Ein Eurowings-Flieger auf dem Vorfeld. | Philipp Schulte

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Der nachtschwarze Handgepäckkoffer, 55 mal 40 mal 23 Zentimeter, wartet seit vier Tagen darauf, dass sein Besitzer ihn abholt. Er ist mit einem Flugzeug aus München nach Palma gekommen. Nun steht er – statt vielleicht in einer vom Meereswind durchlüfteten Ferienwohnung – in einer Ecke eines Büros in der Abflughalle von Palmas Flughafen Son Sant Joan. Ob ihn heute noch jemand mitnimmt?

Hans Breuer vermutet, dass das der Fall sein wird. Er ist Leiter des Verkaufsschalters der deutschen Fluggesellschaft Eurowings am PMI, wie der Flughafen abgekürzt heißt. Das Unternehmen aus Düsseldorf hat als einzige deutsche Fluglinie eine Basis auf Mallorca.

Hans Breuer leitet den Verkaufsschalter von Eurowings am Flughafen Palma und gibt vergessene Koffer zurück.

Das heißt, dass ihre Flugzeuge nicht nur rein und rausfliegen, sondern auch auf der Insel übernachten. Sieben Maschinen sind hier stationiert. Neben Eurowings haben auch Ryanair, Easyjet, Iberia Express, Air Europa, Air Nostrum sowie Vueling auf der Insel ein Zuhause. 73 Fluggesellschaften insgesamt fliegen Palma an.

Mallorca ist für Eurowings eine wichtige Destination. 9000 Passagiere am Tag kommen derzeit mit der Fluglinie an oder fliegen ab. Im August sollen es noch einmal 3000 mehr werden. Je Woche werden es derzeit mehr Flüge. Von 24 europäischen Flughäfen, darunter zahlreiche deutsche, fliegt Eurowings auf die Mittelmeerinsel.

Klar, dass da auch mal ein Koffer nicht ankommt, weil er etwa vom Band oder Wagen gekippt ist. Der Schnitt liegt bei einem von Tausend. Bei Eurowings seien es täglich etwa drei, sagt Hans Breuer. Mit dieser Quote ist er zufrieden. Er sagt: „Ein Koffer hat seinen eigenen Weg.” Breuer ist mal von Palma nach Deutschland gereist, sein Koffer flog nach Sevilla. Und das, obwohl es an dem Tag keinen Flug dorthin gegeben habe, wie er sagt. „Das Gute ist, dass Gepäckstücke immer wieder auftauchen.”

Der nachtschwarze Handgepäckkoffer, vor dem Breuer gerade steht, ist richtig angekommen. Doch der Besitzer hat vergessen ihn vom Band zu holen. Er konnte ihn nicht mit in die Maschine nehmen. Vielleicht war auch das ein Grund: Aus den Augen aus dem Sinn also, wie man eher in Bezug auf endende Freundschaften sagt.

In normalen Jahren landen am Flughafen Son Sant Joan Millionen Deutsche. 2019 waren es knapp fünf Millionen „Teutones”, wie Spanier Deutsche nennen. Diese Zahl ist spitze, sie liegt weit vor Spaniern und Briten, die ebenfalls in Scharen nach Mallorca kommen. In diesem Jahr ist das Passagier-Aufkommen im Vergleich zu 2019 noch gering: 73 Prozent weniger, das ist der Vergleich von Mai vor zwei Jahren zu 2021. Seit einigen Tagen sind immerhin alle Terminals geöffnet, täglich gibt es im Schnitt 600 Ankünfte und Abflüge.

Im Kundenbüro von Eurowings in der Abflughalle steht neben dem nicht abgeholten Handgepäckkoffer eine Pappkiste mit an Bord vergessenen Dingen. Eine Jeansjacke liegt da genauso drin wie eine Trinkflasche. Im Vergleich zu Kameras, Laptops, Kopfhörern sind das eher günstige Utensilien.

