Gruppenbild mit Dame: Els Valldemossa 1973 vor dem Club „Jack el Negro” in Palmas Stadtviertel Es Jonquet. | R.C.

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Als das Mallorca Magazin 1971 aus der Taufe gehoben wurde, befand sich die Insel mitten im kulturellen Aufbruch. Künstler wie Joan Miró waren die Vorboten der zeitgenössischen Kunst, die unter Franco als politisch suspekt galt. Auch in der Musik tat sich viel. Die Berliner Philharmo-niker weihten das Audi-torium in Palma ein, Unterhaltungsmusiker von Chanson bis Rock weckten Mallorca aus dem Dornröschenschlaf.

Nancy steht Tag und Nacht auf der Straße, genauer im S’Hort del Rei, dem kleinen Park unterhalb des Almudaina-Palastes in Palma. Was immer Sie jetzt gedacht haben: Nancy ist eine Skulptur von Alexander Calder (1898-1976), einem der Hauptvertreter der kinetischen Plastik.

Nancy gibt es fast genauso lang wie das Mallorca Magazin. 1972 präsentierte Calder sie auf der Insel bei seiner ersten Ausstellung in Spanien. Ein Jahr später schenkte der US-amerikanische Künstler die Mobile-Figur aus Metall der Stadt Palma.

Zu verdanken ist die Schenkung zwei Personen. Vor allem Joan Miró, der sich 1956 auf Mallorca niedergelassen hatte und mit Calder befreundet war. Kurios: Seine Skulptur „Monument a la dona“, die an der Plaça Reina nur unweit von „Nancy“ steht, ist ebenfalls 1972 entstanden.

Die andere Person ist der Galerist Pep Pinya, der 1969 in Palmas Altstadt die Sala Pelaires gegründet hatte. Nicht, dass Mallorca bis dato eine Kunstwüste gewesen wäre. Schon immer hatte die Insel Maler hervorgebracht oder sie angezogen. Doch die Sala Pelaires war die erste Galerie auf Mallorca, die sich ausschließlich der zeitgenössischen Kunst widmete. Den Machthabern des franquistischen Spaniens seien die neuen Ausdrucksformen der Kunst politisch suspekt gewesen, erzählt Pinya. Wer sie wie er zu Markte trug, wurde misstrauisch beäugt.

Anfangs war seine Galerie ein Hobby, seinen Lebensunterhalt bestritt er mit dem Verkauf von Mode. Doch wenige Wochen nach der Eröffnung trat Joan Miró in die Tür, auf der Suche nach einer Galerie in Palma. Mit einem Mal vertrat Pinya neben Miró auch Picasso und Tàpies. Auf Mallorca habe zu dieser Zeit kaum ein Hahn nach diesen Kunstikonen gekräht, erinnert sich Pinya.

Die erste Ausstellung in Spanien hatte Alexander Calder (2. v. r.) 1972 in der Sala Pelaires in Palma. Mit Joan Miró und Galerist Pep Pinya gab er ein Interview. Foto: Pelaires

Der breiten Öffentlichkeit entging deshalb auch Mirós erste Ausstellung in der Sala Pelaires. Kaum jemand bekam mit, dass bedeutende Kulturgrößen wie die Direktoren des Guggenheim-Museums und des Museum of Modern Art in New York oder der Tänzer Maurice Béjart bei der Vernissage anwesend waren. Tatsächlich drängte die neue Zeit jedoch bereits mit Macht auf die Insel, die langsam aus dem kulturellen Dornröschenschlaf erwachte, während die Diktatur des greisen Franco sich dem Ende zuneigte.

PALMA. ARTE. JOAN MIRO, PINTOR CATALAN.
Selbst am Strand war Joan Miró kreativ und zeichnete in den Sand (1970). Foto: DBalears
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Musikalisch war der „Wind of Change“ schon etwas früher aufgekommen. Vorreiter waren die „Salas de fiesta“, in denen während der 60er und 70er Jahre Einheimischen wie Touristen Live-Musik geboten wurde. Diese Festsäle trugen Namen wie Tagomago, das von der Musikgruppe Els Valldemossa betrieben wurde, Jack el Negro, Sgt. Pepper‘s, Zhivago und gehören längst der Vergangenheit an. Andere wie das Tito‘s, das 1923 gegründet wurde, florierten bis vor kurzem noch als Diskothek.

