In Anwesenheit zahlreicher deutscher Unternehmensführer und Politiker ist auf Mallorca am Donnerstagabend das dreitägige Wirtschaftsforum “Neu denken” im Schlosshotel Castell Son Claret eröffnet worden. Die balearische Finanzministerin Rosario Sánchez, die vor rund 150 Gästen und Teilnehmern die Auftaktrede hielt, nannte die Tagung ein Forum des Ideenaustausches mit dem Ziel, ein besseres Europa zu schaffen. “Die europäische Solidarität und Einigkeit ist die notwendige Grundlage, um die gegenwärtigen Herausforderungen durch Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg und Klimawandel gemeinsam bewältigen zu können”, sagte die Ministerin. Lösungen zur Verteidigung gemeinsamer Werte wie Freiheit, Gleichheit und Demokratie seien nicht alleine durch innovative Ideen, sondern durch gemeinsames Agieren zu erlangen.
Die TV-Moderatorin Sabine Christiansen, die das Forum bis Samstag moderieren wird, mahnte in ihrer Begrüßungsrede getreu dem Leitmotiv der Tagung nicht nur “Neues Denken”, sondern auch “Neues Handeln” sowie insbesondere das “Erlernen von neuem Handeln” an. Die mittlerweile fünfte Ausgabe des Forums habe bereits in einzelnen Bereichen vom neuen Denken zum neuen Handeln geführt, insbesondere unter dem Druck der diversen Krisen. “Man merkt von Konferenz zu Konferenz, wie die Vorschläge konkreter werden”, so Christiansen. Beispiel Digitalisierung: Früher sei darüber geklagt worden, dass man in Europa noch nicht weit genug sei. Jetzt hingegen werden konkrete Vorschläge präsentiert, die dann in kleineren Nachfolgeveranstaltungen mit Fachleuten, Unternehmern und Banken weiterentwickelt werden.
Veranstalter des Forums, das am Donnerstagabend mit einem Networking-Get-together samt Grillfest im Garten des Fünf-Sterne-Hotels startete, ist die Plattes Group, wie die Steuer- und Rechtsberatungskanzlei des Unternehmers Willi Plattes heißt (früher: European Accounting). Gastgeber am Ausrichtungsort unweit von Es Capdellà bei Calvià ist der Hamburger Speditionsunternehmer, Milliardär und Kunstmäzen Klaus-Michael Kühne. Der Vorteil des Forums sei, dass, anders als etwa in einer Messehalle in Deutschland, hier im exklusiven, mediterranen Ambiente Mallorcas freier miteinander gesprochen werden könne, sagte Christiansen. “Das ist eine Konferenz, in der sich sehr offen ausgetauscht wird, und der große Vorteil ist, dass man am Rande sehr viel sich verbindet, um daraus wieder etwas hervorzubringen.”
„Dieses Forum ist so beeindruckend von der Zusammensetzung und von der Relevanz seiner Themen, dass ich extra dafür gekommen bin”, sagte der Bundestagsabgeordnete und FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff. Europa sei durch einen Angriffskrieg, beziehungsweise durch einen traditionellen Landkrieg mit ganz vielen Opfern und fürchterlichen Kriegsverbrechen, in schlechte, alte Zeiten zurückkatapultiert worden. “Wir dürfen nicht vergessen, dass im Osten unseres Kontinents gerade gestorben und gelitten wird, und wir alles dafür tun müssen, damit das so schnell wie möglich wieder aufhört”, sagte Lambsdorff.
Seine Hoffnungen auf neue Impulse durch das Forum brachte der Sport- und Eventmanager Michael Mronz zum Ausdruck. “Welche Lösungen gibt es zum Thema Energie in der Zukunft, und was kann man selbst dazu beitragen, um die Entwicklung zu unterstützen?”, sagte Mronz. Chancen für sinnvolle Innovationen sieht er auf dem Gebiet der Digitalisierung, wo derzeit diverse Start-ups insbesondere im Kommunikationsbereich aktiv seien.
Der Optik-Unternehmer und Vorstandsmitglied der Vereinigung “The German Mittelstand”, Helmut Baur, verglich die Tagung mit dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Selbst wenn Capdellà nicht an das große Vorbild heran reiche, sei es doch ein “Meetingplace”, wo man von maßgebenden Personen einen aktuellen Einblick erhalte, “wo und wie Deutschland dasteht, und wie man versuchen will, die wirklichen Problemen unserer Zeit zu lösen”.
Lutz Minkner, Immobilienunternehmer auf Mallorca, sagte, die Pandemie und der Ukraine-Krieg haben sehr viel Unruhe in der Welt geschaffen. “Wir müssen darum sehen, wie wir die Zukunft neu gestalten.” Dies betreffe nicht nur den Umweltschutz und die Klimapolitik, sondern die gesamte Wirtschaftspolitik. Wichtig sei, gerade der nachrückenden Generation eine Zukunft zu geben, die lebenswert sei.
Lisa Ferrari, Vizepräsidentin des Charterunternehmens für Privatflugzeuge MHS Aviation, zeigte sich gespannt auf die anstehenden Vorträge und Gespräche am Freitag und Samstag. “Gerade in unserer Branche leben wir besonders von Diskretion.” Von daher sei ein geschlossener, begrenzter Rahmen des Forums, wo Menschen aus ganz vielen verschiedenen Wirtschaftsbereichen zusammenkommen, hervorragend geeignet, um deren Ideen, Ansichten und Prognosen kennenzulernen. “Alles, was auf der Welt passiert, in der Nachbarschaft zu Deutschland, aber auch anderswo, hat eine riesige Auswirkung auf unsere Branche.”
Der Gründer des Forums, Willi Plattes, rückte im Gespräch mit MM den Mallorca-Aspekt in den Fokus. “Wichtig ist, dass wir nicht nur gemeinsam neu denken, sondern auch neu handeln lernen - mit und für die Insel”. Er wolle die Abhängigkeit Mallorcas vom Tourismus und von der Bauwirtschaft verringern helfen, “indem wir versuchen, die Insel mit neuen Technologien zu bereichern, und auf diese Weise ein ,Silicon Island’ schaffen, also neue wirtschaftliche Zweige aufbauen, die Zukunft haben.”
Das Programm des Forums "Neu denken" für Freitag, 10. Juni, und Samstag, 11. Juni, sieht namhafte Vortragende aus Politik, Wirtschaft und Medien vor. So hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner seine (Online-) Teilnahme zugesagt. Als weitere Referenten erwartet werden der NTV-Wirtschaftschef Ulrich Reitz, Prof. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, sowie Christian Klein, Vorstandssprecher des Technologiekonzerns SAP.
Auch der ehemalige Raumfahrer Thomas Reiter und der Kremlkritiker Michail Chodorkowski, der online zugeschaltet wird, treten als Redner auf. Im Zentrum der Veranstaltung stehen neben der Energiekrise und dem Ukraine-Krieg der digitale Wandel. Weitere Themen sind der Wohlstandsverlust sowie das „Weltall als Milliardenmarkt”.
Kein Kommentar
Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie sich registrieren lassenund eingeloggt sein.
Noch kein Kommentar vorhanden.