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Vergessen ist das eine, manchmal können Fluggäste nichts dafür, wenn sie etwas verlieren. Oft kommt es vor, dass jemand einen fremden Koffer vom Band nimmt – weil er denkt, es sei seiner. Breuer empfiehlt, Gepäck mit einem buntem Band zu versehen.

Eurowings ist eine hundertprozentige Tochter von Lufthansa und wurde 1993 gegründet. Mit 139 Flugzeugen steuert die Fluglinie nach eigenen Angaben 210 Ziele in 60 Ländern an. Sie hat 9000 Mitarbeiter und ist auf „preisgünstige” Flüge spezialisiert, wie es auf der Homepage heißt. An Mallorcas Flughafen hat Eurowings 30 von mehr als 200 Check-in-Schaltern zur Verfügung.

Dort wuselt gerade Martin Rinker herum. Er ist seit fünf Jahren Basis-Manager von Eurowings in Palma. Der gebürtige Reutlinger trägt Jeans, Sneaker und um seinen Hals Ventilatoren, die aussehen wie Kopfhörer. Er muss den ganzen Tag durch den Airport laufen, weshalb er schnell schwitzt.

Martin Rinker ist Basis-Manager von Eurowings an Palmas Flughafen und muss hin und wieder bis auf das Vorfeld gehen.

Jetzt – am frühen Nachmittag – ist es etwas ruhiger in der Abflughalle als noch um 12 Uhr. Da seien alle Eurowings-Schalter geöffnet gewesen, sagt Rinker, der 46 Jahre alt ist. Heute, an einem Donnerstag, seien auch viele Kreuzfahrtschiff-Urlauber da. „Mein Schiff 2” legt dann immer in Palma an. Deshalb will Rinker einen Check-in für die Heimflüge schon am Hafen – damit die Touristen ohne Koffer in die Stadt gehen können.

Rinkers Job ist vor allem eins: Kontrolle. Er muss stichprobenartig überprüfen, ob die richtigen Koffer ins richtige Flugzeug geladen werden. Er schaut sich Ankunftszeiten an, um zu wissen, ob Flieger pünktlich angekommen sind. Und er geht mit einer gelben Weste bis aufs Vorfeld und untersucht, ob dort alles sauber ist.

So auch jetzt, als eine Maschine mit 176 Menschen fast voll besetzt nach Hannover starten will und darauf wartet, Parkposition 44 zu verlassen. Noch zwei Minuten, bis der Flieger rausgeht; das zeigt eine Uhr an. Eigentlich ist in ihm Platz für 180 Passagiere. Dass jemand fehlt, sei regelmäßig der Fall, sagt Rinker. Besonders in der Corona-Pandemie komme es vor, dass Menschen wegen eines veralteten Corona-Tests nicht mitgenommen würden.

Nun schiebt ein Fahrzeug – kaum größer als ein Golfplatz-Autochen –das Flugzeug mit einer Stange nach hinten. Die Maschinen können nicht rückwärts fahren. Und die Piloten nicht nach hinten schauen. Deshalb muss Amanda Mesa Bridson helfen. Sie ist Vorfeld-Arbeiterin und sagt: „Ich bin die Augen des Piloten” – und dirigiert den Flieger, bis er vorwärts und auf das Rollfeld fahren kann.

Amanda Mesa Bridson gibt Piloten das Go, damit sie auf das Rollfeldfahren können.

Zum Schluss kommuniziert Bridson mit dem Cockpit über ein Kabel, das aus der Maschine heraushängt wie die Nabelschnur eines Babys bei der Geburt. Einmal noch Winken und die Eurowings-Maschine fährt auf die Startposition.

Sie fliegt gleich über die Bucht von Palma weg, macht eine Linkskurve und folgt der Ostküste Mallorcas, bis sie das offene Meer erreicht. Die Passagiere sehen die Insel also noch zehn Minuten länger, als wenn der Start über Land ginge.