Badegäste stehen Schlange, um einen der wenige Strandplätze in der Traumbucht Caló des Moro zu ergattern. | Jaime Mora

TW
2

Traumstrände haben es nicht leicht in Zeiten von Instagram. Als vor wenigen Tagen Santanyís Bürgermeisterin Maria Pons mit der Aussage in Erscheinung trat, die kleine Badebucht Caló des Moro benötige dringend "eine Atempause" vom täglichen Ansturm der Massen, war die Aufregung groß. An manchen Tagen, argumentierte das Gemeindeoberhaupt, würden den gerade einmal 30 Meter langen Sandstreifen vor türkisfarbenem Wasser bis zu 4000 Badegäste aufsuchen. Auf dem Nachhauseweg würden diese, versteckt in Handtüchern und zwischen den Zehen, nicht selten ungewollt 50 Kilogramm Sand "mitgehen" lassen. Fast flehend bat Pons Influencer, davon Abstand zu nehmen, die Schönheiten von Caló des Moro in die weite Welt hinauszuposaunen.

Ein paar Tage später, am zurückliegenden Sonntag, fanden sich dann gut 300 Mallorquiner an dem Traumstrand im Südosten Mallorcas ein. Die ersten breiteten, so wusste die MM-Schwesterzeitung "Ultima Hora" zu berichten, ihre Handtücher bereits kurz nach acht Uhr im feinen Sand aus. Damit wollten sie symbolhaft unterstreichen, dass für sie als Einheimische nur noch zu ungewöhnlichen Zeiten ein Besuch in der Caló des Moro möglich sei. Zur besten Badezeit sei der Strand fest in Händen von Besuchern aus Alemania und anderen Ländern. Konsequenterweise stand das von Mallorca Platja Tour organisierte Happening unter dem Hashtag "Ocupem Les Nostres Platges" (Laßt uns unsere Strände zurückgewinnen!).

Mit Kindern, Picknickkörben und allerlei Strandutensilien schickten sich zahlreiche Mallorquiner am vergangenen Sonntag also an, die verloren geglaubte Caló des Moro zumindest stundenweise wieder für sich zu beanspruchen. Ortsansässige Medien berichteten anschließend von einer "ausgelassenen Festivalsstimmung", an der auch auswärtige Urlauber teilhaben durften. Denn die Teilnehmer erwiesen sich als bestens vorbereitet. Mit Handzetteln, die in mehreren Sprachen verfasst waren, klärten sie verdutzte und nicht geladene Strandbesucher aus nördlichen Gefilden darüber auf, was der Hintergrund ihrer Aktion war. Viele zeigten "Ultima Hora" zufolge Verständnis, ein paar wenige schüttelten ungläubig mit dem Kopf.

Ähnliche Nachrichten

Um die Mittagszeit sollte die bis dahin friedvolle Happeningstimmung doch noch getrübt werden. Aus dem Nichts erschienen Beamte der Guardia Civil, die sich vereinzelt Teilnehmer des Happenings vornahmen. In einem nicht immer freundlichen Ton baten sie diese um ihre Lichtbildausweise, um deren Personalien aufzunehmen. So mancher Mallorquiner in tropfender Badehose habe erst einmal das Handtuch mit seinen Habseligkeiten aufsuchen müssen, wussten die lokalen Medien zu berichten. Während der Veranstalter tags darauf von "Einschüchterungsversuchen" seitens der Guardia Civil sprach, begründeten die Behörden das forsche Auftreten damit, "dass es sich um eine nicht angemeldete Demonstration" gehandelt habe.

Ungeachtet juristischer Spitzfindigkeiten schlug sich am folgenden Montag auch die balearische Ministerpräsidentin Marga Prohens auf die Seite der Happening-Veranstalter. Sie zollte den Teilnehmern "größten Respekt" und bediente sich in ihrer Wortwahl bei der Bürgermeisterin von Santanyí: Caló des Moro sei ein natürliches Kleinod, das geschützt werden müsse und einer Atempause bedürfe. Widersprechen wollte der Regierungschefin mit dieser Aussage ausnahmsweise niemand. Seit Monaten, verstärkt aber in den zurückliegenden Wochen, hat sich in der mallorquinischen Gesellschaft eine Mischung aus Ohnmacht und Zorn festgesetzt. Für viele auf der Insel scheint ausgemacht, dass es für Wohnungsnot und Dauerstau auf den Straßen nur einen Verantwortlichen geben kann: den Massentourismus.

Erst Ende Mai war Mallorcas Metropole Palma Schauplatz einer Großdemonstration gegen die Auswüchse des Massentourismus gewesen. Schätzungsweise 10.000 Menschen machten vor den Augen erstaunter Urlauber vor allem ihren Unmut über horrende Mieten Luft. Die stundenweise "Besetzung" der Traumbucht Caló des Moro sahen Politbeobachter als logischen nächsten Schritt bei dem Versuch, unter der Bevölkerung für ein Bewusstsein zu werben, dass es ein Weiter-so nicht geben kann. Mittlerweile ist der Funken auch auf die Politik übergesprungen. Ministerpräsidentin Prohens kündigte bereits vor Wochen ein Maßnahmenpaket an, mit dem die friedvolle Koexistenz von Einheimischen und Gästen wiederhergestellt werden soll.