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An diesem verhangenen Februarmorgen herrscht in der Sonnen-Bäckerei in der Calle Acapulco an der Playa de Palma Hochbetrieb. Die Kunden werden von den drei Damen im Service abwechselnd mit "Buenos días" oder "Morgen" begrüßt, hier vermischen sich deutsche Rentner mit spanischen Bauarbeitern.

Die Auslage lässt Heimatgefühle aufkommen: Mandelhörnchen, Nussecken, Rosinenbrötchen, Croissants, Apfel- und Kirschkuchen vom Blech. Und natürlich Brot in allen Variationen. Als Lothar Berié vor mehr als zehn Jahren angefangen hat, seien drei Prozent seiner Kunden Spanier gewesen. "Heute sind es 30 Prozent", sagt er.

In seiner Backstube in der Calle Costa Brava stehen zwei Öfen. Im Sommer backt Lothar bis zu 3000 Brötchen am Tag. Zu seinen Kunden gehören Hotels und sogar ein Imbiss, dem er zu Topzeiten bis zu 10.000 Kebab-Brötchen liefert. Damit stemmt er sich gegen einen Abwärtstrend, denn Brot auf Mallorca und den Balearen ist ein Thema für sich. Trotz der Einflüsse deutscher Esskultur sind die Bewohner der Inseln wahre "Brotmuffel": Laut einer Statistik des spanischen Agrarministeriums aus dem Jahr 2008 liegen die Balearen mit einem jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch von 29,6 Kilogramm spanienweit auf dem letzten Platz.

Zum Vergleich: In der Weinregion La Rioja werden jährlich 62,6 Kilo Brot pro Jahr verspeist, der spanische Schnitt liegt bei 36,1 Kilogramm. In Deutschland sind es laut Zahlen der Vereinigung Getreide-, Markt- und Ernährungsforschung gar 82 Kilogramm pro Jahr.

Pep Magraner klingt ein bisschen resigniert, wenn er über die Entwicklung des Bäckerhandwerks auf der Insel spricht. "Seit 1994 sind unseren Daten zufolge 140 Bäckereien verschwunden, das entspricht 40 Prozent", sagt der Vorsitzende der Vereinigung der Bäcker und Konditoren der Balearen. Statt 350 Bäckereien mit eigener Produktion im Jahr 1994 sind es heute also nur noch knapp über 200.

Schuld daran sei der "undifferenzierte" Verkauf von Aufbackwaren an allen möglichen Verkaufsstellen wie Supermärkten und Tankstellen. Auch hätten sich die Kaufgewohnheiten der Konsumenten geändert. Dass man wie früher täglich sein Brot beim Bäcker kaufe, das gebe es so nicht mehr, sagt Magraner.

Das Preisgefüge ist auf den Kopf gestellt worden. Ein Aufbackbaguette kostet heute in einem mittelpreisigen Supermarkt auf Mallorca 49 Cent, auch bedingt durch die Preispolitik der Discountmärkte, die vor Jahren einen "Brotkrieg" eröffnet haben, wie es 2009 Inselmedien vermeldeten. Ein "normaler" Bäcker nimmt für ein Stangenweißbrot zwischen 1 und 1,20 Euro, je nach Qualität auch 1,60 Euro.

Über den spanischen Supermarkt mit seinem Billigbrot gegenüber ärgert sich auch Brigitte Weidmann gelegentlich. Die Französin führt mit ihrem Mann Bernard und Sohn Nico die Bäckerei "Delicias de Francia" am Ortseingang von Santa Ponça, direkt an der Avenida Jaime I. Neben französischen Spezialitäten bieten die drei auch deutsche Brotwaren wie Vollkorn-, Mohn-, Hafer-, Nuss-, Roggen- oder Schwarzbrot an. "Wir waren vor 21 Jahren die Ersten hier", sagt sie. Kunden seien vor allem Deutsche und Engländer, die kommen teilweise aus anderen Orten der Insel. Gerade deckt sich eine Dame aus Andratx mit drei Brotlaiben für die Woche ein. "Unser Brot ist lange haltbar", sagt Weidmann.

