Pressekonferenz im Total Tower in Berlin: Air-Berlin Chef Stefan Pichler und Konzern-Sprecher Aage Dünhaupt (r.). | Foto: Gregor Schlaeger

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Eine Weitsicht fast wie im Flugzeug: Stefan Pichler, seit Anfang Februar Vorstandschef von Air Berlin, hat mit dem 16. Stockwerk des Total Tower in Berlin einen besonders luftigen Ort ausgewählt, um das Rettungskonzept für seine Airline erstmals im großen Rahmen vorzustellen. Rund 90 Medienvertreter aus ganz Europa waren eingeladen, um einen Tag vor Beginn der Internationalen Tourismusbörse ITB den neuen CEO von Deutschlands zweitgrößter Fluggesellschaft kennenzulernen.

Und aus der Ferne betrachtet hat Stefan Pichler optisch durchaus eine gewisse Ähnlichkeit mit Joachim Hunold, dem einstigen Air-Berlin-Boss, der die Fluggesellschaft in zwei Jahrzehnten von einem Mini-Unternehmen zur Deutschlands Airline Nummer zwei aufgebaut hatte. Hunold war bei den Medienvertretern berüchtigt für seine Frei-von-der-Leber-weg-Sprache, seinen bissigen Witz und seine "Das stemmen wir schon"-Attitüde. Dass es ihm am Ende nicht gelang, die zum Konzern gewachsene Aktiengesellschaft vor dem Absturz in die Roten Zahlen zu bewahren, war vielleicht einfach nur Pilotenpech.

Allerdings haben seine als namhafte Manager ausgewiesenen Nachfolger, Ex-Bahnchef Hartmut Mehdorn und der österreicherische Wolfgang Prock-Schauer, es letztlich auch nicht besser hinbekommen. Air Berlin, Marktführer auf den Routen zwischen Mallorca und Deutschland, Österreich, Schweiz, ist seit Jahren verschuldet und konnte zuletzt nur dank millionenschwerer Finanzspritzen des Mehrheitseigners und Flugpartners Etihad in der Luft bleiben.

Nun also soll es Stefan Pichler richten. Der gebürtige Münchner, Jahrgang 1957, versteht zumindest etwas von Ausdauer: Der passionierte Marathonläufer gehörte über die 25-km Distanz zu den fünf Besten der Welt. 1980 qualifizierte sich Pichler für die Olympischen Spiele in Moskau. Parallel dazu kann Pichler auch beruflich auf viele Stationen als Touristiker und Airliner zurückblicken: Der Diplom-Ökonom hatte leitende Positionen bei Lufthansa inne, bevor er zwischen 2000 und 2003 den Vorsitz des Vorstandes beim Reisekonzern Thomas Cook übernahm. Im Anschluss daran hielt er führende Positionen im Pazifik, etwa bei Virgin Blue Airlines in Australien. Von 2009 an leitete er bei Jazeera Airways ein Restrukturierungsprogramm und verhalf dem Unternehmen zu 13 gewinnträchtigen Quartalen in Folge. Zuletzt war Stefan Pichler bei Fiji Airways tätig, wo er die angeschlagene Fluggesellschaft wieder in die Gewinnzone steuerte.

Wenn der neue Air-Berlin-Boss über sein Unternehmen spricht, dann klingt das ebenso leidenschaftlich, wie man das früher von Hunold kannte. Allerdings: Wo Hunold mitunter die Firma wie ein Patriarch regierte, setzt Pichler nach seinen eigenen Worten auf Kommunikation mit den Mitarbeitern. Eines seiner Konzepte soll er aus Ozeanien mitgebracht haben: Der neue Chef etablierte Boxen, in die jeder Beschäftigte, auch anonym, Anregungen, Beschwerden und Verbesserungsvorschläge einbringen kann, die Pichler persönlich liest. "Wir müssen die Mitarbeiter ins Boot holen und mit ihnen diskutieren. Wir brauchen gegenseitiges Vertrauen, Teamwork, Entschlossenheit, Verantwortungsgefühl und Energie auf allen Ebenen", lautet sein Credo. Es gelte "Kompetenzen zu fördern über Hierarchien hinweg". Und das alles zu einem Zweck: "Wir müssen die Strukturen unserer Firma so ausrichten, dass wir unsere strategischen Ziele erreichen können."

