Die Höhlen von Campanet lassen den Besucher staunen. | 
Andi Nowey

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Ein Geheimtipp ist spätestens dann keiner mehr, wenn er als solcher tituliert und in Reiseführern und Publikationen angepriesen wird. Das hat man schon bei diversen Badebuchten oder einstmals exklusiven Sehenswürdigkeiten erlebt, die durch die mediale Ausschlachtung ihrer Ursprünglichkeit beraubt wurden. Ein echtes Kleinod im Herzen von Mallorca, dem dieses Schicksal noch nicht widerfahren ist, sind die Höhlen von Campanet. Möglicherweise liegt das an der Lage, vielleicht auch am bislang defensiv ausgerichteten Marketing der Höhlen-Verwaltung. Und das, obwohl sich dieser Ort im Vergleich zu den anderen Höhlen der Insel nicht zu verstecken braucht.

Fast schon familiär und bescheiden wirkt das Ambiente in und rund um die Höhle, die Abgeschiedenheit vermittelt ein Gefühl der Geborgenheit – fast schon ein Paradoxon, wenn man bedenkt, dass es eben genau jene Gegebenheiten sind, die bei einer bestimmten Menschengruppe Ängste verursachen. "Alle Höhlen auf Mallorca sind unterschiedlich und besonders, entweder nach Größe oder nach Art der Formation. Unsere Höhle zeichnet sich zum Beispiel durch Speläotheme, also Höhlenmineralien, sowie beispielsweise konische und kubische Stalaktiten, lange, feine und sehr zarte Spaghetti, große Säulen und Stalagmiten aus", berichtet Maria Elionor Segura vom Besucherzentrum.

An der Autobahn von Palma in Richtung Alcúdia deutet, kurz bevor die Autobahn endet und in eine Landstraße mündet, ein Schild am Straßenrand auf diese Höhlen hin – mehr aber auch nicht. Schon alleine die kleine Kreisstraße, die die Zufahrt zu dieser Stätte bildet, scheint gegen einen drohenden Massentourismus anschreien zu wollen. Der große Parkplatz, der durch Zypressen und Bougainvillea-Pflanzen fast schon toskanisches Flair versprüht, ist selten voll, ein paar Treppen führen zu der an einer Erhöhung gelegenen Besucherplattform. Gestaltet wurden die Außenanlagen einst vom Architekten Josep Ferragut, der auch für das Gesa-Hochhaus in Palma und die Franziskaner-Kirche La Porciúncula in Arenal verantwortlich zeichnete. Er hat die Terrassen liebevoll in die Landschaft eingefügt.

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Die Campanet-Höhlen, die vom namensgebenden Ort gute vier Kilometer entfernt liegen, haben das ganze Jahr über gleichbleibende Temperaturen von 22 Grad und bestehen aus drei Haupträumen: dem sogenannten Palmenzimmer, dem Seezimmer und dem Romantikzimmer. Dabei entsprang der Fund dieser Höhle fast schon einem Zufall: Die regionalen Bauern vernahmen stets einen kühlen Luftzug, der aus einem kleinen Loch in den hiesigen Bergen entsprang. Einer von ihnen, Bartomeu Palou i Bennàsser, vermutete einen unterirdischen Grundwasserstrom, sodass das Loch im Juni 1945 erweitert und die Höhlen entdeckt wurden. Nachdem sie 1948 für Besucher geöffnet wurden, fand ein regelmäßiges Zusammenspiel mit Wissenschaftlern und Geologen der Universität der Balearen und des Instituts für Geologie und Bergbau in Spanien statt. „Das biologische Erbe in dieser Höhle ist sehr umfangreich, sogar erst im Jahr 2013 wurde eine neue Art von höhlenbewohnenden Arthropoden entdeckt, die nur in dieser Höhle zu finden sind”, führt Segura weiter aus. Arthropoden sind Gliederfüßer, zu denen bestimmte Insekten, Tausendfüßer oder Krebstiere zählen.

In den Höhlen von Campanet gibt es besondere Formationen zu begutachten.

In den vergangenen Jahren hat sich auch das Besucherkonzept für die Campanet-Höhlen verändert, erklärt Segura weiter: "Seit der Pandemie haben wir uns für einen nachhaltigeren Tourismus entschieden. Wir haben Besucher angesprochen, die sich für die Natur, den Respekt vor der Umwelt und bleibende Erlebnisse interessieren. Wir versuchen, die Höhle und ihre Umgebung so weit wie möglich zu erhalten. Wenn wir nur wenige Besucher empfangen, sollen diese aber in ihrem eigenen Tempo durchgehen, sie sollen die Höhle respektieren und sich einen Moment Zeit nehmen, um sich eine Erinnerung zu schaffen."

Heißt: Im Gegensatz zu früher sind die geführten Touren – die damals einzige Möglichkeit der Besichtigung – abgeschafft. Fotografieren, vor der Pandemie ebenfalls in der Höhle verboten, ist nun genehmigt und erlaubt es jetzt, atemberaubende Eindrücke festzuhalten. Höhepunkt des Rundgangs ist das Romantikzimmer, verrät die Segura ihren persönlichen Favoriten. In der Mitte zweier Säulen befindet sich dort ein etwa drei Meter langer und lediglich zwei Millimeter breiter, nudelförmiger Stalaktit. "Es ist sehr schwierig, geologische Formationen mit diesen Merkmalen zu finden, weil sie so lang und dünn sind, und dadurch so zerbrechlich."

Der Rundgang ist durch die angelegten Wege gut zu absolvieren, wenngleich das eine oder andere Mal der Kopf eingezogen oder der eigene Körper in eine unnatürliche Schräglage gebracht werden muss, um eine Felsformation zu passieren. Doch das alles nimmt man gerne in Kauf. Bleibt zu hoffen, dass nachfolgende Besuchergeneration die Offenheit und Freizügigkeit in der Höhle buchstäblich nicht mit Füßen treten und das Erbe von Millionen Jahren nicht zerstören.