Alejandro del Campo. | Mallorca Magazin

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Es genügt, „Modelo 720” zu sagen, und Alejandro del Campo redet sich in Rage. Der große, hagere Jurist und Steuerberater, der eine Kanzlei gleich neben dem Olivar-Markt in der Inselhauptstadt führt, findet klare Worte: „Diese von der spanischen Regierung eingeführte Regelung, die ausländische Residenten mit Steuersitz in Spanien dazu nötigt, ihr Auslandsvermögen ab 50.000 Euro offenzulegen, verstößt ganz klar gegen zwei Grundprinzipien des EU-Rechts – die Personenfreizügigkeit und den freien Kapitalverkehr.”

Das sogenannte „Modelo 720” war 2012 von der konservativen PP-Regierung unter Mariano Rajoy eingeführt worden und gibt der spanischen Steuerbehörde „Agencia Tributaria” die Möglichkeit, Steuerinländer mit Auslandsvermögen mit horrenden Bußgeldern zu bestrafen, falls sie ihr Hab und Gut nicht offenlegen. „Es genügt bereits, wenn man sich mit seinen Geschwistern Anteile an einer 100.000-Euro-Immobilie teilt”, so der Anwalt. „Es ist nicht entscheidend, ob man selbst nur zu einem Viertel daran beteiligt ist, sondern welchen Gesamtwert das Haus hat.” So etwas wissen viele gar nicht.

„Ich habe Kunden, die haben Angst, alles zu verlieren. Einer hat sogar einen Herzinfarkt bekommen.” Der Grund seien die extrem hohen Strafen.

„Sie liegen bisweilen bei 150 Prozent des eigentlichen Auslandsvermögens”, so del Campo. „Einer meiner Klienten hatte seit mehreren Jahrzehnten 300.000 ersparte Euro auf einem Schweizer Konto. Da er kein „Modelo 720” eingereicht hatte, soll er nun mehr als 440.000 Euro Strafe zahlen, das ist doch völlig absurd. Der Staat zielt hier mit einer scharfen Waffe auf einfache Sparer.” Obwohl die EU-Kommission bereits 2017 die spanische Regierung dazu aufgefordert hat, die Norm zu modifizieren, ist bis heute nichts geschehen.

„Das hat auch politische Gründe”, erklärt der Anwalt. „Stellen Sie sich vor, die PP schwächt die Norm ab, da hieße es doch sofort, die Konservativen wollten wieder die Reichen vor Strafverfolgung schützen. Umgekehrt trauen sich die mittlerweile regierenden Sozialisten auch nicht dran, da sie keine Wähler verprellen wollen. Was die meisten aber nicht verstehen ist, dass es hier gar nicht darum geht, große Steuersünder dranzubekommen. Vielmehr leiden unter den Vorgaben die vielen ‚normalen’ EU-Ausländer wie Deutsche, Schweden oder Franzosen, die vielleicht 60.000 Euro Ersparnis irgendwo liegen haben.”

Warum die Norm gegen EU-Recht verstoßen soll? „Ganz einfach”, so del Campo. „Wer erst sein Hab und Gut in Deutschland verkaufen muss, um in Spanien nicht vom Fiskus ‚gejagt’ zu werden, der ist eindeutig in seiner Personenfreizügigkeit gestört. Vom freien Kapitalverkehr ganz zu schweigen.”

Ähnlich sieht das übrigens auch die EU-Kommission, die Spanien mehrfach darauf hingewiesen hat, dass sie Zweifel an der Vereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht hegt. Del Campo geht deshalb davon aus, dass der Fall bald beim EU-Gerichtshof in Luxemburg liegen könnte. „Und wenn Spanien da erst mal auf der Bank Platz nehmen muss, wird es sicher nicht mehr mit der scharfen Waffe auf EU-Ausländer zielen.”

Einen ersten Rückzieher der spanischen Behörden will del Campo bereits erkannt haben. Der Chef der spanischen Finanzbehörde hat bereits signalisiert, Residenten in Zukunft darüber zu informieren, dass sie gegebenenfalls ein „Modelo 720” einreichen müssen. „Die Behörden hier haben ja dank bilateraler Verträge die entsprechenden Infos. Jetzt wollen sie Ausländer offenbar nicht mehr ins offene Messer rennen lassen und zumindest vorab darüber informieren, dass sie in Kenntnis über die finanzielle Lage des jeweiligen Residenten sind.”

Geht es nach dem Anwalt, ist das „Modelo 720” aber ohnehin bald Geschichte. „Landet der Streit vor dem EU-Gerichtshof gehe ich davon aus, dass die Richter die Norm in spätestens zwei Jahren für ungültig erklären.”