An einem grauen und verregneten Tag kann selbst der verheißungsvolle Name die Gegend nicht retten: "Cala Romántica" heißt die Bucht im Inselosten, fünf Kilometer von Manacor entfernt. Doch von Romantik keine Spur. Es sei denn, Besucher haben ein Faible für Modellbau-Landschaften. Wer die schmale Landstraße seewärts fährt, erblickt zur Linken, jenseits des Tales, ein Doppelhaus nach dem anderen. Je weiter es die Straße bergab geht, desto mehr Doppelhäuser tauchen auf. Sie überziehen in ihrer uniformen Erscheinung - ein Haus gleicht dem anderen wie ein Ziegelstein dem anderen - den gesamten Hügel, bis zu 189 dieser Bauwerke sind auszumachen. Das abgeriegelte Ensemble hinter der vergitterten Zufahrt erinnert aus der Ferne an ein absurdes Spielzeug-Panorama. Kein Wunder, dass manche Anwohner das Gebilde abfällig "Legolandia" nennen. Der Name tut dem dänischen Spielzeug-Hersteller unrecht. Gleichwohl ist die moderne Retortensiedlung ein wahrlich schauriges Gebilde.
S'Estany d'en Mas, (die Lagune des Mas) - so der ursprüngliche Name der Gegend, bevor Bauherren in den 1960er Jahren auf die touristisch attraktivere Bezeichnung Cala Romántica verfielen - ist ein Paradebeispiel für jene Geistersiedlungen, wie sie spanienweit nach dem Platzen der Immobilienblase übrig blieben: Urbanisationen mit unvollendeten Häusern oder Mehrfamiliengebäuden, ohne Infrastrukturen wie Straßen und Versorgungsnetzen, ganz zu schweigen von Läden, Lokalen oder gar Einwohnern. Wie die Tageszeitung "El País" jüngst schrieb, wurden in Spanien in den Jahren 2000 bis 2008 rund fünf Millionen Wohneinheiten errichtet, insbesondere an der Mittelmeerküste sowie abgelegen im Dunstkreis der Großstädte auf grüner Wiese. Von diesen Immobilien stehen Schätzungen zufolge (offizielle Zahlen gibt es nicht) rund drei Millionen Wohneinheiten leer, mehrere Zehntausend von ihnen sind unvollendet sich selbst überlassen worden. Für diese Phantomstätten wurde im Internet der Begriff "Modern Ruins" geprägt. Künstler und Fotografen, aber auch kritische Architekten, Landschaftsplaner und Umweltaktivisten haben die Überbleibsel des Baubooms für sich entdeckt, sie sammeln Daten und Infos zu den "Immobilien-Kadavern".
Die knapp 190 Doppelhäuser bei Manacor sind angesichts dieser Zahlen nur ein Stein im imposanten Bauwerk aus Spekulation, Gewinnstreben und Gier einerseits sowie der Spanien-Sehnsucht ausländischer Investoren andererseits. Ob die Siedlung ein Opfer des Baubooms wurde oder letztlich aus anderen Gründen nicht zu Ende gebracht werden konnte, darüber wird derzeit vor Gericht gestritten. Dem Inhaber der Baufirma Terrapolis wird vorgeworfen, mit krimineller Energie Geld aus der Firma gezogen und sie in den Bankrott manövriert zu haben. Es ist von Unregelmäßigkeiten in den Büchern die Rede. Angezeigt wurde der spanische Unternehmer 2008 von einem Zulieferer, der sein Geld nicht erhalten hatte. Das Urteil steht noch aus.
Doch das ist nur der strafrechtliche Teil des Verfahrens, bei dem die Staatsanwaltschaft fünf Jahre Gefängnis für den Angeklagten sowie eine Haftung von mehreren Millionen Euro fordert. Der Prozess über die Entschädigung der Zulieferer, Bauarbeiter und Käufer muss erst noch stattfinden.
