Versteckt im Keller zwischen allerlei Dingen, die sich über viele Jahre hier angesammelt haben, steht Jennys ganz eigene Zeitmaschine. Eine unscheinbare Kiste enthält die Dinge, die der Frankfurterin in den vergangenen 38 Lebensjahren lieb und teuer geworden sind. Es sind hauptsächlich Erinnerungsstücke, Tagebücher, Fotos und Post. Stöbert sie in der eigenen Vergangenheit, sind es immer wieder besonders die Briefe, Bilder und ein 17-seitiger Tagebucheintrag aus dem Mallorca-Urlaub 1998, an der ihre Aufmerksamkeit hängen bleibt.
Am Pool des Hotels Alcúdia Park entdeckt die damals 14-Jährige den zu diesem Zeitpunkt 16-jährigen Alexander. „Ich weiß noch, dass er braungebrannt, in seiner gelben Badehose und mit seinen blonden langen Haaren für mich irgendwie golden geschimmert hat.” Auch der Oberösterreicher wirft in diesem Moment ein Teenie-Auge auf seine Jenny. „Ich erinnere mich, dass wir eine große Gruppe Teenager waren und wir zwei uns zwar immer wieder angeschaut, aber uns auch irgendwie nicht aneinander herangetraut haben.” Schließlich habe er sich ein Herz gefasst und nach einem Spaziergang zum Sonnenuntergang am Strand gefragt. „Sie hat mich drei Tage hintereinander abblitzen lassen”, grinst der heute 40-Jährige, als er daran zurückdenkt.
Als sie schließlich doch einwilligt, verbringen die beiden einen magischen Abend miteinander, erinnert sie sich. „Wir haben uns am Strand das erste Mal geküsst und es war wie ein Blitz, der mich durchfahren hat. Ich fand seine weichen Lippen damals schon toll.” In den wenigen verbleibenden Urlaubstagen verbringen die beiden so viel Zeit wie möglich miteinander. Irgendwann kommt dann aber doch der unumgängliche Abschied.
Zurück in Deutschland schreiben sich die Teenager eine Weile und telefonieren sogar das eine oder andere Mal. Irgendwann passiert jedoch das, was mit den meisten Teenie-Urlaubsromanzen früher oder später geschieht. Die Zeit vergeht, der Kontakt schläft ein und aus Jugendlichen werden Erwachsene. Sowohl Jenny als auch Alexander verlieben sich neu, heiraten und gründen eine Familie. „In all den Jahren konnte ich Alex aber nie ganz vergessen. Ich habe in meiner Erinnerungskiste oft Tabula rasa gemacht. Aber seine Fotos und Briefe konnte ich nie wegwerfen.”
„Jenny hat dir eine Freundschaftsanfrage geschickt”, vermeldet 2012 völlig unerwartet Alexanders Facebook-Account. „Ich wusste, dass er Kart-Sport betreibt, und dann habe ich ihn gegoogelt”, erzählt die Frankfurterin. Es sind unverfängliche Nachrichten über Familie und Beruf, die die beiden austauschen, bevor es wieder still wird. Erst „Alles Gute im neuen Jahr” ist der nächste kurze Nachrichtenaustausch im Chat zum Jahreswechsel 2020/2021.
Mittlerweile geschieden, fährt Alexander mit einem Freund im Juni 2021 nach Alcúdia und schickt erneut eine Messenger-Nachricht: „Schau mal, wo ich bin.” Die beiden schreiben zunächst und telefonieren anschließend miteinander. „Es war sofort wieder eine Verbindung zwischen uns, schwärmt die 38-Jährige und erzählt weiter, „Ich weiß, das klingt komisch, aber ich wollte irgendwie dort sein, wo er war”. Zusammen mit einer Freundin geht es deshalb auch für Jenny zeitnah auf den Spuren der Vergangenheit in den Inselnorden.
„Er hat mir gesagt, dass er etwas für mich hinterlassen hat, und zwar vergraben in der Anlage des Hotels von damals.” Unter den irritierten Blicken der Angestellten und der Hotel-Gäste findet sie schließlich die Nachricht. „Jenny und Alex” mit einem gezeichneten Herz darunter. „Das war der Wink mit dem Zaunpfahl vom Universum. Danach wusste ich, dass ich nicht länger in meiner alten Beziehung bleiben kann und will.” Zurück in Deutschland macht sie deshalb als Erstes reinen Tisch mit ihrem Noch-Ehemann. Wenige Wochen danach sehen sich die beiden 23 Jahre nach ihrem Urlaubsflirt zum ersten Mal wieder. „Ich hab sie da stehen sehen und es war genauso magisch wie damals auf Mallorca”, erzählt Alexander.
„Ich wusste einfach, Jenny ist die Richtige für mich.” Seitdem sind die beiden ein Paar, das aufgrund der verschiedenen Lebensmittelpunkte versucht, sich so oft wie möglich zu sehen. „Ich denke, ich werde zu ihm in die Nähe von Linz ziehen. Ich mag die Berge.” Als ersten gemeinsamen Urlaub hatten sich die Jung- oder auch Altverliebten für Mallorca entschieden. Das Hotel ihrer Wahl war selbstverständlich das Alcúdia Park, das, auch wenn es heute vollkommen anders aussieht als damals, für die beiden immer der Ort bleiben wird, wo alles vor so vielen Jahren begann.
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