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Es war der Morgen des 12. November 1997. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht vom Mord an Wirt Manfred Meisel, der an der Playa de Palma den Mega-Biergarten "Bierkönig" betrieben hatte. Auf der Insel und durch halb Europa.

Gemeinsam mit seiner Mitarbeiterin Claudia Leisten war Meisel auf seiner Finca bei S'Aranjassa regelrecht hingerichtet worden. Es muss sich nach Mafia-Manier abgespielt haben. Die beiden Opfer lagen im Büro-Trakt neben dem Wohnhaus Kopf an Kopf und waren mit jeweils zwei Schüssen in den Hinterkopf ermordet worden. Abgegeben durch ein Kissen. Sterben musste in der Nacht vom 11. auf den 12. November 1997 auch Meisels achtjähriger Sohn Patrick. Er fand seinen Tod im elterlichen Schlafzimmer, auf das Kind waren ersten Ermittlungen zufolge zwei Schüsse abgegeben worden. Aus nächster Nähe, in die Schläfe.

Claudia Leisten war Meisels Tierpflegerin, kümmerte sich um die wertvolle Papageienzucht des Unternehmers, der 49 Jahre alt wurde. Die 30-jährige Claudia teilte sich die Verantwortung für die Vögel mit Ilse K., die am Morgen des 12. November ihre Schicht antreten wollte und den toten "Bierkönig"-Wirt sowie die Kollegin fand. Ilse K. arbeitete später viele Jahre als Kellnerin an der Playa de Palma und lebt immer noch dort. Zu den Geschehnissen von 1997 möchte sie heute nichts mehr sagen.

In den Tagen, Wochen und Monaten nach der Schreckenstat wurde viel spekuliert über Täter und Motiv. Es kam auch schnell die Theorie auf, dass Claudia Leisten möglicherweise "aus Versehen" sterben musste, weil sie mit Meisels Lebensgefährtin Daiana Ritter, der Mutter des kleinen Patrick, verwechselt worden war. Ritter (damals 31) befand sich in der Nacht nicht in der Finca. Sie war nicht auf Mallorca, sondern in Deutschland wegen medizinischer Untersuchungen. Sie war damals schwanger und brachte im April 1998 Florian zur Welt, den zweiten Sohn von "Bierkönig" Manfred Meisel. Als Daiana noch am 12. November wieder nach Palma kam, entwickelte sich fast ein Spießrutenlauf. Dutzende Fotografen wollten Bilder von ihr, die Polizei schirmte die junge Frau in der folgenden Zeit hermetisch ab.

In den Tagen nach der Tat wurde die Playa de Palma Anlaufstelle für Reporter vor allem deutscher und spanischer Medien. Aber auch Zeitungen und Zeitschriften aus anderen Ländern schickten Mitarbeiter. Beobachter konnten den Eindruck gewinnen, dass mehr Medienleute unterwegs waren als "normale" Urlauber. Die Saison war ja schon vorbei. Die spanische Polizei verhängte recht schnell eine Informationssperre. In Ermangelung von Fakten reimten sich viele Journalisten ihre eigene Geschichte zusammen. Zu den oft genannten möglichen Motiven für die Bluttat gehörten folgende: Es könnte die Folge von Konkurrenzkampf an der Playa gewesen sein. Meisel sei demzufolge mit dem Erfolg seines "Bierkönigs" zu groß geworden. Wenn man an die Korruptionsskandale späterer Jahre denkt, die gerade aufgearbeitet werden, scheint solch ein Hintergrund zunächst naheliegend. Es gibt aber bis heute keine Beweise für irgendeine Theorie. Spekuliert wurde auch über die Tat einer internationalen "Papageienmafia", über einen Mord aus Rachemotiven, es war auch von Schutzgelderpressung oder von einer Beziehungstat die Rede. Andere wähnten die Gründe in Meisels Frankfurter Vergangenheit. Der spätere "Bierkönig"-Wirt hatte 17 Jahre eine Zoo-Handlung, bevor er in die Gastronomie wechselte. Erste Erfolge stellten sich mit Imbissen ein, dann kam unter anderem die Gaststätte "Struwwelpeter" im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen, bevor Meisel auf Mallorca sesshaft wurde. Dass es sich um einen versuchten Raubüberfall gehandelt haben könnte, der eskaliert sei, woraufhin die Täter schockiert von den eigenen Taten das Weite suchten, ohne Beute zu machen, wurde ebenfalls vermutet. Gestohlen wurde offenbar nichts, die Ermittler fanden größere Geldbeträge in der Finca.

