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Jetzt, im Winter, erinnert Cala Rajada an ein nettes Fischerdorf mit ruhesuchenden Touristen. Dass dieses Bild sich jeden Sommer wandelt, ist kein Geheimnis. In Deutschland wie auf Mallorca ist der Ort an der Nordostküste für sein ausgeprägtes Nachtleben bekannt. Drei Diskotheken, zahlreiche Clubs und große Freiluft-Biergärten prägen den Ortskern. Allen voran: der "Bierbrunnen". Seit 21 Jahren zieht der Laden das Feiervolk an - mit deutschen Schlagern und viel Alkohol für wenig Geld. Zur vergangenen Saison vergrößerten die Betreiber seine Fläche sogar noch einmal, rund 480 Menschen finden hier unter freiem Himmel Platz. Bauliche Veränderungen kündigen sich nun auch direkt gegenüber an: Die Besitzer der kleinen Bar "Cacao Garden" wollen die angrenzende Poolbar "Coco's Pool" aufkaufen und beide Läden auch baulich miteinander vereinen. Schon in der kommenden Saison soll ein neues großes Partygelände entstehen. "Es stimmt", bestätigt der Besitzer des "Cacao Garden" auf MM-Anfrage, will seinen Namen allerdings nicht in der Zeitung lesen. "Mit dem 'Bierbrunnen' hat das Ganze nichts zu tun und wir setzen auch nicht auf deutsche Schlagermusik. Es wird House, elektronische Musik, Indie und Chillout gespielt werden." Und: Mehr Menschen, als zuvor beide Lokale zusammen beherbergt haben, würden auch in Zukunft nicht beherbergt werden. "Die Fläche wird durch die Zusammenlegung ja nicht größer."

Man merkt ihm an, dass er das Gefühl hat, sich rechtfertigen zu müssen. Kein Wunder: In Cala Rajada brodelt es. Denn das Vorhaben, das sich - wenn auch nur gerüchteweise - im Dorf herumgesprochen hat, stößt nicht nur auf Befürworter. Im Gegenteil. Viele befürchten, dass sich der exzessive Sauftourismus weiter ausbreitet. Die Gerüchte über das Vorhaben des "Cacao Garden" scheinen wie der sprichwörtliche Tropfen zu sein, der das Bierfass zum Überlaufen bringt. Ähnlich wie vor einigen Jahren, als das Rathaus als Reaktion auf die Bürgerbeschwerden "Benimm-Regeln" und mehr Polizeikräfte einführte. Doch gelöst scheinen die Probleme nicht.

In einer Online-Petition richten sich die Gegner, die "Antibiergardens", nun an das Rathaus. Zwar wird in der Petition kein Unternehmen namentlich erwähnt, das Bestreben ist jedoch klar: Große Außenterrassen mit niedrigsten Alkoholpreisen und "unzivilisierter" Partystimmung sollen sich nicht weiter in Cala Rajada ausbreiten. "Wir fordern, dass keine weiteren Genehmigungen für Nachtlokale solcher Charakteristika ausgestellt werden", heißt es in der Beschreibung der Petition.

Mehr als 500 Menschen setzten in den ersten Wochen ihre digitale Unterschrift darunter, mittlerweile stagniert die Zahl der Teilnehmer bei knapp 570. Eine der treibenden Kräfte in der Verbreitung der Petition ist Sarah Ferriol. Die 26-jährige Deutsch-Mallorquinerin wurde in Cala Rajada geboren und arbeitet selbst seit acht Jahren in der Gastronomie. "Jedes Jahr verliert Cala Rajada mehr von seinem Zauber. Wir sind auf dem Weg, auf ganzer Linie ein 'Ballermann' zu werden", bemängelt sie. "Unser Anliegen geht nicht gegen die Lokale, die schon existieren, sondern diejenigen, die ein solches Ambiente noch weiter verbreiten wollen", erklärt sie. Grölende betrunkene Urlaubergruppen, die lärmen und Abfall im Dorf verbreiten, dürften nicht noch weiter Oberhand gewinnen. "Es gibt auch junge Menschen, die zum Vergnügen nach Cala Rajada kommen und feiern gehen und trotzdem ihre Umwelt respektieren", betont Sarah Ferriol. Aber das sei eben nicht immer der Fall - und durch das entsprechende Angebot der Gastronomen würde das Niveau gesenkt. "Alle Touristen sind im Dorf herzlich willkommen, solange sie es so respektvoll behandeln wie wir."

