ein bisschen kann man sich das vorstellen wie in Bagdad, als der Diktator Saddam Hussein gestürzt wurde und eine aufgebrachte Menschenmenge sich an seinem Standbild zu schaffen machte. Sie legten Schlingen um den bronzenen Hals des ehemals so Mächtigen und zogen mithilfe von Fahrzeugen die Seile stramm. Dann brach das Standbild entzwei, der Torso wurde fortgerissen, übrig blieben auf dem Sockel die stilisierten Militärstiefel, aus denen zwei unschöne Eisenrohre ragten. Diese hatten bis dato unsichtbar für Halt und Stabilität gesorgt.

Auf der Plaza de la Reina in Palma, direkt unterhalb der Platanenallee des Borne, wo der Autoverkehr um ein rundes Wasserbecken kreist, ist 1868, vor nunmehr 145 Jahren, etwas ganz Ähnliches passiert. Damals befand sich dort, seit fünf Jahren erst, ein aufwendiges Marmordenkmal der damaligen spanischen Königin Isabella II. de Borbón (Spanisch: Isabel II), umgeben von vier allegorischen Figuren. Isabella II., die Ururgroßmutter des heutigen spanischen Königs Juan Carlos, war damals gewaltsam an das Ende ihrer Regierungszeit gebracht worden. Einer der Militärputsche, an denen Spaniens Geschichte so reich ist, hatte bewirkt, dass die Monarchin ins Exil nach Frankreich floh. Die Putschisten, ihres Zeichens damals Liberale, wollten das Land erneuern, eine neue Verfassung mit demokratischer Volkssouveränität ausarbeiten und Spanien formell einem neuen - parlamentarischen - König anvertrauen.

Allerdings endete das Vorhaben der Generäle Serrano und Prim letztlich in einem mehrjährigen Chaos: Auf der Suche nach einem neuen Monarchen fragten die Spanier zunächst bei einem Deutschen an. Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen war erst nicht abgeneigt, verzichtete dann aber doch auf das Ansinnen. Nichtsdestotrotz führte sein "Thronverzicht", nebenbei bemerkt, zum deutsch-französischen Krieg von 1870/71. Unterdessen ernannten die Spanier Ende 1870 den Italiener Amadeus von Savoyen zu ihrem neuen König. Doch dieser gab 1873 entnervt wieder auf (Spanien sei unregierbar - so sein Fazit), und es folgten die Jahre der ersten Republik in Spanien, bis auch diese bald wieder durch einen neuen, diesmal konservativen Militärputsch, Ende 1874 beseitigt wurde. "Die Jahre 1868-1874 gehören zweifellos zu den bewegtesten in der neuen Geschichte Spaniens", schrieb der deutschen Historiker Walther L. Bernecker.

Zurück nach Palma: Während der Militärputsch am 18. September in südspanischen Cádiz seinen Anfang genommen hatte und Isabella II. am 30. September außer Landes gegangen war, war auf Mallorca das Kriegsrecht verhängt worden. In Palma herrschte gespannte Ruhe. Sie wurde verschärft durch eine Nachrichtensperre, die der Militärgouverneur von Mallorca befohlen hatte. Die höchsten Würdenträger der Insel entstammten dem Adel und waren isabellinisch eingestellt. Erst nach und nach zeigte sich, dass die sogenannte "Glorreiche Revolution" in Spanien obsiegt hatte und somit auch auf der Insel der Machtwechsel nicht aufzuhalten sein würde.

Einer der besten Kenner der revolutionären Geschehnisse ist derzeit Bartomeu Bestard, offizieller Chronist der Stadt Palma. Wie Bestard jüngst in einem Artikel schrieb, gelangten die Nachrichten von der Exilierung Isabellas am 1. Oktober vom Festland nach Mallorca, an Bord des Postschiffes, das in Alcúdia anlegte und Zeitungen und Korrespondenz mitbrachte. Vergeblich hatte der Militärgouverneur seine Reiter der Postkutsche entgegenschickt, die die Nachrichten von Alcúdia nach Palma befördern sollte. Sie wurde in Santa Maria del Camí gestoppt und nach Palma eskortiert, doch am Ende ließen sich die Neuigkeiten nicht länger verheimlichen. Die Zeitungen wurden verteilt und in den Straßen rund ums Rathaus brach der Jubel über den vollzogenen Regierungswechsel in Madrid los.

Hinzu kam, dass der Stadtkommandant von Palma, Cándido Carretero, vom Balkon des Rathauses aus den neuen starken Mann, General Prim, hochleben ließ. "Viva Prim! Nieder mit den Bourbonen!" rief Carretero. Die Honoratioren der Stadt, den Bürgermeister und den Militärgouverneur, ließ Carretero gleichwohl durch seine Soldaten vor Angriffen aus der Menschenmenge schützen.

Dessen ungeachtet kam es zu revolutionären Umtrieben in der Stadt: Die Kutsche des Bürgermeisters wurde in Brand gesteckt und umhergeführt, die Büros des Finanzamtes am Hafen verwüstet.

Im Beisein einer großen Menschenmenge wurde zudem das Denkmal der Königin mit Hammerschlägen attackiert. Auf der einzigen historischen Aufnahme, die das Treiben festhielt, ist zu sehen, wie die Statue mithilfe von Seilen vom Sockel gerissen und zerschlagen wurde. Ein Adeliger rettete später aus den Trümmern den Kopf einer der Nebenfiguren. Er brachte ihn auf seinen Landsitz bei Sineu, wo das allegorische Haupt noch heute im Garten in Ehren gehalten wird.

Die Königinnen-Statue war kurioserweise ein Geschenk der Stadt Palma an die Monarchin gewesen, als diese 1860 ihren einzigen Besuch auf Mallorca absolvierte. Allerdings wurde das Monument erst 1863 vollendet. Parallel dazu war der Borne umgestaltet worden, der zentrale Flanierbereich hieß noch lang Zeit "Salon der Königin". Diese Bezeichnung und einige wenige Orte auf Mallorca erinnern noch heute an Isabella II., ihre Regierungszeit und deren Ende. Im Landgut Alfàbia ist das Schlafzimmer erhalten, in dem sie eine Nacht verbrachte. Auf dem Weg nach Sóller trägt ein Brunnen ihren Namen, vor der Höhle von Artà wurde eigens eine Zugangstreppe für ihren Besuch errichtet, der dann in letztem Moment abgesagt wurde.

Dass im Palma des revolutionären Fiebers nicht noch mehr zu Bruch ging, hatte für die zeitgenössischen Chronisten einen einfachen Grund: Kaum war die Statue am Boden zertrümmert, setzte ein solcher Sturzregen ein, dass alle Beteiligten es vorzogen, sich schleunigst nach Hause zu begeben.