Man ist so alt wie eine Kuh und lernt immer noch dazu. Diese, wenn auch etwas grobe, Weisheit hat tatsächlich ihre Berechtigung. Als Paar-Therapeutin kenne ich mich mit den verschiedensten Formen zwischenmenschlicher Beziehungen aus: Die heimliche Schwärmerei, die sich genau durch diese Unerfüllbarkeit nährt, die Affäre, bei der einer oder beide Partner bereits anderweitig gebunden sind und es auch bleiben werden, die rein sexuelle Beziehung, die eher durch Leidenschaft und Unbeschwertheit, denn durch Überlegungen hinsichtlich eines weiteren gemeinsamen Lebens geprägt ist, die beginnende Liebesbeziehung, in der genau diese Fragen mit der Zeit von selbst auftauchen und im besten Fall zum Wohle beider Partner beantwortet werden, dann natürlich Freundschaft Plus oder auch Freundschaft mit Extras, die eben alles mit sich bringt, was Freunde füreinander tun plus sexuelle Aktivitäten, ganz ohne Erwartungen auf eine festere Bindung, um nur einige, eher altmodische Möglichkeiten zu nennen. Die verschiedenen Beziehungsgeflechte der Polyamorie, die sicher auch ihre Berechtigung haben, seien hier aus Platzgründen einmal nicht erwähnt.
Aber jetzt habe ich doch tatsächlich noch eine Form bzw. Bezeichnung kennengelernt, die mir bisher gänzlich unbekannt war: "Jemanden haben." Diese Art von Beziehung entdeckte ich bisher nur im Spanischen. Da ist der Beziehungsstatus eher die bejahende Antwort auf die Frage: "Do you have anyone?", was so viel heißt wie "Hast Du jemanden?" Bei den verschiedenen Stufen der Anbahnung wurde mir erklärt, dass es sich dabei quasi um eine Vorstufe handeln kann zur "richtigen" Beziehung, es kann aber ebenso in ein unverbindliches "Freundschaft Plus" oder ähnliches übergehen. Also alles offen. Das kann man mögen, muss man aber nicht. Wichtig ist dabei eigentlich nur, dass beide Beteiligten dasselbe wollen. Nun würde ich sagen, dass "Yes, I have someone", "Ja, ich habe jemanden" sicher eine probate Bezeichnung für die erste Zeit des Kennenlernens, Ausprobierens und Aufeinandereinlassens sein kann, wobei ich gestehen muss, dass ich in meiner langjährigen Erfahrung mit den verschiedensten Arten von Beziehungen diese Variante eben noch nicht kannte. Bisher war es mir immer nur so bekannt, dass man sich kennenlernte, verliebte (oder auch nicht) und das der Beginn einer (mehr oder weniger glücklichen) Beziehung war (oder auch nicht). Sei ist Trommel. Hoffen wir, dass es sowohl der jungen Dame, als auch dem jungen Herrn mit dieser Bezeichnung gut geht und, dass daraus wird, was daraus werden soll.
Wie wichtig es ist, sich darüber im Klaren zu sein, was man sich wünscht in einer Beziehung oder in welche Richtung es gehen soll, liegt eigentlich auf der Hand. Und damit will ich nicht sagen, dass wir nicht jederzeit auch unseren gedanklichen Kurs oder das Ziel verändern können. Es kommt aber leider immer wieder vor, dass sowohl Männer wie auch Frauen aus Angst vor Einsamkeit lieber das nehmen, was sie kriegen können und dabei ihre eigenen Wünsche und Träume außer Acht lassen. Da wird dann gerne mal aus dem Urlaubsflirt eine langjährige Freundschaft plus, die aber nur einen so richtig glücklich macht. Oder der Vorwand, "Ich liebe Dich, will mit dir leben, aber ich muss den richtigen Zeitpunkt abwarten, bis ich es meinem Mann sage" wird zur betonharten Realität, die sich nicht mehr ändern wird, zumindest nicht in diesem Leben. Darüber slapstickten schon die spätere rosinenschneckenbezopfte Prinzessin Leia (Carry Fisher) in ihrer weniger bekannten Rolle als beste Freundin von Everybodysdarling Meg Ryan in der Komödie "Harry und Sally". Carry: "Er wird sie nie verlassen!" Meg: "Natürlich nicht." Carry: "Du hast recht, du hast recht, ich weiß, dass du recht hast!" Leider ist der Film an dieser Stelle sehr realistisch dargestellt, wenn er zeigt, dass ein verliebter Mensch häufig eher bereit ist, sich selbst aufzugeben, als die Hoffnung darauf, dass es doch noch ein Happy End gibt.
Und als wäre das nicht schon schlimm genug, sorgt man oder frau auf diese Weise sehr erfolgreich dafür, dass eine Begegnung mit einem Menschen, der auch eine Liebesbeziehung möchte, der bereits getrennt lebt, der sich seiner Wünsche nach echter Bindung bewusst ist, verhindert wird. Wie entkommt man nun diesen Verstrickungen? Um es zunächst noch einmal ganz deutlich zu sagen: Alle Variationen von Partnerschaft oder Beziehung, die beide Partner glücklich und zufrieden machen, sind absolut in Ordnung. Schwierig wird es, wenn eben ein Partner dauerhaft unter der Form oder den Inhalten der Zweisamkeit leidet.
Sollten Sie sich an irgendeiner Stelle dieses Textes wiedererkennen, so kann ich Ihnen nur empfehlen, genau hinzuschauen, hinzufühlen, ob Sie einfach ein verständnisvoller Mensch sind, der aus Liebe einfach zurücksteckt, wenn es notwendig ist oder dessen ständiges Entgegenkommen schon toxisch geworden ist und im Grunde niemandem mehr wirklich gut tut. Werden Sie sich Ihrer Vorstellungen von Beziehung bewusst, trauen Sie sich ernsthaft darüber nachzudenken, was genau Sie suchen! Und sollten Sie feststellen, dass Ihr Traum von Partnerschaft und die Realität nicht zusammenpassen, sollten Sie handeln. Natürlich ist es ratsam, zunächst mit dem Partner über dieses Thema zu reden. Manchmal (ja, es gibt solche Fälle) reicht das aus, um die Beziehung auf andere Füße zu stellen, weil der Andere möglicherweise auch nicht wirklich zufrieden war mit der Unverbindlichkeit (um nur ein Beispiel zu nennen).
Sollte miteinander reden nichts bringen, hilft es vielleicht, dass Sie den Mut aufbringen, eine Paarberatung in Anspruch zu nehmen. In einem moderierten Gespräch mit einem Dritten wird sich häufig schnell herauskristallisieren, ob Sie beide noch ein gemeinsames Ziel haben oder nicht. Und wenn es nur ist, sich friedlich und ohne Rosenkrieg zu trennen. Und manchmal, wie in dem bereits genannten Film Harry und Sally, braucht es einfach ein paar Anläufe und es kommt doch noch zum Happy End, wenn Harry Sally gesteht: "Wenn man begriffen hat, dass man den Rest des Lebens zusammen verbringen will, dann will man, dass der Rest des Lebens so schnell wie möglich beginnt!" In diesem Sinne.
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