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Die Frage nach dem Warum drängt sich auf, wenn es ums Bergsteigen geht. Die auf Mallorca lebenden Profikletterer Iker und Eneko Pou haben keine Probleme, sie zu beantworten. Lassen wir sie zu Wort kommen:

"Du stehst vor dem Berg und weißt noch nicht, wie er zu bezwingen ist. Du weißt nicht einmal, wie lang die Strecke vor dir ist. Es ist die Suche nach etwas Größerem als man selbst und nach dem Unbekannten, wo noch nie jemand zuvor geklettert ist. Dort draußen bist du alleine, du und die Natur, keine Handys, keine Nachrichten. Die Schnelllebigkeit unserer heutigen Zeit hört auf, von Bedeutung zu sein. Man kann den Berg nicht im Sturm erklimmen, ihn nicht schnell erobern. Der Berg bedeutet Ruhe. Das ist Freiheit."

Seit sie acht und neun Jahre alt waren, dreht sich im Leben von Iker und Eneko Pou fast alles um diesen Sport, der so voller Nervenkitzel, Kraft, aber auch Eleganz ist. "Unsere Eltern lernten sich auf dem Berg beim Skifahren kennen. Beide waren Bergsteiger. Die Liebe zum Alpinismus und Klettern wurde uns so in die Wiege gelegt", erklärt Eneko die zarten Anfänge ihrer Laufbahn.

Durch stetiges Training und das Klettern auf der ganzen Welt sind die Basken auf dem Weltklasseniveau von heute angekommen. Ein charmantes Lächeln liegt auf ihren Gesichtern, als sie dieses kurze Resümee ihrer Historie schildern. Denn Training bedeutet: Um 8 Uhr in der Frühe für ein bis zwei Stunden Laufen oder Fahrradfahren und den Rest des Tages am Berg verbringen. Aber genau das war ihr Traum und der Lebensstil, den sie gesucht haben und auch nach so vielen Jahren noch ganz und gar lieben.

Das wahre Klettern findet für die beiden in der Natur statt, nicht in der Halle. Die Natur Mallorcas - natürlich vor allem das Tramuntanagebirge - und das gute Klima haben die Brüder hierher gelockt. Von Palma ist man in weniger als 20 Minuten an vielen Kletterrouten mit Schwierigkeitsgraden für fast jedes Niveau.

Hinzu kommt, dass ihre Lebensgefährtinnen von Mallorca sind und sie so auch durch die Liebe an die Insel gebunden wurden. Seit 2009 ist Eneko auf der Insel, vor vier Jahren kam Iker dazu. Aber einen normalen, festen Wohnsitz können sie nicht angeben. "Wir halten uns auch sehr oft in unserer Heimatstadt Vitoria-Gasteiz auf, und manchmal sind wir bis zu sieben Monate im Jahr unterwegs."

Das "Wir" ist bei beiden enorm wichtig und Teil ihres Erfolges, sozusagen ihr Geheimrezept. "Wir sind die besten Komplizen", sagt Iker lachend, "zwar streiten wir uns auch, aber wir kennen uns so gut wie wohl kein anderes Kletterpaar. Wir geben uns gegenseitig Kraft und wissen, dass wir uns immer aufeinander verlassen können."

Neben der Schönheit des Tramuntanagebirges und den optimalen Kletterbedingungen heben die Gebrüder Pou besonders den sogenannten Psicobloc für Mallorca hervor. Bei dieser Kletterart besteigt man eine Klippe über tiefem Gewässer, ganz ohne Sicherungsgerät. Der Fall ins Wasser verhindert (meistens) Verletzungen, und das Klettergefühl ist einzigartig. Darin sind sich die Brüder einig: Für sie ist Mallorca der beste Ort auf der Welt, um Psicobloc zu praktizieren. Eine famose Route befindet sich bei der Cala Varques, Nähe Manacor, wo man besonders im Sommer viele Kletterer bestaunen kann.

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Zwar hat Iker Verwaltungsfachangestellter gelernt und Eneko ist Sportlehrer, doch widmen sie sich voll und ganz dem Klettern. Das geht nur mit der Hilfe verschiedener Sponsoren, die ihnen Expeditionen an entlegene Orte dieser Welt finanzieren, an denen neue Routen in den Berg geschlagen und geklettert werden.

Gerade waren die beiden für einen Monat in Patagonien. Bei solchen Unternehmungen sind sie an einem einzigen Klettertag manchmal mehr als 20 Stunden unterwegs und schlafen bei längeren Besteigungen an der Bergwand, in speziell dafür gefertigten Liegen, sogenannten Portaledges. "Bei einer solchen Expedition reduziert sich das Leben auf das Nötigste, auf das Essenzielle. In Patagonien hatten wir das große Glück, ganz neue Routen eröffnen zu können. Die wilde Landschaft Patagoniens ist ein fantastischer Ort, um zu klettern", erklärt Eneko voller Enthusiasmus.

Die ständige Suche nach Finanzierungsmöglichkeiten und Sponsoren ist schwierig und wird komplizierter. "Die Sponsoren wollen, dass sich ihr Investment schnellstmöglich bezahlt macht, sie wollen Resultate sehen. Aber eine Expedition ist langwierig und manchmal sind eher drei oder vier Expeditionen am gleichen Berg nötig, um eine wirklich gute Route zu finden, um etwas Einzigartiges zu machen", sagt Iker über die finanzielle Problematik.

Für die Sponsoren, die oftmals bekannte Kleidungsfirmen und Ausrüster sind, ist der wachsende Klettermarkt attraktiv. Im Jahr 2013 fand der Deutsche Alpenverein (DAV) heraus, dass von seinen rund eine Million Mitgliedern die Hälfte regelmäßig klettert. Im letzten Jahrzehnt ist der DAV kontinuierlich um fünf Prozent jährlich gewachsen und zählt heute insgesamt 1.184.000 Mitglieder.

Die Brüder sind gleichermaßen nicht zu stoppen: Ihr nächstes Projekt steht schon in den Startlöchern, aber sie werden erst in den kommenden Wochen enthüllen, worum es geht und wohin sie die Reise führen wird.

Werden sie bei so viel Unternehmungslust weiter auf Mallorca leben wollen? "Auf jeden Fall!"

INFO KLETTERN LERNEN:
Es gibt viele Möglichkeiten, auf der Insel Klettern zu lernen oder einfach auf eigene Faust loszuziehen. In folgenden Kletterhallen kann man auf Mallorca üben und lernen:

Doble 8 Rocodrom - Centre de Escalada: Calle Cami de Jesus 78, Nave 5, Polígono Can Valero, Palma. www.doble8rocodrom. com

Es Cau Rocòdromo: Calle Pare Francesc Molina 29, Palma. www.rocodromescau.com

Es Rocodrom: Calle Sant Miquel 61 Bajos, Inca. www.esrocodrom.com

Iker und Eneko Pou geben selbst keinen Unterricht, führen aber beispielsweise Teambuildings für Unternehmen durch. Ihre Webseite: www.hermanospou.com

Aktivitäten und Informationen rund um den Klettersport in Deutschland findet man auf www.alpenverein.de und für Spanien auf www.fedme.es

(aus MM 9/2017)