Das Bauprojekt hatte im Jahre 2005 vielversprechend angefangen: 23 Millionen Euro hatte der Unternehmer von der Sparkasse CAM zuerkannt bekommen, 16,8 Millionen erhielt er tatsächlich ausbezahlt, hinzu kamen neun Millionen Euro von Immobilienkäufern, zumeist Spanier und Briten. Bis zum Bankrott konnten außer 35 fast alle der knapp 400 Wohneinheiten verkauft sowie die Chalets zu 90 Prozent fertiggestellt werden, inklusive Dach und Fensterglas. Dann aber, so der Angeklagte, sperrte die Sparkasse wegen der Immobilienkrise die laufenden Kredite und machte das Vorhaben zunichte.
Auch die CAM überlebte die spanische Immobilien- und Bankenkrise nicht. Sie wurde aufgelöst, ihre Aktiva von der spanischen Banco Sabadell übernommen.
Angesichts der Langsamkeit, mit der die Justiz die Verfahren abarbeitet, ist davon auszugehen, dass die Siedlung noch längere Zeit unvollendet erhalten bleibt. Sie ist damit ein unschönes Mahnmal für die vollkommen unausgewogene und undurchsichtige Planung, wie sie auf Mallorca in der Vergangenheit an vielen Orten üblich war. Noch im Jahre 2003 wurde die Bucht von S'Estany d'en Mas als Cala gelobt, die touristische Infrastrukturen und den Respekt vor der Landschaft harmonisch vereine. So blickten die Bewohner von Alt-Cala-Romántica, zumeist deutsche Ferienhausbesitzer und Residenten im Rentenalter, nordwärts auf Meeresfelsen, die mit den typischen Macchie-Sträuchern bewachsen waren. Dann begann 2005 der Bau, damit kamen Lärm, Staub und Lastwagenverkehr in die Romantik-Bucht. Geplant waren neben den Doppelhäusern auch ein Hotel mit 400 Betten sowie ein Golfplatz. Gegen diese Projekte lief die Opposition in Manacor Sturm. Die Genehmigungen für die Bebauung in Küstennähe seien im Hauruck-Verfahren durchgeboxt worden, ohne Rücksicht auf die Umwelt und den tatsächlichen Wohnungsbedarf der Stadt. Letztlich konnten Hotel und Golfplatz nicht verwirklicht werden, doch aus der "Lagune des Mas" tauchte die monströse Siedlung auf. Im Jahre 2011, drei Jahre nach dem Platzen der Chalet-Blase, nannte die Umweltorganisation GOB das Bauprojekt "ein Attentat auf die Ökologie, ein Steinbruch auf elf Hektar Fläche, ein Bachbett voller Bauschutt, ein authentisches Desaster".
Wer heute durch Cala Romántica fährt, findet alles verschlossen vor. Das Restaurant Los Olivos, das sich 2007 über den Baulärm selbst in den touristischen Sommermonaten beschwert hatte, steht zum Verkauf, die wenigen anderen Läden und Lokale sind in Winterstarre gefallen. Man muss schon in den Nachbarort Cala Mendia fahren, um die einzige geöffnete Bar zu finden. Der Inhaber rühmt die Stille, die nach dem aufreibenden Sommer herrscht. Er könne öffnen, weil einige deutsche Ruheständler zu ihm kommen. Ob auch die Estany-Siedlung eines Tages Bewohner haben wird? Der Wirt zuckt mit den Schultern: "Man kann nie wissen ..."
(aus MM 48/2015)
8 Kommentare
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An Jesus, hier spricht die Wirklichkeit. Erstens, der Bau war nicht Illegal sondern es gibt eine Baugenehmigung. Zweitens, es sollte kein Hotel oder Ferienanlage werden sondern Doppelhaushälften zum Verkauf. Drittens, das Gelände wird von einer Security überwacht und Jesus fliegt schneller vom Gelände als die göttliche Himmelfahrt. Viertens, wir haben in der PlayaRomantica ein Haus und das was uns nicht fehlt, sind Körnerfresser und Hausbesetzer. Fünftens, was willst du denn dort anbauen? Dort ist überall Felsgestein und da du ja anscheinend Pleite bist hast du wahrscheinlich oder Gott, bzw. Jesus sei Dank kein Geld um Erde zu kaufen damit dort irgendwas wächst. Sechstens, such dir eine andere Ecke, besser noch einen anderen Planeten.
