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Wenn ein 19-Jähriger im Sommer nach Mallorca fliegt, führt sein erster Weg normalerweise an den Strand. Patrick hatte dafür aber noch keine Zeit. Nach dem Einchecken im Hotel ging es für ihn direkt wieder zum Flughafen, wo er zwei Stunden zuvor erst gelandet war.

Sein Ziel an diesem heißen Morgen ist ein staubiger Feldweg, an dessen Ende ein kleiner Hügel den Blick auf die Landebahn 06 des Flughafens Son Sant Joan freigibt. Der Stuttgarter gehört der Spezies der sogenannten Planespotter (wörtlich: Flugzeug-Erkunder) an, die einen Großteil ihrer Freizeit damit verbringen, Flugzeuge zu beobachten und zu fotografieren. Seinen Nachnamen will er nicht unbedingt in der Zeitung lesen, ansonsten weiß er sich mit seiner Leidenschaft aber in guter Gesellschaft. Am Stuttgarter Flughafen gibt es eine Gruppe von 100 Luftfahrtfans, die sich in der Aviation Community Stuttgart zusammengeschlossen haben. "Ich mache auch noch normalen Urlaub, den ganzen Tag halte ich es hier nicht aus", sagt er.

Die Technik und die Bewegung der Flugzeuge faszinieren ihn seit mehr als sechs Jahren. Mittlerweile werden seine Fotos auch so, wie er sich das vorstellt. "Berge im Hintergrund, oder der Flughafen. Flieger in der Luft reizen mich weniger, das könnte überall sein", sagt er.

Der Mallorquiner Ricardo Copa bevorzugt am Morgen ein Parkdeck im Industriegebiet Son Oms. Von hier blickt er auf die Landebahn 24 links vom Tower, wo die Flugzeuge landen, im Hintergrund sieht man das Flughafengebäude. Hier kann Copa ganze Tage verbringen, manchmal werden es sieben Stunden. Mit seinem Job lässt sich das ganz gut verbinden: Er arbeitet bei Air Europa im Kundencenter im Hauptterminal.

Copa, der seine Fotos als "bluerick" veröffentlicht, achtet besonders auf spezielle Lackierungen wie bei der "Norwegian Airline", die gerade landet. "Der hintere Teil ist immer anders gestaltet, sie haben eine Serie mit Porträts verschiedener Persönlichkeiten", erklärt Copa. Ein Blick in seinen "Painted Sky" (Gemalter Himmel), der Bibel für Flugzeugbeobachter, gibt Aufschluss: Das Porträt zeigt den norwegischen Historiker Ludvig Holberg. Die Planespotter-Bibel bringt es auf den Punkt: Für die Planespotter gehören die Flugzeuge zu einem Gesamtkunstwerk am Himmel.

Copas Herz geht vor allem bei älteren Flugzeugmodellen auf, wie der 30 Jahre alten MD83, die gerade zum Start fährt. "Die riecht bis hierhin nach Kerosin und macht Lärm, das gibt es heute nicht mehr", sagt er. Am liebsten würde er die Flugzeuge mit nach Hause nehmen. "Da das nicht geht, machen wir eben die Fotos", sagt er und lacht.

Luis kommt herüber und will wissen, ob Ricardo die Registriernummer gesehen hat. Auch ihn interessiert das alte Flugzeug. Gleichgesinnte trifft der 35-Jährige regelmäßig. Rund 15 sind bei der AFAM, der Vereinigung der Luftfahrtfotografen auf Mallorca organisiert und treffen sich regelmäßig. Auf Internetseiten wie flightradar24.com informieren sie sich regelmäßig über Neuigkeiten, etwa neue Lackierungen oder neue Flugzeugtypen. Vor einer Woche wurden sie zum ersten Mal vom Flughafenbetreiber Aena eingeladen. "Das war aber eine Ausnahme", sagt er. Eine Zeit lang war man nicht so gerne gesehen, vor allem, wenn geheime Dinge passierten. "Den Zwischenstopp amerikanischer CIA-Flüge nach Guantánamo auf Mallorca, den haben wir dokumentiert. Da gab es kein Leugnen mehr", sagt Copa mit einem Anflug von Stolz.

Woanders seien die Plane Spotter wesentlich willkommener, hätten ihre eigenen Beobachtungstribünen. Wie etwa in Heathrow, einem seiner Lieblingsflughäfen. Jeweils für drei Tage ist er schon zweimal nach London geflogen - ohne die Stadt zu sehen, dafür hatte er zu viel Zeit an den beiden Flughäfen verbracht, sagt er lachend. Seine Mutter, die ihn früher zum Flughafen mitgenommen hat, um Flugzeuge zu schauen, staunte nicht schlecht, als sie erfuhr, dass es noch mehrere dieser "Spezies" gibt.

Patrick aus Stuttgart hat seinen Urlaub mittlerweile auch schon wieder beendet und sichtet die Fotos. Vielleicht kommt er wieder mal nach Mallorca. Einen Wunsch hätte er schon: "Eine alte 707 der spanischen Luftwaffe, wo hinten noch Ruß herauskommt. Das wäre ein Highlight."

(aus MM 27/2014)