Auf dem Podest tanzt ein Gogo-Girl mit beneidenswert trainiertem Körper, auf dem Tisch steht ein Cocktail von betörend türkiser Farbe. Willkommen bei der Tweet-Party, die das Hotel Sol Wave House jeden Freitagabend in Magaluf auf Mallorca veranstaltet. Das ist der Grund, warum das Getränk - (Pfirsichlikör, Blue Curaçao, gestoßenes Eis, Zucker) - so eingebläut wurde, dass es ganz dem Farbton des Twitter-Logos entspricht.
Das Konzept des Vier-Sterne-Hauses, das zum Meliá-Konzern gehört, hat in der Welt der hörigen Internet-Gemeinschaften eingeschlagen wie eine Bombe. Das Hotel, erst im Vorjahr eröffnet, besitzt nicht nur Europas größten (und einzigen) Pool mit künstlicher Ozeanwoge zum Wellenreiten, sondern hat sich diesen Sommer auch zum weltweit ersten "Twitter Experience Hotel" erklärt. Soll heißen, Gäste des Hauses können dort mit Hilfe ihres Accounts bei Twitter in den Genuss völlig neuartiger Urlaubserfahrungen gelangen, und zwar per Tweets ...
Hä???
Noch einmal der Crashkurs für Außenseiter: Twitter (englisch: zwitschern) ist ein Anbieter im Internet, der Kurznachrichten von maximal 140 Zeichen sendet (meist ein, zwei kurze Sätze). Jeder mit Twitter-Konto kann solche Info-Häppchen im Telegrammstil, sogenannte "Tweets", aussenden oder auch von anderen, erwählten Zwitscherern, empfangen. Mehr als 100 Millionen Menschen (und Unternehmen) nutzen Twitter, ( so auch das Mallorca Magazin unter MM_Mallorca ). Doch was hat das alles mit dem Hotel zu tun?
"Wir möchten unseren Gästen mehr als nur die Welle zum Surfen bieten", sagt Hoteldirektor Gonzalo Echevarría. Gemeinsam mit dem konzerneigenen Internet-Profi Marco Fánton wurde eine eigene Anwendung ("App") geschaffen, die den Hotelgästen eine exklusive Kommunikationsplattform bietet. Zugang zu dieser App erhalten sie über ihre Twitter-Konten, danach können sie mit anderen Gästen Tweets austauschen.
Etwa so: Rund um den Pool des Hotels stehen durchnummerierte Bali-Liegen. Will der Gast von Liege 3 nun die flotte Badenixe auf Liege 13 kennenlernen, kann er sie (oder sie ihn) einfach an-tweeten. (Früher gab es in einschlägigen Tanzsalons in Hamburg nummerierte Tischchen mit Telefonen darauf, zum Anwählen, bei Interesse ...)
In dem Netz können sich Hotelgäste, ähnlich wie bei Facebook (einer anderen Internet-Spielart), auch sehen und sich gegenseitig toll finden. (Der digitale Gefällt-mir-Knopf) ist herzförmig und heißt sinnergerweise "Kiss me").
"Wir erleichtern es den Gästen, sich kennenzulernen", umschreibt Paty das Konzept. Sie und Kollegin Vicky sind Tweet-Portiersfrauen. Sie helfen den Gästen bereits beim Einchecken, sich zur App durchzuklicken, und stehen ihnen auch bei technischen Problemen zur Seite. Wie Animateurinnen sind sie am Pool mit ihren Tablet-Computern zu finden. "Frag mich", steht auf dem Rücken ihrer T-Shirts, samt Tweet-Adresse. Die "Concierges" denken sich mit Chefin Sofía zudem Motto-Veranstaltungen oder Fotowettbewerbe aus. Für das witzigste Twitterbild gibt es 2014 eine Woche Gratis-Urlaub im Hotel.
Auch die Kommunikation der Gäste in dem hoteleigenen sozialen Netzwerk erfolgt in der App. Alle sind, so sie wollen, mit allen vernetzt. Zwei unsichtbare Mitarbeiter kontrollieren, dass die Netzfreiheit nicht ausufert. Sie sichten die hochgeladenen Fotos vor Freigabe, damit keine allzu nackten Tatsachen abgelichtet werden.
"Natürlich wird unsere App von den Gästen vor allem zum Anbandeln und Flirten genutzt", sagt Direktor Echevarría. Tweets seien nun einmal heute die bevorzugte Kommunikationsform der jungen Menschen. Seine Gäste sind in der Regel 18 bis 35 Jahre alt, Internet-afin, von höherer Schulbildung und oft Besserverdiener. Der tägliche Gebrauch des Smartphones sei für sie auch im Urlaub selbstverständlich, beschreibt er das Sein der jungen Generationen.
Was lässt sich mit der App noch anstellen? Das Hotel etwa informiert seine Gäste per Tweet über Spiel-, Sport- und Preisaktionen. Bewohner der in Türkis gehalten Tweet-Suiten (bis zu vier Gäste) können den Inhalt der Minibar schon vorab per Tweet ordern. Leert sich der Kühlschrank, wird er auf Tweet hin prompt aufgefüllt. Die Tweet-App funktioniert nur im Hotel. Reist der Gast ab, bleibt sie eine inaktive Erinnerung in seinem Smartphone.
Die Idee des Hotelskonzerns wurde im Internet so rasch bekannt, dass die US-Firma Twitter in Palma vorstellig wurde. Alle Welt dachte, das Haus gehöre Twitter. Tatsächlich nutzt Meliá lediglich Tweets, um seine Hausbotschaft "Share the love" (Trag' die Liebe weiter) zu verbreiten. Damit keine Missverständnisse aufkamen, wurde der Name des Erlebnis-Hotels nun geändert, vom Twitter zum "Tweet Experience Hotel".
1 Kommentar
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Wahrscheinlich essen die Gäste man auch virtuell mit ihrem Smartphone. Nach dem kennenlernen per Twitter küssen sich auch nur die Smartphones. Meine Güte, wie krank ist diese Welt ? Einfach den Hintern von der Liege bewegen und denjenigen ansprechen. Für die Smartphoneabhängigen: Sprechen ist das mit dem Mund bewegen und dabei Laute ausstoßen.