Im Hafen von Palma herrscht reges Treiben, an der Zufahrt zu "Astilleros de Mallorca" fahren Lieferanten ein und aus. Neugierigen bleibt der Blick hinter die Kulissen der Werft nahe der Fischbörse Lonja allerdings verwehrt. "Wir legen viel Wert auf Diskretion", sagt Pressesprecherin Jennifer Maul. Astilleros ist darauf spezialisiert, Superyachten von 30 Meter Länge und mehr sowie historische Boote zu warten, neu auszustatten oder gänzlich zu überholen. Sowohl die Namen der schwerreichen Bootseigner als auch die der Yachten sollen ein Geheimnis bleiben.
Auf dem Gelände ragen Kräne in den Himmel, historische und moderne Schiffe liegen in den Docks. Vier Yachten können an Land bearbeitet werden, weitere zehn bis 14 im Wasser. Im Winter herrscht Hochsaison in der Werft, damit die Schiffe im Sommer wieder auf den Meeren unterwegs sein können. In den verschiedenen Werkstätten auf dem Gelände fällt die blaue Markierung auf den Fußböden auf: "Das ist ein japanisches Ordnungssystem", erklärt die Pressesprecherin, die selbst 15 Jahre lang zur See fuhr. So habe jede Maschine, jedes Werkzeug seinen Platz und nichts komme durcheinander. Ein Mitarbeiter sitzt an der Drehmaschine, konzentriert schaut er auf sein Werkstück. "Die Arbeit mit den historischen Schiffen ist wie mit Oldtimern", erzählt Jennifer Maul. Wenn es keine Ersatzteile mehr gibt, fertigen die Werftmitarbeiter sie an. Ein technischer Zeichner entwirft vorher den Umbau am Computer.
Astilleros bearbeitet jährlich 150 Yachten auf dem eigenen Gelände sowie noch einmal so viele auf einem angemieteten Areal der Kaianlage STP. Das Angebot der Werft ist einmalig auf Mallorca. Umbauten jeglicher Art sind möglich: Refits (komplette Umgestaltungen), der Einbau von Jacuzzis – was aktuell besonders gefragt sei – und auch Schiffsverlängerungen. "Dafür wird die Yacht ab dem Heck vergrößert", erklärt die Pressesprecherin.
Die Kundschaft stammt aus dem Ausland, lediglich ein spanischer Schiffseigner nimmt die Dienste von Astilleros in Anspruch. 100 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen, hinzu kommen 150 Personen, die über Subunternehmen bei der Schiffsreparatur arbeiten. "Wir sind eine klassische Werft", sagt Jennifer Maul. Die Eigner beauftragen das Unternehmen und müssen sich dann um nichts mehr kümmern. Projektleiter gestalten den Umbau in Absprache mit dem Kapitän.
Die Insel hat sich zu einem der drei Hotspots für Superyachten weltweit entwickelt. Neben Florida und der französischen Südküste ist Mallorca Heimathafen zahlreicher Luxusschiffe. Insgesamt 6000 Yachten mit mehr als 30 Meter Länge sind laut Fachzeitschrift "Boote Exclusiv" weltweit unterwegs. 50 Superyachten haben dauerhaft einen Liegeplatz auf Mallorca, schätzen Branchenkenner. Seit 2013 erlebt das Segment einen Boom, damals wurden steuerrechtliche Unklarheiten beseitigt und die Balearen konkurrenzfähiger.
Mallorca ist zum einen wegen des stabilen Wetters im Sommer und zum anderen aufgrund der gewachsenen Nautikindustrie beliebt. "Auch die zentrale Lage im Mittelmeer ist für die Industrie sehr günstig", erklärt Jennifer Maul. Die Yachten passieren die Insel sowohl im Sommer bei Törns im mediterranen Raum als auch im Winter auf dem Weg in die Karibik. 350 Handwerksbetriebe und Unternehmen mit 3000 Arbeitsplätzen haben sich auf die Anforderungen der Freizeitschiffe spezialisiert.
Der Flur in den Büroräumen von Astilleros ist gerahmt von Fotos und Skizzen der Firmengeschichte. "Hier wurden sogar Spionageschiffe gegen Zigarettenschmuggler gebaut", erzählt Jennifer Maul und zeigt auf eine technische Zeichnung von 1948. Der Grundstein des Unternehmens wurde 1942 in der Bucht Can Barbarà (in der Nähe des Deutschen Konsulats) gelegt. Im Sommer feiert die Werft nun ihr 75-jähriges Bestehen. In den 1980er Jahren rüstete Astilleros einen Containerfrachter zum ersten Krankenhausschiff Spaniens, der "Esperanza del Mar", um. 1995 lief die letzte in der Werft gebaute Yacht vom Stapel, seitdem widmet sich Astilleros ausschließlich Umbauten und Renovierungen. Heute steht Diego Colón de Carvajal dem Unternehmen vor.
Im Sommer lassen sich mehr und mehr Mega-yachten vor der mallorquinischen Küste beobachten. Die Yacht "A" des Milliardärs Andrei Melnitschenko stattete der Insel schon mehrmals einen Besuch ab. Im August 2016 war – neben vielen anderen – der ehemalige Emir von Katar auf der 133 Meter langen "Al Mirqab" vor Palma unterwegs.
Auch die Nautikmesse "Boat Show Palma", die vom 28. April bis 2. Mai stattfindet, hat sich auf die ganz großen Schiffe spezialisiert. Der Fokus liegt auf Yachten über 24 Metern, unter den 170 ausgestellten Booten im vergangenen Jahr befanden sich 65 Superyachten – darunter viele Segelschiffe. Sind weltweit lediglich zehn bis 15 Prozent aller Superyachten mit Segeln bestückt, macht dieser Anteil auf der Insel die Hälfte aus. Mallorca zieht Segler an. Die Crème de la Crème der Megasegler tritt jährlich beim "Super Yacht Cup" vor Palma an, einer exklusiven Regatta. Yachten sind nicht nur Spielzeuge der Superreichen, sondern stellen zunehmend einen bedeutenden wirtschaftlichen Faktor für die Insel dar. Jede dritte Megayacht kann gechartert werden.
(aus MM 06/2017)
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