Einkaufen ohne Mund-Nasen-Schutz ist im Moment nicht angesagt. | UH

TW
18

Auf Mallorca gilt allgemeine Maskenpflicht. Nur wer an schwerwiegenden Erkrankungen leidet und dies per Attest bescheinigt bekommt, darf sich ohne Mund-Nasen-Schutz auf der Insel bewegen. Doch auch mit einer solchen Bescheinigung in den Händen kann es zu Problemen kommen.

Davon wissen Medienproduzent Marcus (45) und Ehefrau Claudia Giers (44) ein Lied zu singen. Das Paar hat seinen Hauptwohnsitz in Dubai, lebt aber einen Teil des Jahres im beschaulichen Portocolom. Die 44-Jährige darf wegen einer schweren Lungenkrankheit und einer Maskenallergie, die Hals und Gesicht anschwellen lässt, keinen Mund-Nasenschutz tragen. Ein medizinisches Attest mit einer offiziellen Übersetzung ins Spanische belegt dies. So weit so gut, sollte man meinen.

„Doch obwohl wir die Dokumente vorgezeigt haben, sind wir in einem Mercadona-Supermarkt in Campos abgewiesen worden“, erzählt Giers. Er wandte sich an den Filialleiter, dem die Situation sichtlich leid tat. „Er hat aber auf Anordnungen aus dem Unternehmenshauptsitz in Valencia verwiesen“, sagt Giers. Mercadona widerspricht auf MM-Anfrage. „Es muss sich um einen Einzelfall und ein Missverständnis gehandelt haben“, sagt Sprecherin Ana Munar. „Mercadona hält sich an die gesetzlichen Vorgaben, die auch Ausnahmen von der Maskenpflicht beinhalten.“

Auch bei Ikea in Palma hatten die Giers Probleme. Nachdem sie Attest und Ausweis am Eingang präsentiert hatte, konnte Claudia Giers das Geschäft betreten. Doch offensichtlich waren Verkäufer und Restaurant-Mitarbeiter nicht informiert und gerieten beim Anblick der maskenlosen Kundin in Panik. „Sie haben uns angeschrien ,Get out!’“, berichtet Giers, der ähnliche Situationen auch in Deutschland im Media Markt und am Flughafen Berlin-Tegel erlebte: „Am Airport nahm ein Sicherheitsbeamter das Attest meiner Frau einfach an sich und wollte uns des Flughafens verweisen.“ Er alarmierte daraufhin die Polizei und erstattete Anzeige.

Für Claudia Giers ist die Situation nicht einfach. „Ich würde ja liebend gerne eine Maske tragen“, sagt sie. Auch wenn es im überschaubaren Portocolom weniger Probleme gibt, hat sie mittlerweile Hemmungen, das Haus zu verlassen, nicht zuletzt der misstrauischen Blicke wegen. „Palma meiden wir daher und überlegen schon, ob wir nach Deutschland zurückkehren sollten“, sagt ihr Ehemann.

Fragt man in großen Supermarkt- und Ladenketten nach, stellen die medizinisch begründeten Ausnahmen von der Maskenpflicht offenbar kein Problem dar. „Wer ein Attest und seinen Ausweis vorzeigt, kommt in alle unsere Filialen“, sagt ein Mitarbeiter vom Aldi-Kundenservice in Barcelona. Bei Lidl gelten nach Angaben von Pressesprecher Sergi Muñoz die gleichen Regeln. „Bei uns ist auch ein übersetztes Attest kein Problem“, sagt ein Kundendienstmitarbeiter vom Media Markt in Palma. Die Supermarktkette Eroski stellt Personen, die von der Maskenpflicht befreit sind, für ihren Einkauf Gesichtsvisiere zur Verfügung, wie Pressesprecherin Xisca Pol auf MM-Anfrage mitteilt. Im Bauhaus in Marratxí hat man sich eine kreative Lösung ausgedacht. Kunden, die keine Maske tragen dürfen, erhalten einen bunten Sticker, damit sie für Verkäufer erkennbar sind und es nicht zu unangenehmen Situationen kommt. „Deutschsprachige Dokumente werden bei uns ebenfalls akzeptiert“, teilt der Kundenservice mit.

Ob Geschäfte Kunden, die aus medizinischen Gründen keine Masken tragen, Zutritt gewähren müssen, ist rechtlich durchaus umstritten. „Wie auch bei anderen Rechtsfragen im Zusammenhang mit Covid-19 lassen die Verordnungen die Angelegenheit ein wenig in der Schwebe“, sagt Anwalt Miguel García von der Kanzlei Stiff & Partner in Palma. „Es gibt Läden, die das Hausrecht (Derecho de admisión) nutzen, um diese Personen vom Zutritt auszuschließen“, berichtet der Anwalt. Aus seiner Sicht ist dieses Vorgehen bei Vorlage eines ärztlichen Attests nicht gerechtfertigt.

Dass es im Alltag für Betroffene nicht immer einfach ist, könnte auch mit der Attest-Praxis auf den Balearen zusammenhängen. Um Mediziner während der Corona-Pandemie zu entlasten, stellte der Gesundheitsdienst IB-Salut auf seiner Website ein Formular zum Download bereit, das in Eigenverantwortung auszufüllen ist. „Ein solches Attest ist nur in sehr seltenen und begründeten Ausnahmefällen zulässig und betrifft Personen mit schweren Lungen- oder Herzerkrankungen, gravierenden psychischen Störungen oder anatomischen Gesichtsveränderungen“, betont Sara Beltrán, Pressesprecherin von IB-Salut. Eine Liste aller Erkrankungen, die zum Verzicht auf die Maske berechtigen, ist auf dem Formular zu finden. Eine ärztliche Bestätigung ist allerdings nicht erforderlich, was das Vertrauen in die Dokumente schmälern könnte. Zwar wäre auch ein Supermarkt theoretisch berechtigt, sich die Angaben auf dem Dokument durch einen Arzt bestätigen zu lassen, das scheint aber im Alltag wenig praktikabel.