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Die Ziele sind klar abgesteckt: In einem Drei-Phasen-Konzept will Pichler Air Berlin zunächst "stabilisieren", dann Marktanteile rund um deutsche Flughäfen steigern, wo die Airline noch nicht Marktführer ist, und schließlich die Zusammenarbeit und das gemeinsame Netz mit den Allianzpartnern Etihad und One-World vermarkten. Pichler hat sich fest vorgenommen, mit Air Berlin bereits im Jahre 2016 in die operative Gewinnzone zurückzukehren.

Im Bündnis mit den Mitarbeitern will Pichler darüber hinaus das Vertrauen der Kunden durch ein neues Tarifsystem sowie durch verbesserten Service zurückgewinnen. Dass Reklamation wegen Verspätungen oder Gepäckverlust bis zu sieben Wochen benötigten, um geklärt zu werden, bezeichnete Pichler als "Desas…" - er sprach das Wort nicht vollständig aus, nannte aber die Vorgabe, dass Beschwerden und Anliegen innerhalb von sieben Tagen zu lösen seien. Zu diesem Zweck werden die Mitarbeiter und Mittel zum Handeln der Reklamationen verdreifacht. "Wir müssen serviceorientiert sein. Schluss mit den langlebigen Bearbeitungsprozessen!"

Der neue Tarif, der in Berlin verkündet wurde, nennt sich "Justfly" und startet auf innerdeutschen Flügen preislich ab 44 Euro pro Einzelstrecke. Er gilt vom 5. Mai an für Passagiere, die lediglich mit Handgepäck bis acht Kilo fliegen. Umbuchen und Stornieren ist hierbei nicht mehr möglich. "Das Feedback unserer Kunden war eindeutig - gerade wer oft nur kurz und mit Handgepäck reist, wird jetzt bei uns besser buchen können als zuvor", ist Pichler überzeugt.

Für Mallorca-Flüge wird der Justfly-Tarif mehr kosten als lediglich 44 Euro. Wie hoch genau, wurde nicht konkretisiert. Einziger Hinweis: Zumindest bei der Sonderaktion, die Air Berlin anlässlich der ITB ins Leben rief, um den Günstig-Tarif zu präsentieren, sind Mallorca-Einzelflüge aus deutschen Städten je nach Verfügbarkeit für 66 Euro im Angebot. Die Schmankerl-Aktion dauert vom 4. bis 10. März und hält eine Million Tickets feil. Gebucht werden kann der Zeitraum 5. Mai 2015 bis 29. Februar 2016.

Pichler unterstrich die hohe Bedeutung, die Mallorca für Air Berlin hat. "Mallorca ist sehr wichtig für uns. Wir sind dort der Platzhirsch, und das müssen wir verteidigen", sagte der Vorstandschef auf MM-Anfrage. Insgesamt solle die Marktführerschaft auf den Strecken nach Spanien in Zukunft ausgebaut werden. Die strategischen Prioritäten bei Air Berlin seien "von einem deutlichen Fokus auf das touristische Angebot" geprägt.

Und noch eine Neuigkeit für die zumeist touristischen Passagiere. Bis 2017 soll die Mittelstreckenflotte mit neuen Sitzen ausgestattet sein. Sie verfügen über USB-Anschlüsse zum Aufladen von Tablets und Laptops. Hinzu kommt: Sie bieten den Fahrgästen in Kniehöhe drei Zentimeter zusätzliche Beinfreiheit.