Innerhalb von acht Minuten trafen die beiden Pressemitteilungen ein, auf die die gesamte Luftfahrtbranche und deren Beobachter am Mittwochabend wie gebannt gewartet hatten. Um 20.02 Uhr sowie um 20.10 Uhr teilten erst Air Berlin und anschließend Lufthansa mit, was in den vergangenen Tagen und Wochen immer wieder in Form von Spekulationen und Gerüchten verkündet worden war, ohne dass es seitens der Unternehmen zu einer offiziellen Stellungnahme kam.
Seit Mittwochabend steht indes fest: Der Lufthansa-Konzern wird von Air Berlin bis zu 40 Maschinen im Wet-Lease-Verfahren, also inklusive Besatzungen, Versicherungen, Start- und Landerechten mieten. Die Übernahme ist auf vorerst sechs Jahre befristet. In einer Mitteilung des deutschen Marktführers hieß es dazu: Lufthansa und Air Berlin haben eine Absichtserklärung zur Übernahme von insgesamt bis zu 40 Flugzeugen der Air Berlin Gruppe durch die Konzerngesellschaften Eurowings und Austrian Airlines geschlossen. Die Vereinbarung solle mit dem Sommerflugplan am 26. März 2017 beginnen.
Die Billigfluggsellschaft des Lufthansa-Konzerns, Eurowings, würde durch diesen Schritt, sofern die Vereinbarung tatächlich umgesetzt wird, ihre Kapazitäten erheblich ausbauen und ihre Position in Europa deutlich stärken.
Air Berlin wiederum verkündete den radikalen Bruch, den der bisherige Marktführer auf den Flugrouten Mallorca-Deutschland hinnehmen muss, als "umfassende Umstrukturierungsmaßnahme". Das Unternehmen werde sich "mit einem klaren Profil auf das Kerngeschäft konzentrieren" und künftig mit einer Flotte von 75 Flugzeugen von den beiden Drehkreuzen Berlin und Düsseldorf aus die Märkte bedienen. Das bedeutet im Klartext, dass die bisherige Flotte von 140 Maschinen nahezu halbiert wird.
Besonders wichtig für Mallorca-Urlauber und -Residenten: Die touristische Mittelstrecke, zu der auch Mallorca zählt, werde in einem eigenständig agierenden Geschäftsbereich zusammengefasst. Insidern zufolge handelt es sich möglicherweise um ein Gemeinschaftsunternehmen mit Tuifly, der Airline des deutschen Reiseveranstalter Tui.
Air Berlin bestätigt in seiner Mitteilung auch den Stellenabbau, der drastischer ausfällt, als bisher in den Spekulationen gemutmaßt worden war. Bislang war von rund 1000 Stellen unter den 8600 Mitarbeitern die Rede gewesen. Jetzt teilte die bisherige Nummer zwei der deutschen Luftfahrtbranche mit: "Die Verkleinerung des operativen Geschäfts bedingt eine strukturelle Anpassung der Personalkapazität von bis zu 1200 Stellen. Das Unternehmen nimmt unverzüglich Gespräche mit Vertretern der Betriebsräte auf, um bis Februar 2017 freiwillige und betriebsbedingte Kündigungen zu bestätigen."
Air-Berlin-Vorstand Stefan Pichler, der vor knapp zwei Jahren als Sanierer angetreten war, wurde mit folgenden Worten zitiert: "Bei dieser weitreichenden Umstrukturierung unseres operativen Geschäfts richten wir uns strategisch neu aus, um Air Berlin eine Zukunft zu eröffnen."
Die bekanntgegebene Neuausrichtung macht deutlich, dass Air Berlin nach mehr als 30 Jahren seine Präsenz auf Mallorca erheblich reduzieren wird. Denn die Airline will auf der Kurz- und Mittelstrecke stärker auf das Geschäftskundensegment mit einer ganzjährigen und damit saisonal unabhängigeren Nachfrage setzen. "Dabei liegt der Fokus auf den Märkten Italien, Skandinavien und Osteuropa", teilte Air Berlin mit.
Bei Lufthansa wiederum war zu erfahren, dass die von Air Berlin gemieteten Maschinen "künftig in den Farben der neuen Eurowings fliegen würden", sobald der Deal unter Dach und Fach sei. Die Flugzeuge sollen ferner ihre Heimatbasis an insgesamt sieben deutschen Flughäfen sowie in Wien und Palma de Mallorca haben. Eurowings hatte bereits in der vergangenen Woche angekündigt, von Mai 2017 an eine Basis auf Mallorca zu eröffnen und von dort Flüge nach Deutschland anzubieten.
Die sieben künftigen Eurowings-Standorte in Deutschland dürften eine Verringerung der bisherigen Standorte bedeuten, von denen Air Berlin bisher Direktflüge nach Palma de Mallorca anbot. In der vergangenen Woche hatte die Airline auf MM-Anfrage für den kommenden Winterflugplan, der Ende Oktober beginnt, mitgeteilt, von 17 Abflughäfen in Deutschland, Österreich und der Schweiz rund 150 Direkt-Flüge pro Woche nach Mallorca im Programm zu führen. Damit liegt die Airline in etwa auf Vorjahresniveau.
Was ist der Hintergrund des Deals? Die finanziell extrem angeschlagene Air Berlin (Gesamtschulden 1,2 Milliarden Euro) ist in den vergangenen Jahren nur noch mit Finanzspritzen des Großaktionärs Etihad in Höhe von rund einer Milliarde Euro in der Luft gehalten worden. Die nationale Fluggesellschaft der Vereinigten Arabischen Emirate mit Sitz in Abu Dhabi verfolgte jedoch gezielt die Strategie, Air Berlin in Europa als Zubringer-Airline für die eigenen Langstrecken an den Golf zu nutzen.
Die Ferienfliegerei ans Mittelmeer lag nicht im strategischen Interesse von Etihad. Aus diesem Grunde wurden bereits im Herbst 2015 die Air-Berlin-Verbindungen auf das spanischen Festland via Mallorca eingestellt. Das bedeutete das Aus für das bisherige Drehkreuz-Konzept in Palma, das Air Berlin in beachtlicher Größe verwirklicht hatte. Die spanische Flughafen-Betreibergesellschaft Aena hatte dazu 2010 eigens das C-Terminal des Airport für 62 Millionen Euro aus- und umgebaut.
Etihad hat sich nunmehr mit Lufthansa auf den Deal über Air Berlin verständigt. Doch welche Strategie verfolgt Lufthansa? Es geht der deutschen Nummer eins darum, die kleine Tochter Eurowings zu stärken und groß aufzustellen im Abwehrkampf gegen insbesondere die ausländischen Konkurrenten Ryanair und Easyjet, die beide gerne in die Lücke einspringen würden, die ein unkontrolliertes Wegbrechen von Air Berlin hinterlassen würde.
2 Kommentare
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Unternehmerisch sehr gut Nachvollziehbar. AB war immer ein Touristikflieger, bei dem Vollzahler als Lückenbüßer mitgenommen wurden. Diese Vollzahler haben wohl hauptsächlich dieses "bashing" betrieben. Wenn man für einen Hin- und Rückflug ca. 200,- Euro oder mehr bezahlt hat und bekommt eine Massenmarkt Behandlung, baut sich Frust auf. Manchmal dauert es eben etwas länger, bis Vorturner aus Berlin ihre Kunden verstehen müssen.
Wo bleibt das AirBerlin-Bashing???!!!