Man merkt ihm an, dass er das Gefühl hat, sich rechtfertigen zu müssen. Kein Wunder: In Cala Rajada brodelt es. Denn das Vorhaben, das sich - wenn auch nur gerüchteweise - im Dorf herumgesprochen hat, stößt nicht nur auf Befürworter. Im Gegenteil. Viele befürchten, dass sich der exzessive Sauftourismus weiter ausbreitet. Die Gerüchte über das Vorhaben des "Cacao Garden" scheinen wie der sprichwörtliche Tropfen zu sein, der das Bierfass zum Überlaufen bringt. Ähnlich wie vor einigen Jahren, als das Rathaus als Reaktion auf die Bürgerbeschwerden "Benimm-Regeln" und mehr Polizeikräfte einführte. Doch gelöst scheinen die Probleme nicht.
In einer Online-Petition richten sich die Gegner, die "Antibiergardens", nun an das Rathaus. Zwar wird in der Petition kein Unternehmen namentlich erwähnt, das Bestreben ist jedoch klar: Große Außenterrassen mit niedrigsten Alkoholpreisen und "unzivilisierter" Partystimmung sollen sich nicht weiter in Cala Rajada ausbreiten. "Wir fordern, dass keine weiteren Genehmigungen für Nachtlokale solcher Charakteristika ausgestellt werden", heißt es in der Beschreibung der Petition.
Mehr als 500 Menschen setzten in den ersten Wochen ihre digitale Unterschrift darunter, mittlerweile stagniert die Zahl der Teilnehmer bei knapp 570. Eine der treibenden Kräfte in der Verbreitung der Petition ist Sarah Ferriol. Die 26-jährige Deutsch-Mallorquinerin wurde in Cala Rajada geboren und arbeitet selbst seit acht Jahren in der Gastronomie. "Jedes Jahr verliert Cala Rajada mehr von seinem Zauber. Wir sind auf dem Weg, auf ganzer Linie ein 'Ballermann' zu werden", bemängelt sie. "Unser Anliegen geht nicht gegen die Lokale, die schon existieren, sondern diejenigen, die ein solches Ambiente noch weiter verbreiten wollen", erklärt sie. Grölende betrunkene Urlaubergruppen, die lärmen und Abfall im Dorf verbreiten, dürften nicht noch weiter Oberhand gewinnen. "Es gibt auch junge Menschen, die zum Vergnügen nach Cala Rajada kommen und feiern gehen und trotzdem ihre Umwelt respektieren", betont Sarah Ferriol. Aber das sei eben nicht immer der Fall - und durch das entsprechende Angebot der Gastronomen würde das Niveau gesenkt. "Alle Touristen sind im Dorf herzlich willkommen, solange sie es so respektvoll behandeln wie wir."
"Die Händler vor Ort seufzen, weil diese Billig-Touris nichts umsetzen. Von Pöbeleien, Erbrochenem und zerstörten Dingen im Ort will ich gar nicht anfangen", schreibt Petitionsunterstützer Jens Seibert auf der Online-Seite und bringt damit die Beschwerden auf den Punkt: Neben der Ruhestörung für die Anwohner der Biergärten bemängeln die Petitions-Befürworter vor allem den allgemeinen Qualitätsverlust. Die großen Saufterrassen zögen "unzivilisierte" Touristen an, die neben billigen Alkoholpreisen auch auf der Suche nach billigen gastronomischen Angeboten seien. "Die Unternehmen in der Umgebung sehen sich gezwungen, ihre Qualität herunterzuschrauben. Was die Produkte angeht, aber auch die Dienstleistungen", heißt es in der Petition. Dies habe zur Folge, dass auch die Arbeitsbedingungen für die Angestellten immer prekärer würden.
Mehr Qualität und weniger Exzesse, das will auch das Rathaus seit Jahren erreichen. International werben die Ratsleute um Bürgermeister Rafel Fernández um Wander- und Kongresstouristen. Anders als die Petitions-Anhänger sieht das Gemeindeoberhaupt aber keine Rückschritte. "Seit wir vor einigen Jahren die Verhaltensregelungen aufgestellt und mehr Polizeikräfte eingesetzt haben, gibt es von Jahr zu Jahr weniger Probleme", bewertet er im MM-Gespräch. Eine Biergartenfreie-Zone lehnt er ab - und verweist darauf, dass dies ohnehin nicht allein in die Kompetenz des Rathauses falle. "Wir freuen uns über deutsche Lokale mit deutschem Bier. Die Betreiber müssen aber klarstellen, dass es nicht ausartet."
Im Paradebeispiel "Bierbrunnen" klappt das nicht immer. Regelmäßig ermahnt hier im Sommer die Polizei. Verantwortliche weisen eine Mitschuld an dem bemängelten Qualitätsverlust von sich. Man investiere immer wieder in Schallschutz, heißt es, und: "Wir bedienen mit den günstigen Alkoholangeboten nur eine Nachfrage, die ohnehin da ist", so Bierbrunnen-Sprecher Mateu Melis. Der Trend zum Biergarten sei nunmal da. "Und wie definiert man Qualitätstourismus? Sind das Menschen, die nur teure Produkte konsumieren? Neben den kostengünstigen Getränken bieten auch wir Markenalkohol an, und der kostet seinen Preis."
