Es ist laut vor der „Bar Nou” im malerischen Hügeldorf S’Alquería Blanca. Ob Lkw oder Krankenwagen, so ziemlich alles zwängt sich hier gegen 11 Uhr auf der zentralen Straße durch. Dass eine Umgehungsstraße nicht die schlechteste Idee ist, ist auch Simone Kiesow und Susanne Helmes klar. Doch muss diese unbedingt über das Grundstück der seit geschlagenen 31 Jahren auf der Insel wohnhaften beiden deutschen Residentinnen führen? „Es gab mehrere geplante Streckenführungen”, sagt Simone Kiesow. „Am Ende entschied sich die Gemeinde Santanyí für die, die durch unseren Gemüsegarten führt.” Die Frauen und weitere Mitbewohner beziehen Strom aus Sonnenkollektoren, dem Umweltschutz haben sie sich voll und ganz verschrieben. Drei Parteien leben auf einer etwa 200 Jahre alten Finca.
Noch wurde mit Bauarbeiten nicht begonnen, aber bald ist offenbar damit zu rechnen, wenn das Projekt nicht – wie so vieles in Spanien – wegen Geldmangels auf die lange Bank geschoben werden sollte. „Das ist bereits seit vielen Jahren in Planung”, sagt Susanne Helmes. Dass es jetzt im Sommer laut zugehe, sei halt so, ab dem Herbst werde es dagegen schlagartig ruhig an der Straße, die den malerischen Ort mit den vielen Gebäuden aus Marèssteinen durchschneidet und ihn mit dem nahen Santanyí und den momentan wuseligen Touristenorten Portopetro und Cala d’Or verbindet.
Jenseits der Hauptstraße ist es auch derzeit still. Schlendert man durch die Gassen, kann es passieren, dass einem Dorfhunde nachstellen oder alte Frauen beim Bürgersteigkehren grüßen. „Es ist authentisch hier”, sagt Simone Kiesow. Zwar gebe es ausländische Bürger wie sie, aber lange nicht so viele wie im nahegelegenen Santanyí. Bundesbürger hätten den Ort ohnehin erst nach Briten und Franzosen für sich entdeckt.
S’Alquería Blanca ist ein ungeschliffenes Juwel. Eingenommen von der Ursprünglichkeit des Dorflebens – dienstags findet hier ein kleiner Markt statt – kann man vom Hügel aus in der Ferne die Traumbuchten S’Amarador und Cala Mondragó erkennen. Vier Kilometer sind dies in etwa, keine lange Strecke für Menschen, die gut zu Fuß sind. „Für die Einwohner hier ist diese Gegend das Naherholungsgebiet”, weiß Simone Kiesow. Und bald soll dieses Idyll von der Betontrasse durchschnitten werden. Man werde von der Gemeinde gar nicht informiert, wie der Stand der Dinge sei, sagt Susanne Helmes. „Alles läuft hier im Geheimen ab.” Von Transparenz könne nicht die Rede sein. Alles, was innerhalb des Straßenrings liege, werde Bauland, so Simone Kiesow.
Areale, die auch die Immobilienunternehmerin Lucie Hauri interessieren dürften. 38 Jahre ist die Deutsch-Schweizerin bereits in der Gegend aktiv, sie gilt als Kapazität in ihrem Beruf im gesamten Inselsüdosten. „S’Alquería Blanca liegt halt sehr schön”, sagt sie dem MM-Reporter am Telefon. „Es sind liebliche Hügel, die an die Toskana erinnern.” Mit dem beschleunigten Kauf von Fincas habe es in den 90er Jahren begonnen. Nunmehr sei halt in diesem Bereich „nichts mehr da”, jetzt seien Stadthäuser gefragter, was die Preise anziehen lasse.
Ganz am Anfang, in den 80ern, seien die Engländer die Pioniere gewesen. Unter ihnen befanden sich ehemalige Kolonialbeamte, die dem Empire in Indien oder Hongkong gedient hatten und in S’Alquería Blanca ihren Lebensabend genießen wollten. Vielen von ihnen half Lucie Hauri.
Und so merkt man die Internationalität im Schatten der Sant-Josep-Kirche auf Schritt und Tritt. Man hört Deutsch, Englisch, Französisch und natürlich Spanisch sowie Mallorquinisch. Daran dürfte auch die Umgehungsstraße nichts ändern, wenn sie denn kommt. Ein Einschnitt in die Landschaft wäre sie auf jeden Fall, das Dorf-Innere würde aber verkehrsberuhigt. „Vielleicht sollte man auf die Straße verzichten und zunehmend leise Elektroautos einführen”, sagt Simone Kiesow. Doch so richtig scheint sie daran nicht zu glauben.
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