Ich hab mir erlaubt, euren Artikel mal in einem der meinen zu verlinken, weil er sich auf das selbe Objekt bei Cala Romantica bezieht.. ich dachte ich schreibst euch mal, vielleicht gefällt euch ja die idee, und ihr helft am ende noch, sie umzusetzen ;) https://lest2020.wordpress.com/2017/02/18/dorfrettung-a-la-ihr/ liebe grüße, jesus urlauber (bauchi)
Meine Eltern wohnen schon seit über 35 Jahren in Cala- Mandia aber so eine Geldverschvendung habe ich lange nicht gesehen.Wenn ich aus dem Fenster sehe alles liegt Brach eine Schande für die Umgebung.Mit FReundlichen Grüßen Jörg Kayser Mitarbeiter des Flughafens Stuttgart. Einen schönerern Platz kann man sich eigendlich nicht aussuchen. Gruß an alle Romanticas.
Wir haben seit über 10 Jahren ein Haus in der Urbanisation und fühlen uns dort sehr wohl. Die meisten Eigentümer kümmern sich liebevoll um Haus und Garten. Leider gibt es auch einige Ausnahmen. Derzeit ist anscheinend ein "Generationswechsel" im Gange, denn einige ältere Eigentümer wollen bzw. können aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr kommen und verkaufen ihr Eigentum an jüngere Interessenten. Ich hätte übrigens nichts dagegen, wenn die "Geistersiedlung" wieder abgerissen werden muss. Die Häuser wurden viel zu schnell und in weniger guter Qualität gebaut. Außerdem sind nicht alle Häuser wasserdicht verschlossen, stehen seit Jahren leer und sind in dieser Zeit nicht gelüftet worden. Ich würde dort kein Haus kaufen! Bei einem Abriss und Abtransport des Bauschutts würde die Natur sich die Gegend wieder zurückerobern.
„zumeist deutsche Ferienhausbesitzer und Residenten im Rentenalter“ klingt ja erstmal relativ altersneutral, und die Aussage des Wirts am Ende ist ein Zitat. Somit gehören Sie zur Gruppe der deutschen Ferienhausbesitzer Klaus. Oder wurde das nachträglich geändert?
Desch isch voll wahr, de Schreibelinge uffm Magazin sind net so recherche freundlich.
Was ist das denn für ein Bericht? wir sind Anfang 40 und haben ein Haus in der Playa Romantica, daher keine Rentner und fühlen uns dort richtig wohl. Der Generationswechsel dort ist in vollem Gange, mittlerweile haben dort viele jüngere ein Haus und hegen und pflegen dies. Man sollte mal richtig recherchieren und nicht vom Schreibtisch aus so einen Unsinn schreiben. Ich kann mich Stefan nur anschließen, Playa Romantica ist eine wunderbare Urbanisation in welcher auch Spanier, Schweizer, Franzosen leben und nicht nur deutsche Rentner. Kriegt Ihr eure Zeitung nicht mehr voll?
Ich muss hier mal eine Lanze für die Playa Romantica brechen. Wir machen seit mehreren Jahren Urlaub dort im RIU Hotel und muss sagen es ist eine sehr schöne Siedlung mit netten kleinen Häusern wo die meisten von den Eigentümern sehr gepflegt werden und sehr schön anzusehen sind. Gerne hätten wir dort ein kleines Haus. Sicherlich ist es dort sehr ruhig im Winter aber ich denke das möchten die Besitzer auch so. Selbst im Sommer ist es dort sehr angenehm mit dem schönen Sandstrand und kein Ballermann Trubel. Wir haben immer einen Leihwagen und sind schnell in Porto Cristo, Sa Coma oder Cala Millor wenn wir den Trubel suchen. Für die pleitegegangene Firma kann der Rest der Siedlung nichts. Und der Rest ist sehr schön. Außerdem liegen diese Rohbauten wirklich am Rand der Siedlung und als Tourist im Hotel ohne Leihwagen sieht man diese gar nicht. Wir kommen auf jeden Fall nächstes Jahr wieder.