Die inoffizielle "Estelada"-Flagge Kataloniens. | Wikimedia Commons

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Die Separatisten in Barcelona haben am Freitag die Unabhängigkeit proklamiert. In einer am Nachmittag beschlossenen Parlamentsvorlage ist die Rede von einem "unabhängigen souveränen Staat auf demokratischer und sozialer Grundlage".

Eine knappe Mehrheit aus Junts pel Sí und CUP setzte die Deklaration durch – gegen einen Boykott der Opposition. 70 Abgeordnete stimmten mit ja, zehn mit nein, und zwei enthielten sich. Insgesamt verfügt die Separatisten-Koalition über 72 Abgeordnete im Regionalparlament mit seinen 135 Sitzen. Ob es sich formal um eine Unabhängigkeitserklärung handelt oder nicht, ist unter Juristen umstritten, da sich die kritischsten Formulierungen des Dokuments nicht in der eigentlichen Resolution befinden, sondern in der Begründung. Nach der Bekanntgabe des Stimmenergebnisses sangen die Angeordneten spontan die das alte katalanische Volkslied, Els Segadors (deutsch: ‚Die Schnitter'), das bei Separatisten den Nimbus einer Nationalhymne hat.

Darüber hinaus soll nun das spanische Recht seine Geltung verlieren, jedoch vorübergehend in einem neuen katalanischen Rahmen weitergeführt werden. Ein bereits im September beschlossenes und postwendend vom Verfassungsgericht annulliertes "Gesetz zum Übergang der Rechtsordnung" (Ley de Transitoriedad Jurídica) beinhaltet auch eine provisorische Verfassung, in der dem Regierungschef eine Rolle als "Präsident der Republik" zugeschrieben wird.

Allerdings dürfte dem katalanischen Ministerpräsidenten Carles Puigdemont wohl eher die Verhaftung oder das Exil drohen. Der spanische Senat hat jedenfalls noch am Nachmittag grünes Licht für seine Absetzung und die Aufhebung der Autonomie im Rahmen des Verfassungsartikels 155 gegeben. 214 Senatoren stimmten mit ja, 47 mit nein, einer enthielt sich. Unterstützung gab es nicht nur aus der konservativen Volkspartei PP und von den liberalen Ciudadanos sondern auch von der sozialistischen PSOE.

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Ob diese Entscheidung sogleich umgesetzt wird oder erst in den kommenden Tagen, war zunächst offen. Die spanische Regierung wird zu einer Sitzung zusammenkommen, um über die praktische Durchführung zu beschließen. Dies sollte laut Medienberichten noch am Freitagnachmittag vor der anstehenden Veröffentlichung im Staatsanzeiger geschehen.

Ministerpräsident Rajoy trat vor die Kamera, bat die Spanier um Ruhe und versprach die "Wiederherstellung der Legalität durch den Rechtsstaat". EU-Ratspräsident Donald Tusk twitterte, dass Spanien weiterhin der einzige Gesprächspartner der europäischen Regierungen sei. Gleichzeitig appellierte er aber an alle, nicht auf Gewalt zu setzen, sondern auf Argumente.

Nach den vielen überraschenden Wendungen vom Donnerstag hielten Beobachter bis zuletzt eine Einigung "in extremis" für denkbar. Zudem könnte der Artikel 155 womöglich erst nach und nach angewendet werden und somit Spielraum für weitere Verhandlungen bieten. Das katalanische Parlament hat im Übrigen für einen "konstituierenden Prozess" votiert, um die Staatsbildung voranzutreiben. Dabei ist eine Bürgerbeteiligung vorgesehen, und bis Mitte November soll eine Verfassungskommission zusammentreten. In sechs Monaten könnte laut diesen Planungen eine verfassunggebende Versammlung gewählt werden.

In Barcelona stehen zahlreiche Polizeikräfte bereit; die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen "Rebellion". Gleichzeitig rufen Separatisten zu Massenprotesten auf, "um die Republik zu verteidigen". Es wird darüber spekuliert, dass sich führende Politiker in die französische Grenzregion um Perpignan absetzen könnten, die ebenfalls zum katalanischen Kulturkreis gehört. (mic)

aktualisiert um 17.46 Uhr