In diesen Clubs traten internationale Stars wie Ray Charles, Louis Armstrong und Tom Jones auf, ebenso Marlene Dietrich, Frank Sinatra und Gilbert Bécaud sowie Wilson Pickett, José Feliciano und Los Bravos, jene Band mit dem Sänger Michael Kogel alias Mike Kennedy, die auf Mallorca gegründet wurde und 1966 mit dem Hit „Black Is Black“ einen Millionenseller landete.

Auch anderen Orts rockten bekannte Bands die Insel. In der Stierkampfarena in Palma traten 1966 die Kinks auf, im selben Jahr standen die Animals bei einem Megafest auf dem Paseo Marítimo auf der Bühne. Deren Manager, Mike Jeffrey, verliebte sich in die Insel, erwarb drei Clubs. In einem, dem Sgt. Pepper‘s, ließ er 1968 einen weiteren seiner Top-Musiker auftreten: Jimi Hendrix. Zeitzeugen berichten, dass das einheimische Publikum, das noch nie etwas von der Gitarrenikone gehört hatte, von dem Auftritt perplex und entsetzt gewesen sei. Zuerst habe der Gitarrengott noch seine technischen Fähigkeiten zur Schau gestellt, dann aber nur noch elektronischen Lärm erzeugt, der die Wände zum Beben gebracht habe.

PALMA. MUSICA. EL GUITARRISTA JIMI HENDRIX DE VISITA EN PALMA.
Selbst am Strand war Joan Miró kreativ und zeichnete in den Sand (1970). Foto: DBalears

Ein Jahr später und wesentlich harmonischer zog auch die Hochkultur nach. 1969 eröffneten Marc Ferragut und sein Sohn Rafael im Beisein des Prinzen- und späteren Königspaares Juan Carlos und Sofía das Auditorium in Palma. Inspiriert von der Royal Festival Hall in London hatten sie am Paseo Marítimo ein modernes Konzert- und Kongressgebäude errichtet – ohne Unterstützung der Banken und der öffentlichen Hand.

In Palma hatte es einst drei Theater gegeben: das 1857 erbaute Teatro Principal und die Anfang des 20. Jahrhunderts in Betrieb genommenen Teatro Lírico und Teatro Balear. Von diesen drei Bühnen hatte sich lediglich das Teatro Principal behaupten können, unter anderem auch als Spielstätte des Orquesta Sinfónica de Mallorca, einem Ensemble, das finanziell auf wackligen Beinen stand. Die anderen beiden Theater waren nach dem Kino-Boom der 1920er Jahre in Filmpaläste umgewandelt worden. Blieb der Círculo Mallorquín in der Calle Conquistador, wo sich heute das Parlament der Balearen befindet, der jedes Frühjahr den ein oder anderen Klavierabend veranstaltete.

Das Auditorium wurde nach modernen Kriterien gebaut. Für den großen Saal bedeutete das perfekte Sicht und Akustik. Kein geringeres Orchester als die Berliner Philharmoniker unter Herbert von Karajan eröffneten das Haus. Bevor der Maestro den Taktstock hob, klatschte er in die Hände, um die Akustik zu prüfen – und sie für gut zu befinden.

Marc Ferragut hatte geglaubt, dass der Mensch von Natur aus kulturell interessiert sei. Doch die Wirklichkeit sah anders aus. Das Publikum strömte zwar zu Karajan und den Berliner Philharmonikern. Es erschien auch zahlreich, als danach die Wiener Philharmoniker unter Karl Böhm und 1972 das Kirow-Ballett – als erstes sowjetisches Ballett in Spanien – in Palma gastierten. „Aber wir veranstalteten viele Konzerte mit nur zehn Zuhörern im Saal“, erinnert sich Rafael Ferragut an die schwierigen Anfangszeiten.

Dessen ungeachtet hatte der kulturelle Aufbruch Mallorcas unaufhaltsam begonnen – zeitgleich mit der Entwicklung des Massentourismus und zeitgleich mit der Gründung des Mallorca Magazins, das das kulturelle Geschehen auf der Insel bis heute journalistisch begleitet.