"Die Händler vor Ort seufzen, weil diese Billig-Touris nichts umsetzen. Von Pöbeleien, Erbrochenem und zerstörten Dingen im Ort will ich gar nicht anfangen", schreibt Petitionsunterstützer Jens Seibert auf der Online-Seite und bringt damit die Beschwerden auf den Punkt: Neben der Ruhestörung für die Anwohner der Biergärten bemängeln die Petitions-Befürworter vor allem den allgemeinen Qualitätsverlust. Die großen Saufterrassen zögen "unzivilisierte" Touristen an, die neben billigen Alkoholpreisen auch auf der Suche nach billigen gastronomischen Angeboten seien. "Die Unternehmen in der Umgebung sehen sich gezwungen, ihre Qualität herunterzuschrauben. Was die Produkte angeht, aber auch die Dienstleistungen", heißt es in der Petition. Dies habe zur Folge, dass auch die Arbeitsbedingungen für die Angestellten immer prekärer würden.

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Mehr Qualität und weniger Exzesse, das will auch das Rathaus seit Jahren erreichen. International werben die Ratsleute um Bürgermeister Rafel Fernández um Wander- und Kongresstouristen. Anders als die Petitions-Anhänger sieht das Gemeindeoberhaupt aber keine Rückschritte. "Seit wir vor einigen Jahren die Verhaltensregelungen aufgestellt und mehr Polizeikräfte eingesetzt haben, gibt es von Jahr zu Jahr weniger Probleme", bewertet er im MM-Gespräch. Eine Biergartenfreie-Zone lehnt er ab - und verweist darauf, dass dies ohnehin nicht allein in die Kompetenz des Rathauses falle. "Wir freuen uns über deutsche Lokale mit deutschem Bier. Die Betreiber müssen aber klarstellen, dass es nicht ausartet."

Im Paradebeispiel "Bierbrunnen" klappt das nicht immer. Regelmäßig ermahnt hier im Sommer die Polizei. Verantwortliche weisen eine Mitschuld an dem bemängelten Qualitätsverlust von sich. Man investiere immer wieder in Schallschutz, heißt es, und: "Wir bedienen mit den günstigen Alkoholangeboten nur eine Nachfrage, die ohnehin da ist", so Bierbrunnen-Sprecher Mateu Melis. Der Trend zum Biergarten sei nunmal da. "Und wie definiert man Qualitätstourismus? Sind das Menschen, die nur teure Produkte konsumieren? Neben den kostengünstigen Getränken bieten auch wir Markenalkohol an, und der kostet seinen Preis."

Wenn man Petitions-Verfechterin Sarah Ferriol nach ihrem Bild von Qualitätstourismus fragt, denkt sie an Port d'Andratx. "Dort gibt es mehr Stil, mehr Gastronomie mit hohem Niveau", findet sie. Dass Cala Rajada mit einer radikalen Wende gegen den Sauftourismus die Urlauber wegbrechen könnten, macht ihr keine Angst. "Es gab nicht immer so viel Party hier wie momentan. Und die treuen Touristen kommen auch weiterhin und begrüßen den Wandel sogar."

Tatsächlich scheinen nicht nur Einheimische, sondern gerade deutsche Residenten und Stammurlauber die Petition zu unterstützen. Hört man sich im Dorf um, trifft man nur auf wenige, die einem Stopp des Partytourismus kritisch gegenüberstehen. Immer wieder wird der Vergleich zu Magaluf und der Playa de Palma gezogen - als abschreckende Beispiele. Dirk Feistmann fasst in einem Kommentar unter dem Petitionsschreiben zusammen: "Cala Ratjada ist nicht Arenal!" Und das, so finden viele, solle auch so bleiben.

(aus MM 49/2016)