Ja, ein bisschen ist es hier wie früher. In zwei bis drei Lokalen direkt am Hafen plätschert endschicke Laufsteg-Musik. Man schaut sich unwillkürlich um, ob denn die göttliche Claudia Schiffer mit Hut und übergroßer Sonnenbrille umherschwebt. Aber die früher Mallorca-vernarrte Schönheit kommt nicht, da sie ja bekanntlich mit der Insel kaum mehr Kontakt hat.
Dafür stolzieren andere zu den nur leicht wummernden Klängen: Frauen, die zum Teil ein wenig wie die Schiffer daherkommen, aber mehr ein Spiegelbild heutiger Trends sind. Sie nehmen unter anderem in veganen Restaurants Platz, nippen an Fruchtsäften, sind nicht aufgebrezelt und sehen haargenau so aus, als würden sie schon von den nächsten zehn bis 15 Yogastunden träumen. Und davon, auch noch eine Currywurst aus nachhaltiger Tierhaltung oder Rucola-Salat zu vertilgen.
Das Port d’Andratx im Juli 2021 ist eine Mischung aus rustikalem spanischen Flair mit Fischerhäuschen, Mariscos- und Tapas-Restaurants, bürgerlicher mitteleuropäischer Eigentumswohnungsidylle, Immobilienagentur-Filialen und einer durchaus spürbaren Portion von unordinärem Luxus. Die im Vergleich zu anderen Inselorten auffallend vielen italienischen Restaurants rufen die Sehnsucht der hier traditionell dominierenden Deutschen nach wie auch immer südlich gearteter Atmosphäre ins Gedächtnis.
Man gibt sich eher bedeckt-seriös, ökologisch korrekt und alternativ mit glamourösem Touch in dem kosmopolitischen Küstenort an der Traumbucht, der früher ein bescheidenes Fischerörtchen in der Nähe des Wehrturms La Mola war: Von ein paar Sugar-Daddys abgesehen samt ihren auffallend jungen Begleiterinnen fehlen derzeit weitgehend die früher hier nicht unüblichen reichen Söhnchen oder sonstigen Gesellen mit ihren Luxuskarren, die sie imaginären oder real existierenden Bewunderinnen vorführten.
Das mag sicherlich auch daran liegen, dass Gäste aus gewissen osteuropäischen Ecken wohl coronabedingt im Augenblick kaum in Erscheinung treten. Plakativ zur Schau gestellte Jetset-Allüren sind zumindest jetzt nicht sonderlich spürbar. Den klassischen Dreiklang Porsche-Rolex-Vuitton wird es hier zwar noch immer geben, aber mit der frontalen Attitüde von früher wird er den Flaneuren und Kaffeetrinkern zumindest von Mitteleuropäern nicht mehr zugemutet. Schick geht heute anders.
Wer momentan nach Port d’Andratx kommt, erlebt zunächst einmal einen nicht allzu vollen Ort, der noch voller werden dürfte. Er erlebt auch eine gewisse allgemeine Zurückhaltung. Die Preise sind ebenfalls nicht übertrieben hoch, das Bier in der Bar Central kostet lediglich 3 Euro, eigentlich günstig für diesen Ort. Und der Haarschnitt beim Barbier Al Capone ist mit 27 Euro ebenfalls erschwinglich. In nicht wenigen Modeläden kann sich die Dame von Welt mit weiten hellen, zum Teil sogar rosafarbenen Sommerkleidern eindecken, die man für nicht allzu viel Geld erstehen kann. Hinzu kommen die unvermeidlichen Korbtaschen, ein Sinnbild balearisch-warmer Lässigkeit.
Doch Port d’Andratx ist weiterhin ein Ort mit sehr reichen Leuten. Dass hier viel Geld zu Hause ist, sieht man an den zahlreichen teuren Anwesen an den Hängen hinterm Yachthafen und an den schmucken Booten. Aber der Mammon schillert halt eher hintergründig in der Ferne. Im Augenblick dominiert das Geerdete: Der Laden im Hafen mit frisch aus dem Meer geholtem Getier etwa, der um 18 Uhr öffnet. Er zieht eher zurückhaltend auftretende Hausfrauen an, mobilisiert aber auch blonde deutsche Touristinnen in Badelatschen, die das Wort „Garnelen” hauchend formulieren und mit ihren I-Phones wild drauf los filmen. Einige Baustellen stechen ebenfalls ins Auge, überhaupt ist Aufbruchstimmung und Hoffnung auf eine gute Zukunft nach Corona spürbar. Im eher bescheidenen, aber mit wundervollen Blicken auf die Bucht gesegneten Hotel Brismar dürften diejenigen absteigen, die ihre Rolex zwar haben, aber sie nicht anziehen und sich der Authentizität des Dorfes voll und ganz verpflichtet fühlen. Wenn sie im Stillen Veuve-Clicquot-Champagner trinken, merkt das ja keiner.
Es fehlen in Port d’Andratx ferner die in vielen Strand- und Badeorten üblichen spanischen Großfamilien mit ihren lebhaften Kindern. Das liegt wohl auch daran, dass man sich hier nur von Felsen aus dem Meer hingeben kann wie etwa vor dem Hotel Villa Italia. Stattdessen sieht man häufiger blonde Kiddies aus deutschen, britischen, holländischen oder skandinavischen Familien, die mit ihren Eltern die Natur genießen.
Das glamouröse Port d’Andratx von vor 10, 20 Jahren hat sich selbst im Laufe der Zeit zu einem durch und durch internationalen Ort mit Menschen recycelt, die eine gewisse Bodenhaftung haben und hier einfach nur schöne Tage verbringen wollen. Wo sind nur die vielen Paradiesvögel von früher? Zumindest im Juli sind sie nicht anwesend.