Wenn man Petitions-Verfechterin Sarah Ferriol nach ihrem Bild von Qualitätstourismus fragt, denkt sie an Port d'Andratx. "Dort gibt es mehr Stil, mehr Gastronomie mit hohem Niveau", findet sie. Dass Cala Rajada mit einer radikalen Wende gegen den Sauftourismus die Urlauber wegbrechen könnten, macht ihr keine Angst. "Es gab nicht immer so viel Party hier wie momentan. Und die treuen Touristen kommen auch weiterhin und begrüßen den Wandel sogar."
Tatsächlich scheinen nicht nur Einheimische, sondern gerade deutsche Residenten und Stammurlauber die Petition zu unterstützen. Hört man sich im Dorf um, trifft man nur auf wenige, die einem Stopp des Partytourismus kritisch gegenüberstehen. Immer wieder wird der Vergleich zu Magaluf und der Playa de Palma gezogen - als abschreckende Beispiele. Dirk Feistmann fasst in einem Kommentar unter dem Petitionsschreiben zusammen: "Cala Ratjada ist nicht Arenal!" Und das, so finden viele, solle auch so bleiben.
(aus MM 49/2016)
22 Kommentare
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@Sylber: Ich habe von einem Einheimischen gehört, dass der Besitzer dieser Schlagergroßraumbude namens Bierbrunnen selbst im Rathaus sitzt und daher alles genehmigt bekommt!
Wir kommen seit Jahren (begesitert) nach CR, sind zwar schon etwas älter, haben jedoch durchaus kein Problem mit touristischem Nachtleben auf gewissem Niveau und nehmen auch selbst manchmal daran teil. (Cafe3, Chocolate etc...) Dieser Bierbrunnen jedoch erinnert eindeutig an (1x selbst erlebten) Sauftourismus in Arenal & Co. Wir finden das nicht gut und haben hier deshalb unterzeichnet.Heidi und Jochen
Hallo liebe Leser,die Verlinkung steht im Artikel (Anfang dritter Absatz), Sie müssen einfach nur drauf klicken.Viele Grüßedas MM-Redaktionsteam
De Link ist: https://www.change.org/o/tourism_lovers
Sylber@ Was nützen Verordnungen und Genehmigungen, wenn man sie durch Änderungen und andere Hintertüren mit Unterstützung ominöser Kräfte in den Rathäusern einfach umgeht? Oder w.z.B. mit dem Trick vor Gericht zu ziehen und die damals beschlossenen 113 Benimmregeln für die Stadt und Playa wieder abschaffen zu lassen? Seit Jahren läuft der Kampf der Profiteure auf diese Weise ab. MM berichtete doch jeweils darüber. z.B. auch über die Strandbuden in Son Serra de Marina und das Gezerre darum.
Elly@ es geht darum. dass dadurch nicht die Lebensqualität der Anwohner beeinträchtigt wird, die bis Dato in Ruhe dort leben.
Hajo Hajo, lass sie doch willige Kommunen finden. Diese Art von Sauftouristen braucht kein Mensch. Sie ruinieren jeden Urlaubsort und konsomieren außer Alkohol nichts.
Bin seit 40 Jahren CR-Gast und -Fan. Die Eröffnung des Bierbrunnens war als "Meilenstein" der Beginn des Sauftourismus in CR. Kein Vergleich mit dem was an der Promenade oder im Chocolate läuft. Wir machen abends einen weiten Bogen um den Teil der City. Auch der 'Kundenfang' auf der Strasse vor den beiden Schuppen nervt. Wo kann ich die Initiative unterschreiben ?
Es gibt, in Deutschland wie auf Mallorca, eine Genehmigungsinstanz für jegliche Art von Freiluft-Veranstaltungen und die hat ihren Sitz im Rathaus von Capdepera! Als Gast der seit über 40 Jahren nach CR kommt habe ich mancherlei Veränderungen erlebt - und auch die unterschiedlichsten Behandlungsmethoden der PoliciaLocal gegenüber Lokalbetreibern. Offensichtlich stört es die Polizei - und somit die Lokalbehörden in Capdepera - sehr, wenn in der Strasse zur Cala Agulla ein deutscher Wirt für seine 10 Gäste wenige Minuten den zulässigen Geräuschpegel überschreitet, als das tägliche Gebrüll von mehreren hundert Sauftouristen nur 100 Meter entfernt. Es liegt allein an den Genehmigungsbehörden in Capdepera und sonst an keinem anderen Beteiligten!!!! Worin dieses wohl begründet sein mag?
Gibt es auch einen Link zur Petition?