TW
1

Heute hier, morgen dort, hieß einmal ein bekannter Song, und vom ständigen Auf und Ab, dem permanenten Wechsel von Nachrichten an der Börsen- wie Griechenland-Front können inzwischen viele - besonders in den vergangenen Tagen und Wochen - ein Lied singen. Krise: "Ich kann das Wort nicht mehr hören", stöhnen nicht wenige, die zunehmend auch nicht mehr wissen, wie sie dem täglichen Wechselbad von Neuigkeiten und Emotionen noch begegnen sollen.

Wie viel Information muss sein - und wie viel Verdrängung hält gesund? Das fragen sich zunehmend auch Psychologen und Soziologen. So hat der Bielefelder Sozialwissenschaftler Wilhelm Heitmeyer, der in einer bislang einmaligen Langzeitstudie seit 2002 die Auswirkungen der Krise auf die Gesellschaft erforscht, Alarmierendes festgestellt: In einem Interview (spektrumdirekt) spricht er von einer drohenden "Erosion von Kernnormen" wie Solidarität, Gerechtigkeit und Fairness, die in einer Wirtschaftskrise ernsthaft unter Druck geraten. Wenn große Teile der Bevölkerung nicht mehr an die Verwirklichung solcher Grundwerte glaubten, sei das für das soziale Klima sehr gefährlich.

"Glauben tu' ich gar nichts mehr", bekennt auch Axel Lange, Versicherungsunternehmer (Mallorca/Berlin). Das Vertrauen in die Politik sei bei ihm komplett verschwunden, man sage dem Bürger und Steuerzahler einfach nicht die Wahrheit. Für seine emotionale Reaktion findet er deutliche Worte: "Was die Politik einem da gerade bietet - Montag so, Dienstag so -, das kotzt einen an." Vor allem empfinde er Wut: "Wegen der Hilflosigkeit, aber da ist auch Ärger und Überdruss."

Angesichts der ständig wechselnden Schlagzeilen und Entwicklungen, so auch Beatrice Ciccardini, Inhaberin des Restaurants "Krone" in Arenal, fühle sie sich "ziemlich ausgeliefert gegenüber dem, was da alles passiert". Auch wenn sie "nicht besonders viel" von Politik verstehe und bei ihrem Arbeitspensum meist nicht die Zeit habe, sich detailliert zu informieren: "Man macht sich schon Sorgen um die Zukunft, vor allem, wenn man Kinder hat. Viel unternehmen kann man eh nicht, und man denkt ja auch immer, es wird wieder besser - und wartet ab." Dennoch schwebe das Thema "wie ein Damoklesschwert" über einem.

Gerade die seelischen Anforderungen der Leistungsgesellschaft - verstärkt durch die andauernde Krise - sieht auch Psychologin Dr. Coletta Damm, die auf Mallorca viele Patienten mit Burn-out- und Suchtproblemen betreut, als große Herausforderung unserer Zeit: "Die erwartete Flexibilität beim Umgang mit Unsicherheiten stellt an jeden Menschen sehr hohe Ansprüche: Man soll beruflich stets leistungsfähig sein, kann sich aber nicht mehr auf eine einigermaßen geschützte Berufsumgebung verlassen." Früher sei es nicht ungewöhnlich gewesen, Jahrzehnte in einem Unternehmen zu arbeiten - "Quasi als zweites Zuhause" -, heute dürfe niemand mehr damit rechnen.

Hinzu käme, dass auch die Zahl der Scheidungen zugenommen habe, Beziehungen auseinandergingen, Familien sich immer wieder neu gestalteten. "Das alles heißt nicht, dass diese Bedingungen grundsätzlich krank machend sind", so Dr. Coletta Damm. "Aber sie erfordern ein hohes Maß an innerer Sicherheit und eine große Bereitschaft, mit Veränderungen positiv und konstruktiv umzugehen."

Dirk Jahrens, PR-Unternehmer und Künstler aus Esporles, scheint diese Herausforderung in Sachen Krise angenommen zu haben - weggucken gilt nicht, sagt er: "Ich bin nun mal ein Informationsjunkie. Und was soll das Meckern? Wir haben diese Politiker schließlich alle gewählt. Auf wen will man da mit Fingern zeigen?" Auf eine bestimmte Art fände er das Thema sogar lustig, im Sinne von lächerlich, bekennt er: "Dass dieser Finanzmarkt so nicht funktionieren würde, war doch schon seit Jahren klar.

Überrascht sein kann nun wirklich keiner." Gerade für die Balearen sähe er "als Europäer" auch die positiven Seiten der Krise: "Neues kann sich etablieren. Und Altes, das schon immer in der legalen Grauzone unterwegs war, stirbt aus, weil nun jeder sensibilisiert ist und genauer hingesehen wird."

Patrick Lohfink, Leiter des Telecom Shop Spain S.L. in Palma, nimmt die Krise ernst - "Kommt die große Geldentwertung oder nicht?" -, findet aber auch: "Viele von uns jammern auf hohem Niveau." Gerade auf Mallorca habe man den Vorteil, "dass hier viele gut situierte Menschen leben und Urlaub machen". Er schaue nun eben etwas genauer hin, "wo wir essen gehen, was wir ausgeben und ob das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt".

Am wichtigsten seien für ihn, gerade jetzt, Familie und Freunde: "Vor allem die ehrlichen Freunde, die man hat." Mit Ehrlichkeit, findet der gebürtige Stuttgarter, der seit 13 Jahren auf Mallorca lebt, sollte man der Krise überhaupt begegnen, im Privaten wie Geschäftlichen: "Das gilt auch für Gesellschaft und Politik. Ehrlichkeit tut vielleicht kurz weh, aber auf lange Sicht ist es der richtige Weg." Meckern helfe am wenigsten: "Sich lieber überlegen, ob es neue Wege und Ideen fürs Business gibt und vorangehen."

In dem Zusammenhang gefällt Renate Pentzien, Autorin und Moderatorin, die seit 1995 auf Mallorca lebt, ein Trinkspruch der Spanier gut: "Salud, amor y pesetas". Besonders die Reihenfolge, sagt sie: "Ohne Gesundheit, unser höchstes Gut, ist ein glückliches Leben kaum möglich. Und arm ist, wer die Liebe nicht kennt noch lebt." Auch wenn sich das Geld nicht mehr so leicht verdienen lasse: "Not macht erfinderisch, und Erfindungsreichtum braucht diese Zeit."

Die aktuelle Nachrichtenlage sei ein "Nährboden für Schwarzseher", die andere an den imaginären Abgrund führen wollten, was sie, gerade im historischen Vergleich, für unangemessen hält: "Unsere Eltern hatten mit Krieg, Hunger und Not zu kämpfen - wir haben ,nur' eine Finanzkrise, an deren Lösung Ökonomen und Politiker arbeiten." Rückblickend, glaubt sie, werden Historiker die letzten drei Jahre, wenn überhaupt, nur mit wenigen Worten erwähnen: "Darum sollten wir positiv und ambitioniert nach vorn blicken."