Ahnungslosen Touristen sollte man vom Besuch eines Stierkampfes
unbedingt abraten. Wem der kulturelle Hintergrund für die corrida
fehlt, wird es abstoßend finden, dem aussichtslosen Kampf eines
Tieres bis zu seinem blutigen Ende zuzuschauen. Auch ein Stiertrieb
durch enge Gassen ist nichts für Tierfreunde, wenn sie beobachten
müssen, wie das gehetzte Tier sichtbar gestresst in Panik gerät,
sich verletzt, Schaum vor dem Mund hat.
Vermutlich wird das mancher Leser anders sehen, aber es handelt
sich in beiden Fällen um mehr als bloße Tierquälerei. Das Ritual
des Stierkampfes oder des encierro, des Stiertreibens, hat für
viele Menschen in Spanien und auch auf Mallorca immer noch eine
große Bedeutung. Es ist ein Teil ihrer Kultur, Identität und
Tradition. Radikale Tierschützer und Tierrechtler ignorieren das,
wenn sie die vermeintlichen Barbaren quasi als Untermenschen
diffamieren, sie öffentlich mit Kunstblut und nackten Menschen
provozieren und bloßstellen. Sollen wir den Traditionalisten
vorschreiben, wie ihr Weltbild auszusehen hat, weil wir Bilder
leidender Stiere unerträglich finden? Niemand aus der Redaktion
würde freiwillig zu einem Stierkampf gehen, muss er aber auch
nicht. Aber vielleicht bekommt ein Spanier bei einem
Geflügelzuchtbetrieb in Niedersachsen auch das kalte Grausen.
Ob Traditionen erhaltenswert sind oder nicht, muss eine
Gesellschaft im Diskurs erörtern. Die radikalen Tierschützer sind
dazu jedoch nicht bereit. Sie wollen dem Treiben mit Provokation
ein Ende bereiten, schrecken dafür auch vor Sachbeschädigung nicht
zurück, wie es an der Plaza de Toros von Inca geschieht.
Lassen wir es darauf ankommen: Entweder schläft der Stierkampf
mangels Interesse friedlich ein, oder er fristet weiter eine
Randexistenz. Denn mal ehrlich, wenn auf Mallorca im Jahr 42 Stiere
getötet werden, die eigens zu diesem Zwecke gezüchtet worden sind,
ist das kein Thema, dem der Tierschutz Priorität einräumen müsste.
Die Ausrottung der Fischvielfalt in den Meeren oder Tierquälerei in
der Massentierhaltung sind dringlichere Themen.
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