Für ein Picknick ist es zu heiß an diesem Sonntagnachmittag und der gefühlt handtuchgroße Strand in der Cala s'Algar ist von Familien belegt - auch kein optimales Umfeld für ein Treffen der etwas anderen Art. Die kleine Gruppe ist sich unschlüssig, schließlich entscheidet Hera Delgado, dass man in einen anderen Teil der Bucht umzieht.
Dort gibt es einen Schatten spendenden Felsüberhang, der sich zudem zum Anbringen eines stabilen Seiles eignet. Hera Delgado öffnet ihre lederne Strandtasche. Statt Badetuch und Sonnencreme kommt dort ein Sammelsurium an Seilen sowie ein großer Metallring zum Vorschein.
Willkommen beim ersten Bondage-Picknick auf Mallorca. "Bondage" ist auch einer breiteren Öffentlichkeit spätestens seit dem Erfolg der "Shades-of-Grey"-Romane ein Begriff. Der Begriff bedeutet Unfreiheit oder Knechtschaft und bezeichnet Praktiken zur Fesselung oder Einschränkung der Bewegungsfreiheit. Es steht für das "B" bei BDSM, einem Oberbegriff für Sado-Maso-Praktiken.
Das "Picknick" ist in dem Fall nicht wörtlich zu nehmen: Gegessen wird bestenfalls danach, nicht während. Es geht darum, ihrer Leidenschaft im Freien zu frönen. Die "Bondage-Picknicker" wollen damit kein Ärgernis erregen. "Sondern Bondage aus der Schmuddelecke herausholen", sagt Hera Delgado, die trotz spanischem Nachnamen weder Wurzeln auf Mallorca noch dem spanischen Festland hat, sondern aus Berlin kommt.
Weltweit trete die Bondage-Szene an diesem Tag an die Öffentlichkeit, sagt sie. Auf Mallorca kommt immerhin eine Handvoll einheimischer Vertreter der SM-Szene zum Zuschauen. Aktiv fesseln werden aber nur Delgado selbst und der groß gewachsene Björn. Die beiden "Rigger" (aktive Fessler) fesseln die eigens aus Deutschland angereisten "Bunnys" (gefesselten) Natalie und Nemi.
Die 31-jährige Delgado kümmert sich im Sitzen liebevoll um ihre "Katze", bis sie vollkommen eingeschnürt auf einem Tuch sitzt. Sie selbst würde sich nie fesseln lassen, das wäre ihr zu schmerzhaft. "Ich bin ein Weichei", sagt sie. Einen Mann fesselt sie sehr selten, Frauenkörper findet sie einfach ästhetischer. Das heißt aber nicht, dass sie Frauen auch als Sexualpartnerinnen bevorzugt. "Ich bin absolut hetero", sagt sie.
Überhaupt falle die Einordnung der Fesseltechnik, schwer, meint Delgado. Viele, wie sie selbst, kämen über SM, also Sado-Maso-Praktiken, zum Fesseln, andere sähen es als Kunst, wieder andere kämen über das Yoga zum Fesseln. Gelenkigkeit sei keine Voraussetzung, um mitmachen zu können, sagt sie. Im Gegenteil. "Je ungelenker sie ist, umso mehr Spaß macht es mir", sagt sie. Denn dann tut es schneller weh. Wie stark es schmerzt, kann das Bunny allerdings nicht bestimmen. "Ich nehme keine Bestellungen entgegen, das wäre ja noch schöner", sagt Delgado.
Im Gegensatz zur weitläufigen Meinung habe Sex und Fesseln ihrer Auffassung nach nicht viel miteinander zu tun, wohl aber mit Lustempfinden. "Für viele ist es auch ein Sex-Ersatz geworden", sagt sie.
Natalie aus Deutschland, die mittlerweile gefesselt am Ring über der Höhle hängt, bestätigt das. "Sex bedeutet mir nicht so viel", sagt sie. Allerdings könnten manche sexuelle Lust empfinden, ergänzt Delgado, das habe mit Endorphinen zu tun. "Manche sind nachher sexuell erregt, wissen aber gar nicht warum", sagt sie.
Nun handelt es sich bei Bondage auch nicht gerade um Kuschelübungen. "Bondage tut weh. Man trägt schließlich sein eigenes Körpergewicht und sollte mit Schmerz umgehen können", sagt Delgado. Zumindest wenn man wie Natalie an der Felswand hängt.
Für "Rigger" gibt es daher Kurse, denn ganz ungefährlich sind solche Fesselspiele nicht. Die größte Gefahr sind eingeklemmte Nerven. Ein nachhaltiger Nervenschaden bei falscher Belastung könnte weitreichende Folgen haben. Wer es auf Mallorca lernen will, kann bei Hera Delgado Unterricht nehmen. Am 31. Juli gibt sie in einem Verein in Palma eine Schulung. "Das ist eine Art Tanzklub, die sind auf mich zugekommen", sagt sie.
Noch ist die Bondage-Szene klein auf der Insel, aber Delgado ist zuversichtlich, dass sich noch mehrere hinzugesellen werden. Der Picknick-Besuch einiger Mallorquiner und des SM-Stammtischvorsitzenden Biel war ein Anfang. Neugierige Blicke von den anderen Strandgästen gab es auch.
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