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Am Anfang kamen sie aus dem Wasser ans Land, lernten langsam, sich auch außerhalb des nassen Elements zu bewegen und zu überleben. Eine neue Spezies entstand, allerdings keine Lebewesen aus der Urzeit menschlicher Evolutionsgeschichte. Sondern kalifornische Surfer, die sich – glaubt man den Erzählungen der Insider – an windstillen Tagen langweilten und die Idee hatten, Inline-Achsen und Räder unter ihre Boards zu schrauben, um über asphaltierte Straßen zu rollen.

Die langen Surfbretter wichen schnell neu entwickelten, kurzen Plastikbrettern - und so entstanden die ersten Skateboards, aus denen später auch die etwas längeren "Longboards" hervorgingen.

Anfang der 1950er Jahre sei dies gewesen, schätzt Patrick Falk, der erste Boom fand Mitte der 1960er Jahre statt. Der schwedische Ex-Skate-Boardprofi und Inhaber des einzigen Longboardshops auf den Balearen, "Beyond 76", erkannte im Longboarding vor zwei Jahren einen Trend, der sich inzwischen auch auf Mallorca durchgesetzt hat. Die Insel gilt unter Longboardern sogar weltweit als "El Dorado" für "Downhill" oder "Slidefahrten".

Im Gegensatz zu Skateboards gehe es bei diesen Brettern weniger um Sprünge und Drehungen, sondern eher um Geschwindigkeit und Bremsgeschicklichkeit. Die Community auf der Insel sei zwar noch überschaubar, doch Longboarding gehöre heute zu den am schnellsten wachsenden Sportarten der Welt.

Sicherheit, so betont Patrick Falk, sei bei diesem Sport enorm wichtig. Nicht nur der Schutz des Körpers beim Fahren, also von Knien, Handflächen, Ellenbogen und Kopf durch entsprechende Ausrüstung, sondern auch durch Planung und Risiko-Bewusstsein: Auf welchen Strecken kann man mit den Brettern entlangsausen und wo nicht? Autos seien die größte Gefahr.

"Wir kennen hier fast alle Jugendlichen, die mit den Brettern über die Insel düsen, und sehen zum Glück, dass sie es inzwischen mit der Sicherheit sehr genau nehmen." Beliebte Übungsplätze seien der Parkplatz des Sportstadions bei Son Moix in Palma oder Straßen in Neubaugebieten, die noch nicht für den Verkehr geöffnet sind. "Wer über Bergstraßen rollt, muss sich des Risikos bewusst sein."

Einer der Passionierten ist der deutsche Mallorca-Resident Leif Marks, der über Snowboarding und Surfen zu dem Streetsport kam. Der 18-jährige Student begann vor drei Jahren mit dem Longboarden, im Dezember 2011 wurde er bei der Weltmeisterschaft "Hotheels Africa" im südafrikanischen Pringle Bay Sechster seiner Altersklasse. Bei dem Event des Verbandes IGSA (International Gravity Sports Association) traten die besten Longboarder der Welt an, und viele von ihnen, erzählt Leif, seien auch schon oft über die Bergstraßen Mallorcas gerollt.

Wie die amtierende Schweizer Weltmeisterin Rebecca Gemperle zum Beispiel oder der deutsche Longboarder Stefan Risch, IGSA-Worldchampion 2011, die erst vor einigen Wochen wieder auf der Insel waren. "Ich habe schon mit Fahrern aus der ganzen Welt gesprochen, die alle der Meinung sind, dass wir hier auf Mallorca mit unseren Bergstraßen eine der schönsten Destinationen für Longboarder überhaupt haben", weiß Leif zu berichten. Er selbst, ebenso wie die Gruppe seiner Freunde, ist besonders von der "Downhill-Variante" begeistert.

Beim Training sowie bei den Rennen, zu denen die Teilnehmer in Ganzkörper-Lederanzügen und Integralhelmen antreten müssen, geht es ausschließlich um Geschwindigkeit – nichts für Zuschauer mit schwachen Nerven. Was ist so faszinierend daran, mit bis zu 100 Stundenkilometern den Berg auf einem kleinen Kunststoffbrett hinunterzusausen?

Max Campbell, einer aus der Gruppe von Engländern, Schweden, Spaniern und Deutschen, die auf Mallorca schon seit einigen Jahren die Liebe zu den Longboards teilen, beschreibt es so: "Wenn du richtig schnell den Berg runtersaust, erreichst du eine seltsame Art von Ruhe - so, als ob alles an dir vorbeirauscht, und du bist der stille Mittelpunkt der Welt."

In jedem Moment sei man sich aber auch bewusst, dass die kleinste falsche Bewegung fatale Folgen haben könne. Nervenkitzel pur also. Aber, so auch Leif: Durch die Notwendigkeit, bei Downhill-Fahrten hoch konzentriert zu fahren, sei man innerlich vollkommen ruhig.

Auch auf Geschicklichkeit komme es an, so Leif weiter, besonders bei den Varianten "Freeride", bei dem es darum geht, das Board kontrolliert ausbrechen zu lassen und es quer zur Fahrtrichtung zu stellen, oder beim "Slalom"oder "Dancing". Letzteres bezeichnet alle Arten, sich laufend auf dem Longboard fortzubewegen, "mit Crossstepping, Spins, oder Pirouetten, da sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt".

Wie bei vielen Sportarten kann die Ausrüstung teuer werden - ein Problem, das viele Boardshops durch Sponsoring der besten Fahrer zu lösen versuchen. Ein gutes Brett kann bis zu 1000 Euro kosten, die Kosten für Helm und Anzüge können in den vierstelligen Bereich gehen. "Ich bekomme inzwischen meine Bretter und anderes Zubehör vom 'B76'-Shop, und werde auch von der schwedischen Marke 'Dr. Longboard' gesponsert", sagt Leif.

Sein kostbarstes Brett ist allerdings eher von sentimentalem Wert: Von der WM in Südafrika konnte er als Ehrenpreis für den "sympathischsten Nachwuchssportler" ein handsigniertes Longboard mit Unterschriften der "Hotheels"-Gewinner Mischo Erban (Kanada) und Douglas Dalua (Brasilien) mit nach Hause nehmen.