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In der Schreinerei herrscht morgens emsiges Treiben, es riecht nach Holz, die Maschinen surren. Der deutsche Tischler André Lieb ist auf dem Sprung auf die Baustelle. Seit 13 Jahren arbeitet der Bayer als Selbstständiger im holzverarbeitenden Gewerbe, seine Firma "Carpinteros Mallorca" sitzt in Manacor. Ihm liegt die Arbeit mit dem Material am Herzen. "Bei mir gibt es keine Standardmodelle", erzählt der 48-Jährige, der überwiegend Wohnhäuser mit Möbeln ausstattet. Damit ist er in guter Gesellschaft, Mallorca und besonders das Städtchen Manacor gelten nach wie vor als Möbelhochburg. Denn die Branche steht nicht still.

Bis ins 16. Jahrhundert reichen die Wurzeln des holzverarbeitenden Handwerks zurück, schreibt der mallorquinische Historiker Sebastià Sansó in seinem Buch "Els fusters de Manacor" (Die Schreiner von Manacor). Mit dem Aufkommen des Tourismus und der steigenden Nachfrage nach Bauteilen und Möbeln für Hotels erlebte die Branche in den 1960er und 70er Jahre eine Hochphase. Damals wurden allein in Manacor 400 Betriebe und mehr als 2000 Beschäftigte gezählt. "Früher gab es im Ort in jeder Straße einen oder zwei Schreinerbetriebe", weiß André Lieb.

Mit diesen Dimensionen kann der Sektor heute nicht mehr aufwarten. Seit Jahren sinken die Zahlen der Betriebe und Mitarbeiter. Die Arbeit ist weniger gefragt, und viele Schreiner gehen in den Ruhestand. Nach Angaben des balearischen Technologiezentrums für Holz (Cetebal) aus Manacor gibt es noch 726 holzverarbeitende Betriebe auf den Balearen, 2011 waren es 1030. Die Zahl der Beschäftigten sank von 5725 im Jahr 2003 auf 4111 im Jahr 2009, mittlerweile arbeiten noch 2500 Personen in dem Sektor. Von der Wirtschaftskrise hat sich das holzverarbeitende Handwerk inzwischen erholt.

"Die Krise ist für uns vorbei", berichtet Pedro Payeras, Chef der Schreinerei "Fusteria Campanet" in Inca und Vorsitzender der balearischen Tischlervereinigung. Über Arbeitsmangel könne sich die Branche nicht beklagen: "In den vergangenen Jahren haben viele Unternehmen technisch aufgerüstet und sich spezialisiert." Das sei nötig gewesen, um das Überleben der bestehenden Firmen zu sichern. Pedro Payeras zog mit seinem Familienunternehmen aus dem Dorf Campanet in eine große Werkhalle nach Inca. Er ist auf den Ausbau von Wohnräumen und Gastronomiebetrieben spezialisiert. Er liebe die kreative Arbeit, kein Auftrag sei wie der andere. "Unsere Kunden wohnen oftmals im Raum Andratx oder Santa Ponça", erzählt der Schreiner.

"Die Branche muss sich durch Qualität und Anpassung auf die Wünsche des Kunden von der Konkurrenz absetzen", erklärt der Vorsitzende der Tischlervereinigung. Als Konkurrenz sieht er Möbel aus Billiglohnländern und die großen Verkaufshäuser.

Doch neben der Konkurrenz gibt es noch ein ganz anderes Problem: "Es kommen keine neuen Leute mehr nach", sagt Schreiner André Lieb. Sind heute noch viele Schreinereien in Familienhand, erzählen die Handwerker doch, dass ihre Kinder kein Interesse hätte, das Unternehmen weiterzuführen. "Es ist schwer, qualifiziertes Personal zu finden", bestätigen Pedro und Miquel Arrom. Sie führen gemeinsam mit ihrem dritten Bruder, Biel, die "Fusteria Miarsa" in Inca.

Für die Schreinerei beginnt gerade die Hauptsaison, Miarsa konzentriert sich hauptsächlich auf die Ausstattung von Hotels, ist für verschiedene mallorquinische Ketten tätig. Wenn die Saison zu Ende geht, die Häuser schließen und die Umbauten beginnen, startet für die Tischler die arbeitsreichste Zeit. "Hier ist kein Tag wie der andere", erzählt Miquel Arrom. Die Brüder bauten schon Hotelmöbel in der Karibik, Costa Rica und anderen Teilen der Welt. Eine Karriere, wie sie auch andere mallorquinische Schreinereien machten.

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Derzeit sind im Unternehmen 18 Personen beschäftigt. Gegen Ende des Winters, zum Anfang des Frühjahrs wächst die Zahl auf 40 an. "Wir holen oftmals Arbeiter vom Festland, weil es hier nicht genügend Fachkräfte gibt", erzählt Pedro Arrom. Doch gerade die Schreinerei für das Hotelgewerbe ist auch ein saisonales Geschäft, die Arbeiter bleiben oftmals nur sechs Monate im Unternehmen. "Wenn wir die guten Leute dann im nächsten Jahr wieder anrufen, haben sie bereits einen anderen Job", berichten die Brüder.

In Palma gibt es zwar eine polytechnische Schule, in der auch Schreiner ausgebildet werden, doch Zahl und Niveau der Absolventen würde oft nicht ausreichen, um den Bedarf zu decken. Die Schreinereien wollen sich deshalb ihre Arbeitskräfte selbst heranziehen. Seit diesem Jahr läuft ein Modellprojekt zur dualen Ausbildung, gefördert vom balearischen Industrieministerium. Auch die Schreinereien "Miarsa" und "Fusteria Campanet" sind daran beteiligt.

"Schreiner ist kein einfacher Beruf, er benötigt viel praktische Erfahrung", betont Pedro Payeras. Gerade diese solle in der dualen Ausbildung vermittelt werden und zudem erhalten die Lehrlinge einen kleinen Lohn - anders als in der schulischen spanischen Ausbildung üblich.

Angestoßen wurde das Pilotprojekt auch von Cetebal: "Die Unternehmen suchen händeringend Personal", sagt die Leiterin des Forschungszentrums für Holz in Manacor, Marta Mesquida. Sie selbst stammt aus einer manacorinischen Schreinerfamilie. Cetebal dient als Anlaufstelle für die Unternehmen und auch die Kunden. Es finden Schulungen statt und auch Materialtests, welches Holz sich beispielsweise am besten für Fenster auf Mallorca eigne.

"Die Branche hat sich stabilisiert", bestätigt Marta Mesquida. Ein Hinweis darauf sei unter anderem der steigende Import von Holz auf die Insel. "Wer mallorquinische Möbel sucht, kommt immer noch nach Manacor", sagt sie. Die Möbel seien häufig Maßanfertigungen. Typische Schreinerarbeiten von der Insel seien beispielsweise der mit Zungenstoffen bespannte Liegestuhl sowie die mallorquinischen Fensterläden. Die Anerkennung der Holzarbeiten als balearisches Produkt wie beispielsweise Wein sei wünschenswert.

"Über den Preis kann die Branche nicht konkurrieren, es muss über die Qualität passieren", sagt Marta Mesquida. Schreiner, die Hotels oder Apartmentkomplexe ausstatten, hätte oftmals ein Budget einzuhalten. Da komme häufig Pressholz zum Einsatz. Tischler im Privatbereich müssen sich mit den Kunden über die Holzwahl einigen: "Viele Aufträge liegen im mittleren oder oberen Preissegment."

(aus MM 49/2017)