Jeden Nachmittag fährt Farah El Bousari von ihrem Wohnort Son Ferrer in der Gemeinde Calvià nach Palma, um eine Stunde zu trainieren. | Patricia Lozano
Weil der 16-Jährige flink ist und seine Boxhandschuhe konsequent vor sein Gesicht hält, kann er den Hieben von Farah El Bousari ausweichen. Die beiden tänzeln in einem Boxcenter in Palma umeinander herum, beäugen und hauen sich immer wieder auf Arme und Brust. Kein Schlag schlägt mit voller Wucht ein, auch nicht im Gesicht. Das ist nicht immer so, Farah El Bousari scheut sich nicht, draufzuhauen. Im Training fließt auch mal Blut.
35 Mal stand die Mallorquinerin in ihrem Leben bisher für Wettkämpfe im Ring, nur vier Mal verlor sie. El Bousari ist die einzige Frau auf den Balearen, die auf professionellem Niveau boxt. Das heißt: Sie verdient Geld mit ihren Kämpfen. Die dauern bis zu sechs Runden à zwei Minuten, bei den Amateuren sind es höchstens drei Durchgänge. Außerdem tragen Profi-Boxer keinen Helm. Bei den Männer gibt es zehn professionelle Boxer auf den Inseln.
Farah El Bousari siegte häufig, weil sie ihre Gegnerinnen zu Boden brachte. 3, 2, 1, K.o. – und die Glocke ertönt. Die Boxerin hat noch nicht genug: Ihr Ziel ist, Weltmeisterin in der Klasse „Fliegengewicht” zu werden. 51 Kilogramm bringt sie auf die Waage. Vor ein paar Wochen boxte Farah El Bousari gegen die amtierende Weltmeisterin in Tschechien. Sie verlor nach Punkten – und will so schnell wie möglich Revanche.
Farah El Bousari kam nach Mallorca, als sie drei, vier Jahre alt war, genau weiß sie das nicht. Ihr Vater ist Marokkaner, ihre Mutter aus der Stadt León in Nordspanien. Farah El Bousari ist mit 26 Jahren die älteste ihrer drei Geschwister. Mit 18, 19 Jahren fing sie an, zu boxen. Der Sport bedeutet ihr so viel, dass sie den Boxsack als ihren Freund bezeichnet. Einen Partner hat El Bousari nicht, dafür sei nach der Karriere Zeit. „Ich boxe noch sechs, sieben Jahre, solange schafft der Körper das.“
Jeden Nachmittag fährt Farah El Bousari von ihrem Wohnort Son Ferrer in der Gemeinde Calvià nach Palma, um eine Stunde zu trainieren. Ihre Welt ist der „Motorcity Boxing Club” im Stadtteil Bons Aires; die einem Fitnessstudio ähnliche Halle ist ein unscheinbarer Erdgeschossraum eines der vielen Hochhäuser in dieser Gegend. Zwei Jugendliche und ein Mann versorgen sich in einem Kreis stehend mit Hieben. Andere machen Liegestütz, springen Seil, Hip-Hop dröhnt.
Um die Ecke steht ein Boxring, der einzige hier. Bevor Farah El Bousari so richtig mit dem Training beginnt, tänzelt sie ohne Boxhandschuhe durch den Ring, duckt sich immer wieder weg, macht Schlagübungen mit Handgewichten. Sie trägt eine Stretchhose, Sportschuhe und ein ärmelloses Shirt, weshalb ihre Tattoos erkennbar sind. Farah El Bousaris gesamter Körper – bis auf das Gesicht – ist voll mit Tattoos und jedes habe eine Bedeutung, sagt sie.
Da ist zum Beispiel ein Drachen auf dem Rücken, der Glück bringen soll. Ein chinesischer Hund ziert den Teil oberhalb der Brust; er soll Bousaris zwei Brüder beschützen. Deren Namen sind auf Arabisch unter dem Tier zu finden. Auf der Hand steht „Papa“. „Weil er immer mit mir mitfiebert“, sagt Farah El Bousari.
Ihr Vater und ihre Mutter haben sich vor ein paar Jahren getrennt, El Bousaris Papa lebt teils in Palma, teils in Marokko. Die Tochter besucht den Vater hin und wieder und kommt dann mit sechs, sieben Kilo mehr zurück. Das Essen dort sei gut und die Kilos müssten wieder runter.
Farah El Bousaris Trainer heißt David Quiñonero, 46. Er läuft an diesem Nachmittag durch den Boxclub und gibt Anweisungen. Was sagt er über El Bousari? „Sie kann Weltmeisterin werden.“ Und: „Sie hat die Kraft und die Schläge eines Mannes.“ Gegen sie zu boxen sei, wie wenn man es mit einem Panther aufnehme, besonders weil El Bousari mutig sei.
Für 2022 ist eine Meisterschaft für die besten drei, vier Boxerinnen der Welt in der Klasse Fliegengewicht auf Mallorca geplant. Dann soll auch die Tschechin anreisen, gegen die El Bousari letztens verloren hat. David Quiñonero ärgert sich über die Niederlage. Er sagt, dass es wichtig sei, in den sechs Runden auf den K.o. des Gegners zu gehen – und sich nicht auf den Punktrichter am Ende zu verlassen.
Seit zwei Jahren boxt El Bousari auf professionellem Niveau. Für einen Kampf erhält sie 2000 bis 2500 Euro Antrittsgeld. Bei Meisterschaften gibt es mehr. Manager machen die Kämpfe mit anderen Boxerinnen aus, El Bousari unterschreibt ein, zwei Wochen vorher einen Vertrag. Für das Boxen wendet Farah El Bousari ihren gesamten Jahresurlaub auf. Gekämpft hat sie schon in anderen spanischen Regionen wie Katalonien, Galicien, Andalusien, nach Kuba reiste sie mal für ein Training.
Farah El Bousari achtet stark auf ihre Ernährung, isst häufig Fisch mit Salat und trinkt einen Milchshake mit Kiwi, Bananen und Mandeln zum Frühstück. Kohlenhydrate wie Nudeln oder Reis stehen nur zwei-, dreimal die Woche auf dem Plan, Schokolade höchstens einmal. Energie-Drinks hat El Bousari immer dabei.
Ihre Einstellung ist professionell, doch von Boxen allein kann sie nicht leben. Ihr Beruf ist Köchin, sie arbeitet bis zum Training in einem Hotel in Palmanova. Farah El Bousari bedauert, dass der Sport kaum wertgeschätzt werde. Fixe Termine für Meisterschaften und Wettkämpfe – etwa an einem Wochenende im Monat – wären El Bousari zufolge schön. „Damit man nicht so in der Luft hängt, wann der nächste Kampf stattfindet.”
Andere Sportarten hätten es generell leichter, sagt die Boxerin noch. Ein Tennis- oder Fußballprofi, egal ob Mann oder Frau, könne gut nur von dem Sport leben. Professionelle Boxer hingegen, das seien von Beruf keine Boxer, sondern Klempner oder Handwerker.
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