Guernica sagt vielen etwas: eine Stadt im Baskenland, das berühmte Anti-Kriegs-Gemälde von Picasso, die Bombardierung des Ortes im Spanischen Bürgerkrieg durch Hitlers Legion Condor. Erst vor wenigen Wochen jährte sich der 75. Jahrestag des ersten Flächenbombardements der Geschichte aus der Luft. Bei dem Angriff am 26. April 1937, dem ersten Verstoß der deutschen Luftwaffe gegen das Kriegsvölkerrecht, kamen mehrere Hundert Menschen ums Leben.
Und Almería? Selbst unter deutschen Spanien-Freunden kennt kaum jemand den Namen dieser andalusischen Küstenstadt, im äußersten Südosten der Iberischen Halbinsel gelegen, auf halbem Wege zwischen Málaga und Murcia, mit fast zehnmal so viel Einwohnern wie Guernica.
Das Unheil näherte sich der Stadt am frühen Morgen des 31. Mai 1937. Das deutsche Panzerschiff "Admiral Scheer", begleitet von den Zerstörern "Albatros", "Leopard", "Seeadler" und "Luchs", schob sich unbemerkt an die Küste heran und begann um exakt 7.29 Uhr die Küstenbatterien, Hafenanlagen und Gebäude in erster Meereslinie zu beschießen.
Dass zu dem Zeitpunkt dichter Nebel herrschte, war für Kapitän Otto Ciliax und seine rund 1000 Mann Besatzung kein Hindernis, aus den sechs Kanonen der schweren Gefechtstürme Salven an 28-Zentimeter-Granaten auf die noch schlaftrunkene Stadt zu feuern. Die Zerstörungskraft der deutsche Präzisionswaffen war beachtlich: In wenigen Augenblicken wurden, so bilanziert es heute das Bürgerkriegsmuseum in Almería, 40 Menschen getötet, 150 verletzt, 200 Gebäude beschädigt.
Der Angriff auf Almería war von Hitler als Bestrafungsaktion befohlen worden. Offiziell hatte die "Admiral Scheer" Einheiten der republikanischen Flotte beschießen sollen. Doch deren Flaggschiff, die "Jaime I", war bereits am Vortag ausgelaufen.
Was hatte den deutschen Diktator so in Rage gebracht, dass er auf die Zivilbevölkerung in ihren Häusern schießen ließ? Die Ursache für Almería liegt in balearischen Gewässern: Wenige Tage zuvor war das Panzerschiff "Deutschland", das sich zunächst in Palma de Mallorca aufgehalten hatte, in der Hafeneinfahrt von Ibiza bombardiert worden.
Die "Deutschland" war ein Schwesterschiff der "Admiral Scheer". Die beiden Kreuzer waren nach Ausbruch des Bürgerkriegs Mitte Juli 1936 im Mittelmeer eingetroffen, um unter anderem deutsche Spanien-Flüchtlinge in Sicherheit zu bringen.
Gleichzeitig sollte die Flottille die politischen Interessen des Nazi-Diktators in dem entbrannten Bruderkrieg durchsetzen. Das bedeutete vor allem Unterstützung und Waffenhilfe für den spanischen General Franco, der sich nach anfänglichen Wirren zum Anführer des aufständischen Militärs gegen die republikanische Regierung aufgeschwungen hatte.
Bald schon einigten sich die europäischen Großmächte auf ein Nichteinmischungsabkommen in Spanien, das in Wirklichkeit nicht das Papier wert war, auf dem es in London festgehalten worden war. Die deutschen Schiffe sollten neben italienischen, britischen und französischen Einheiten dafür sorgen, dass an die kämpfenden Kontrahenten keine Waffen geliefert wurden.
Andererseits war den ausländischen Militärschiffen das Einlaufen in spanische Häfen untersagt. Entgegen dieser Abmachung hielt sich die "Deutschland" zunächst in Palma auf und lag dann am 29. Mai 1937 vor Ibiza auf Reede. Die beiden Balearen-Inseln befanden sich im Bürgerkrieg auf Seiten der Franquisten.
Im Vorhafen von Ibiza wurde das Kriegsschiff am Nachmittag von Flugzeugen der spanischen Republik gesichtet. Am Steuer dieser Maschinen saßen zum Teil russische Piloten, die von Stalin heimlich zur Hilfe nach Spanien entsandt worden. Offenbar wurden die Flugzeuge zuerst von der Luftabwehr der "Deutschland" beschossen. Daraufhin warfen sie Bomben ab, zwei von ihnen trafen die "Deutschland" unweit der Kommandobrücke. Dabei wurden 31 deutsche Seemänner getötet, 75 verletzt.
Hitler tobte, als ihm die Nachricht überbracht wurde. Er wollte der spanisschen Republik sofort den Krieg erklären. Seine Berater brachten ihn von dem Vorhaben ab, der Diktator entschied sich jedoch für eine exemplarische Repression. Als Opfer wurde die Stadt Almería ins Visier genommen.
Die Toten der "Deutschland" wurden zunächst in Gibraltar beigesetzt. Zehn Tage später befahl Hitler, sie auf den Marine-Friedhof nach Wilhelmshaven zu überführen. Dort wurde ihnen ein noch heute existierendens Grabmal errichtet, das den Namen "Ibiza" in Stein gemeißelt trägt.
In Almería war der Beschuss durch die "Admiral Scheer" lange ein Tabu. Erst im Jahre 2006 eröffnete die Stadt dort ein Bürgerkriegsmuseum, das auch an den Beschuss durch die deutsche Flotte erinnert. Auf der Internetpräsenz heißt es: "Almería wurde zu einem wahren Guernica. Allerdings ohne jede spätere historische oder politische Wiedergutmachung."
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