Sieben Tage die Woche arbeitet die Familie. "Ferien mache ich nie", sagt Brigitte. Die 58-Jährige wird noch bis zur Rente arbeiten. Wird ihr Sohn Nicolás dann die Backstube übernehmen? Das wisse sie nicht. Es sei viel Arbeit für relativ wenig Ertrag. "Es wird immer schwieriger", sagt sie.

Um das internationale Brot-Publikum buhlen auch die deutschen Supermärkte der Insel, wie Mundi Culinario oder der SAM an der Playa de Palma. Dessen Inhaberin Silla Vogt schwört auf ihre hochwertigen Brotwaren von der Hofpfisterei in München. "Die lasse ich direkt liefern, das andere Brot kommt ebenfalls direkt aus Deutschland", sagt sie. Die Tiefkühlware wird dann vor Ort gebacken.

So macht es auch Barbara Schneider in ihrer Backstube in Santanyí. Sie lässt sich Backrohlinge aus Deutschland kommen, die vor Ort gebacken werden, von Roggenbrot bis Rusty-Baguette. Ein gutes Aufbackbaguette kann da auch mal mehr als 1,60 Euro kosten.

Reine Brotvertriebe wie Backwaren Gourmet, haben sich auf Mallorca einen treuen Kundenstamm aufgebaut. "Wir waren die Ersten, die Brot aus Deutschland importierten", sagt Geschäftsführer Martí Crespí. Nach dem gleichen Konzept arbeitet Konkurrent Europanadero, beliefert vor allem Märkte und Hotels.

Wohin geht also die Reise für die Bäcker auf Mallorca? "Immer mehr Bäckereien werden zu Cafés", sagt Verbandsvorsitzender Pep Magraner. Dass das funktionieren kann, zeigen hochpreisige Bäcker wie die 2009 vom Norweger John-Egil Kristiansen gegründete Kette "Fibonacci", die mittlerweile inselweit über sieben Filialen verfügt. Gebacken wird das Brot in der Backstube in Coll d'en Rabassa. Die im Vintage- und Holz-Style gehaltenen Filialen bieten auch Kaffee an.

"Ich will Mallorca mit meinem Konzept zu einem schöneren Ort machen", sagt Kristiansen. Die Leute in Europa hätten gelernt, dass man die Qualität bekomme, die man bezahle. Auch Mallorca komme da langsam hin. Mittlerweile habe er 50 Prozent spanische Kunden. Ab März wird Kristiansen mit Öko-Mehl arbeiten.

Die einheimischen Bäcker versuchen sich ebenfalls in neuen Konzepten wie das "Mos de Coc" oder das "Fornaris" in Marratxí und Palma. Dort hat Jungbäcker Luis Miguel Blanco in vierter Generation das Geschäft übernommen und arbeitet mit Soja, Roggen oder dem mallorquinischen Xeixa-Korn.

Wenn die Qualität stimmt, kann man auch Preise halten. Den Preisdruck vieler Hotels habe er nicht mitgemacht, sagt Lothar Brié. "Viele Kunden kommen vom Aufbackbrötchen wieder zu uns zurück", sagt er. Anett Köhler fällt dazu ein Kunde an der Playa de Palma ein: "In dem Hotel haben sie gemerkt, dass man unsere Brötchen auch abends noch einmal verwenden kann." Vielleicht ist manchem Hotelbetreiber auch aufgefallen, dass ihre Gäste sich das Brot für das Frühstück in der Sonnen-Bäckerei holen. Lothar Berié muss schmunzeln, wenn er daran denkt. "Jeden Morgen kam eine Dame und kaufte drei Scheiben Roggenbrot."

(aus MM 8/2015)