Aus heutiger Sicht lässt sich sagen: Alles ist möglich, aber alles auch nur Spekulation. Vielleicht wissen Ermittler mehr, der Öffentlichkeit wurde nie etwas mitgeteilt. Auch die Frage, aus welchem Personenkreis die Täter stammen könnten und wie sie auf die Finca kamen, bleibt bis heute unbeantwortet.

Im Laufe der Ermittlungen, an denen zeitweise auch Beamte der Kripo Frankfurt beteiligt waren, wurden viele Menschen vernommen. Immer mal wieder sickerte irgendwie durch, dass sich der Fall vor der Aufklärung befinde. So wurde zum Beispiel im Jahr 2007 Sven Massinger festgenommen, der zur Tatzeit Geschäftsführer des "Bierkönigs" war. Mancher hielt den Fall nun für gelöst, aber Massinger kam wieder auf freien Fuß und es wurde weiter ermittelt.

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Nach dem Mord hatte sich Massinger in seiner Funktion als Geschäftsführer um alle möglichen Dinge gekümmert, die zu erledigen waren. Unter anderem wirkte er beim Verkauf des Mega-Biergartens an den damaligen Bierlieferanten mit. Später ging der "Bierkönig" dann an die Betreiber der Diskothek "Oberbayern". Aus Sven Massinger und Daiana Ritter wurde zwischenzeitlich ein Paar, das sich dann aber wieder trennte. Die beiden haben eine gemeinsame Tochter.

Daiana Ritter betreibt heute in der Urbanisation Maioris nahe Arenal das Restaurant "Capitán Cook" und ein Sonnenstudio an der Playa de Palma. Im Restaurant arbeitet auch ihr mittlerweile 19 Jahre alter Sohn Florian mit.

20 Jahre sind vergangen. Die Täter wurden nicht gefasst, nicht verurteilt. Dass sich das noch eines Tages ändert, ist unwahrscheinlich. In Deutschland verjährt Mord nicht. In Spanien tritt jetzt genau dieser Fall ein. Rechtsanwalt Hans von Rotenhan gegenüber MM: "Nach unserem Rechtsverständnis ist das natürlich eine Riesensauerei."

Auf MM-Anfrage erklärte eine Sprecherin der Nationalpolizei in Palma allerdings vor ein paar Tagen noch, es handele sich um einen "offenen Fall". Daher gebe es keine offiziellen Aussagen über die Ermittlungen.

Selbst wenn der oder die Täter eines Tages auf Mallorca gefasst werden sollten, würden sie wohl straffrei bleiben. Es sei denn, sie kämen vor ein deutsches Gericht. Problem: "Spanien liefert nicht aus, wenn die Tat hierzulande bereits verjährt ist", so von Rotenhan. Das heißt: Die Verhaftung müsste in Deutschland oder einem anderen Land erfolgen, in dem für den Mord keine Verjährungsfrist greift.

Die letzte Hoffnung auf eine gerechte Strafe für die Täter hält auch die Aussage der Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft Frankfurt aufrecht. Oberstaatsanwältin Nadja Niesen erklärte auf MM-Anfrage: "In dem vorliegenden Ermittlungsverfahren gibt es derzeit keinen dringenden Tatverdacht gegen eine bestimmte Person. Soweit sich bislang Verdachtsmomente gegen bestimmte Personen ergeben hatten, haben sich diese nicht mit der für eine Anklageerhebung erforderlichen Sicherheit verdichten lassen." Niesen betont aber auch:"Das Verfahren ist jedoch noch nicht weggelegt - da Mord in Deutschland nicht verjährt - sodass es theoretisch immer noch sein kann, dass ein Täter ermittelt und für die Taten verurteilt wird."

Konkret bedeutet das: "Sollte ein mutmaßlicher Täter im Ausland festgenommen werden, kann seitens der deutschen Behörden die Auslieferung beantragt werden." Inwieweit dieser Antrag von Erfolg gekrönt sein würde, vermag Niesen nicht zu sagen.

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