In der Bevölkerung macht sich seit geraumer Zeit Unzufriedenheit mit dem vorherrschenden Tourismusmodell breit. | Jaume Morey

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Die Tourismusbranche und Politik auf den Balearen denken immer noch in den Kategorien des vergangenen Jahrhunderts: Zu diesem wenig schmeichelhaften Ergebnis kam jetzt der Chef-Stratege des balearischen Think Tanks Impulsa Balears, Antoni Riera. Statt verstärkt auf Qualität zu setzen, setze man auf Mallorca und den Nachbarinseln immer noch auf ungebrochenes Wachstum. Doch diese Zeiten seien vorbei, die Zukunft gehöre "einem Tourismus, der sich der Exzellenz verschreibt", so Riera bei der Vorstellung des Berichts Índice de Desarrollo Turístico (IDT) am Montag.

Die Bestandsaufnahme zur Lage des Tourismus erscheint alle drei Jahre. Nach Ansicht von Riera laufen die Balearen Gefahr, in der Branche den Anschluss zu verpassen. Der Blick der Entscheidungsträger sei rückwärtsgewandt, an Visionen hingegen mangele es. "Man versucht weiterhin, mit Methoden Erfolg zu haben, die uns zwischen den 1960er-Jahren und der Jahrtausendwende zu einem beispiellosen Aufstieg verhalfen", sagte Riera.

Vor allem um den sozialen Frieden auf den Inseln sorgt sich der Vordenker. Denn positive Zahlen aus der Tourismusbranche schlügen sich nicht mehr in allgemeinem Wohlstand nieder. In den 1980er-Jahren sei dies sehr wohl der Fall gewesen. Damals habe quasi die gesamte Bevölkerung vom Aufschwung profitiert. Heute hingegen rangiere die Inselgruppe beim Pro-Kopf-Einkommen im EU-weiten Regionenvergleich nur noch auf Platz 140, argumentiert Riera – Tendenz absteigend.

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Tourismus und Wohlstand bilden laut Riera kein harmonisches Gespann mehr. Was einst zum wirtschaftlichen Aufstieg der Balearen verhalf, der Fremdenverkehr, führe nun ein Eigenleben. Die Mehrheit der Bevölkerung gehe inzwischen leer aus. "Es besteht die Gefahr, dass sich dieses Gespann in zwei entgegengesetzte Richtungen entwickelt", sagte Riera.

Um diesen Trend noch rechtzeitig umzukehren, empfiehlt Riera, den Blick weniger auf Zahlen als auf qualitative Entwicklung im Tourismus zu richten. Dabei sollten insbesondere zwei Aspekte beachtet werden: die Gästeströme in geordnete Bahnen zu lenken und dafür Sorge zu tragen, dass die Früchte des Tourismus gleichmäßiger verteilt werden. Nur so könne die Urlaubsindustrie ihre Erfolgsgeschichte fortsetzen.

Zugleich warnte Riera davor, sich mit mutmaßlichen Konkurrenten wie der türkischen Riviera oder dem Roten Meer zu vergleichen. Immer nur mit Urlauberzahlen und Preisen zu jonglieren führe auf die falsche Fährte. "Es wäre ein fataler Fehler, wenn wir nach den Regeln von Antalya spielten", so Riera, "wir haben auf den Balearen ungleich bessere Grundvoraussetzungen."

Auch wenn Mallorca und Co. gemeinhin als Pioniere des Tourismus gelten, in vielen Bereichen sieht der Chef-Stratege von Impulsa Balears inzwischen Nachholbedarf. So hätten andere Urlaubsregionen die Balearen beispielsweise bei der Ausbildung ihrer Fachkräfte überholt. Auch bei der Anwendung moderner Technologien und der Digitalisierung seien die Inseln ins Hintertreffen geraten. Handlungsbedarf sieht Riera ferner bei der Mobilität und dem Einsatz der örtlichen Kulturgüter.