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Mallorca will uns nicht mehr! Diese Schlagzeile war in den vergangenen Wochen in so manch einer Zeitung in Deutschland zu lesen, sie sorgt für Auflage und Klicks. Ihr liegt aber eine Fehlinterpretation zugrunde. Bei den jüngst in Palma (genau wie in anderen Städten Spaniens) abgehaltenen Protestzügen handelte es sich genauso wenig um „Anti-Tourismus-Demos” wie bei der Strandbesetzung im Caló des Moro. Vielmehr waren diese Proteste Ausdruck eines wachsenden Unmuts in der Bevölkerung über das Gefühl des Verdrängtwerdens und der Überfüllung sowie die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt. 
Symptome einer Großstadt zwischen Ausverkauf und Gentrifizierung. Randnotiz: Solche Demonstrationen gibt es in Berlin seit Jahren und die meisten haben Verständnis dafür. Genau dieses Verständnis sollten wir auch den Mallorquinern, von denen die überwiegende Mehrheit ganz genau weiß, wie wichtig der Tourismus für die Insel ist, gegenüber aufbringen. Das sind wir Ausländer, die hier leben oder einen Teil des Jahres (zumindest aber unseren Urlaub) hier verbringen, ihnen schuldig.

Argumente wie „wir bringen doch das Geld hierher”, oder „die Mallorquiner verkaufen ja auch alles” sind unangebracht. Wir sind hier als Urlauber Gäste und als Residenten Teil eines Systems mit Stärken und Schwächen – aber sicherlich keine Kolonialherren.

Umgekehrt müssen die Einheimischen aber auch aufpassen, bei all ihrer Kritik nicht den Fokus zu verlieren. Die Wohnungsnot auf Mallorca zum Beispiel ist hausgemacht, weil beim Bau von sozialem Wohnraum jahrelang geschlafen wurde. Hier muss sich die Kritik vor allem gegen die Politik auf der Insel richten.

In einer Zeit wie dieser, in der die Jeder-gegen-Jeden-Mentalität immer stärker ausgeprägt ist, in der es auch in der Politik nur noch „wir” und „die” gibt, sollten Deutsche und Mallorquiner umso mehr Verständnis für die Anliegen der jeweils anderen aufbringen. An vielen Problemen auf der Insel ist nicht die eine oder die andere Seite schuld. Und sie existieren, wie der Bericht auf Seite 6 zeigt, auch an vielen anderen Orten auf der Welt.