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Rafel Fernández hat einen Traum. Wie schön wäre es, wenn Cala Rajada ein für allemal die Mutmaßung aus der Welt räumen könnte, eine Art zweiter Ballermann zu sein! „Wenn ein paar Deutsche wie geschehen in einen Brunnen springen, dann bedeutet so ein punktuelles Ereignis nicht, dass der Ort in einem Atemzug mit der Playa de Palma genannt werden darf”, so der sozialistische Bürgermeister der zuständigen Gemeinde Capdepera zu MM.

Der Mann hat recht: Cala Rajada hat seinen Charme von anno dazumal, ein schmuckes Dorf voller interessanter Menschen zu sein, glücklicherweise nicht zur Gänze verloren. Beim MM-Besuch am Montag, den 11. Juni, vermochten zwar im zentral gelegenen Poolclub Chucca, auf einem Balkon des Prinsotels Pineda und auf dem ein oder anderen Privatbalkon ein paar grölende junge Männer hässliche Unruhe in die ruhigen und mit Kiefern gesäumten Straßen rund um den ehrwürdigen Sea Club und die vielen einstöckigen Wochenend-Häuser zu bringen. Das Gezirpe zwitschernder Vögel drang aber dennoch vernehmbar in die Ohren des Reporters.

Selbst im Bierbrunnen, der leicht verruchten Herzkammer rülpsiger Bierseligkeit in dem - was vielleicht sein Glück ist - abgelegenen Ort, krakeelte man nicht organisiert laut wie im trubeligen Tummelareal enthemmter Sauftouristen an der Playa de Palma. Und am Strand Cala Agulla kontrollierten Ortspolizisten Badegäste am Kreisverkehr. Nirgendwo in Cala Rajada zeigten sich nervige Hütchenspieler oder andere dubiose Gestalten, die am Ballermann so bekannt sind. Und an der Hafenpromenade mit vielen Restaurants genossen ausnahmslos diejenigen in Sichtweite des Wandkunstwerks von Gustavo das schöne Wetter, die hier in der Mehrheit sind: Familien und eher ältere Feriengäste aus unterschiedlichen Ländern, die in zum Teil erst jüngst restaurierten Vier- und Fünf-Sterne-Hotels wohnen. Menschen wie Jochen aus Süddeutschland: „Das ist hier ein schöner Ferienort mit nur wenig Ärger”, so der Urlauber. Im „Curry King” gegenüber der Disco Bolero sieht auch Thekenkraft Juan die Lage entspannt: „Hier läuft kaum etwas aus dem Ruder.”

Doch ungeachtet eines ruhigen Grundrauschens ist Cala Rajada alles andere als ein unbeflecktes Paradies. Junge Leute, die sich daneben benehmen, sind nun einmal da. „Doch vor vier bis fünf Jahren war das noch viel schlimmer”, behauptet Rafel Fernández. „Als ich 2011 als Bürgermeister anfing, war das hier ein Minenfeld.” Doch seinen Informationen zufolge habe es sich inzwischen auch jenseits von Spanien herumgesprochen, dass die Ortspolizisten in Cala Rajada schnell Bußgelder ab 60 Euro verhängten, wenn etwa jemand Glasflaschen zum Strand mitnimmt oder laute Musik erklingen lässt. Und das sei gut so. „Hier haben Störer nichts zu suchen,” so Fernández. Er habe gehört, viele würden jetzt Bulgarien vorziehen. Oder eben den Ballermann.

Vor allem um Pfingsten herum, aber manchmal auch später im Juni kommen etwa Abiturienten oder Handballer nach Cala Rajada, um sich in den drei Diskotheken zu verlustieren. Diese Leute wolle man ausdrücklich nicht ausgrenzen, sofern sie sich zu benehmen wissen, so Rafel Fernández.

Auch der mallorquinische Hotelverband „Fehm” sieht in jüngst von Boulevardblättern veröffentlichten Vorkommnissen „Einzelfälle”. „Wir bedauern und verurteilen das”, so „Fehm” in einem Kommuniqué, das MM per E-Mail zuging. Die Hoteliers der Region leisteten „gute Arbeit”, was schon dazu geführt habe, „dass andere Leute” kämen.

Der seit Jahrzehnten in Cala Rajada wohnhafte deutsche Resident Jürgen Umland, der eine einschlägige Facebookgruppe betreibt, sieht die Situation ähnlich: „Ich schätze die Leute, die unangenehm auffallen, auf drei bis fünf Prozent”, sagt er. Dazu zählten auch Personen mit T-Shirts mit unpassenden Aufschriften. Die jedoch wegzubekommen, sei „wie ein Kampf gegen Windmühlenflügel”. Wobei es sich bei den Störern nicht so sehr um sehr junge Leute, sondern um Gäste zwischen 25 und 40 Jahren handele. Dass Cala Rajada kein stiller Ort ist, wurde den Einwohnern zuletzt nochmal klar, als es in der Nacht zum Mittwoch auf offener Straße zu einer Schlägerei kam.

Um zu verhindern, dass Cala Rajada vielleicht doch einmal kippt und so versaut werden könnte, wie es der Ballermann noch ist, schweben Bürgermeister Fernández durchaus noch Zusatzmaßnahmen vor: „Denkbar wäre, alkoholfreie Zonen einzurichten.”