Dass Filmkomponisten ihr kompositorisches Handwerk meist besser beherrschen als viele sogenannte Avantgardisten, hat sich längst herumgesprochen. Die späten „Three Film Scores“ (1995) des ein Jahr später verstorbenen Toru Takemitsu beweisen das auf eindrückliche Weise: was für eine reiche Farbenpalette er aus einer reinen Streicherbesetzung herauszuholen verstand, war zudem beim Dirigenten des Abend, selbst Geiger, in besten Händen. Und zeigte, dass man auch im 20.Jahrhundert „hörbare“ Musik schreiben konnte (im Gegensatz zu so manchen avantgardistischen Experimenten). Vielleicht ist Filmmusik die moderne Klassik schlechthin, Musik, die die Leute hören wollen.
Beethovens Tripelkonzert für Violine, Cello, Klavier und Orchester gilt vielen als das Cellokonzert, das Beethoven nie schrieb. Es ist in der Tat ein Konzert für Streicher mit obligatem Klavier. So sieht es auch Joji Hattori, wie er mir im Interview verriet. Die Dominanz der Streicher im Solistentrio verführt viele Cellisten dazu, übermäßig aufzutrumpfen. Alexey Stadler unterlag dieser Versuchung nicht: überaus klangschön, mit nicht allzuviel Bogen, war er vielleicht primus inter pares, vermied es aber, sich in den Vordergrund zu spielen. Das gilt auch für seinen Partner an der Violine, Joji Hattori. Dem Klavier hat Beethoven nicht viel Wesentliches anvertraut, es führt selten das melodische Geschehen an und begnügt sich meist damit, seine beiden Partner umspielend zu begleiten. Barbara Moser nahm sich dieser etwas undankbaren Rolle – auf einem sehr warm intonierten Flügel – mit nobler Zurückhaltung an, vielleicht etwas zu nobel, was ein wenig schade ist. Sie ist eine großartige Pianistin, die mehr kann als zwei Streicher in dienender Funktion zu begleiten, wie man beispielsweise in ihrem Soloalbum „Belcanto pianistico“ hören kann. Die Frage „War ich zu laut?“, wie sie sich der legendäre Liedbegleiter Gerald Moore im Titel seiner Autobiografie gestellt hat, kann sie mit einem klaren Nein beantworten. Klavieraffine Zuhörer hätten sich indes ein bisschen mehr gewünscht.
Nach der Pause schlug dann mit der Ersten von Brahms die Stunde des Orchesters, das schon im Tripelkonzert markante Akzente gesetzt hatte. Von den ersten Takten an erwies sich Hattori als idealer Brahmsinterpret. Das fast bedrohliche Paukenostinato riss das Publikum in den Strudel des dramatischen musikalischen Geschehens hinein; das war, obwohl durchaus mit diversen Referenzen an Beethoven, originärer Brahms. Eben nicht die „Zehnte“, als die sie noch Hans von Bülow in Anspielung auf Beethovens neun Sinfonien gesehen hatte, sondern – die Erste. Der Kopfsatz – ein Drama für Orchester – hatte in Hattoris Interpretation suggestive Power. Im folgenden Andante sostenuto dann ein stimmungsmäßiger Kontrast. Sehr schön die Violinsoli am Schluss, von Konzertmeister Smerald Saphiu tonschön gespielt. Der dritte Satz, Un poco Allegretto e grazioso, schlug den Ton der beiden Serenaden, Brahms‘ frühe Studien zur großen Form der Sinfonien, an.
Höhepunkt und mit 18 Minuten der längste Satz ist das Finale. Das Alphornmotiv, von Brahms der Natur der Alpen abgelauscht (siehe Werkeinführung), stellt immer eine Bewährungsprobe für die Hörner dar und wurde gestern Abend makellos gemeistert. Und nach der furiosen Coda gab’s dann im Publikum kein Halten mehr: begeisterte Bravorufe und stürmischer Applaus dankten Orchester, Solisten und, last but not least, dem brillanten Dirigenten. – Das Konzert wird heute Abend im Auditorium in Manacor wiederholt. Für Kurzentschlossene: hier gibt’s noch Karten zum Preis von 18€.
Am kommenden Donnerstag findet das Auftaktkonzert des Zyklus im Auditorium statt, wieder mit einem Großaufgebot an Mitwirkenden. Pablo Mielgo wird Carl Orffs Carmina Burana dirigiren.
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