Sehen ist subjektiv. Sowohl im übertragenen, philosophischen
Sinn, als auch ganz wörtlich genommen, rein biologisch. Was der
Mensch wahrnimmt, hängt von den Gegebenheiten wie Licht, Raum,
Entfernung, hängt von der eigenen Bildung und Erfahrung ab, kann
aber auch durch physiologische Defekte wie den Daltonismus, einer
Störung der Farbwahrnehmung (Farbenblindheit), beeinflusst
werden.
Mit diesen Themen spielen die beiden Künstler Yannick Vu und Ben
Jakober in ihrer Installation in der Kirche Santo Domingo in
Pollença. „Ho Veus – Can You See – Lo Ves – Siehst Du“ ist
inspiriert durch Tests und Forschungen des japanischen Augenarztes
Shinobu Ishihara, der Farbtafeln zur Aufdeckung von angeborenen
oder krankheitsbedingten Sehschwächen (Rot/Grün oder Blau/Gelb)
entwickelte.
Auch Jakober und Vu haben neun Werke in Form von Farbtafeln von
zwei Metern im Durchmesser konstruiert, die in den einzelnen
Seitenkapellen installiert wurden. Der Betrachter ist gezwungen
optisch zu selektieren, zu rahmen, Farben herauszufiltern und zu
dechiffrieren. Die Farben und Zeichen, die sichtbar sind, haben oft
liturgische Bedeutung, wie sie bereits von Künstlern wie Boticelli,
Michelangelo oder Giovanni di Paolo benutzt wurden.
Oder es sind Ziffern, die direkt mit dem Daltonismus zu tun
haben, wie die 8 oder 16, die Nummerierungen von Chromosomen, die
jenen Menschen fehlen, die Farben nicht voneinander unterscheiden
können. Yannick Vu wies aber auch daraufhin, dass farbenblinde
Menschen oft Farbtöne sehen können, die anderen verwehrt sind. Auf
dem Altar haben Vu und Jakober einen konvexen Spiegel installiert,
der alle Farbkreise noch einmal aufnimmt und verfremdet
wiedergibt.
Sehen ist subjektiv – und die Kunst kompliziert das Sehen noch
darüber hinaus. So der Kunstkritiker Achille Bonito Oliva. Und die
Kunst behandele metaphysische Probleme der Welt und der Realität,
die nicht gelöst werden könnten. Warum man was wie und wo sieht,
kann allerhöchstens im biologischen Sinn geklärt werden.
„Ho Veus“ – Installation von Yannick Vu und Ben Jakober in
der Klosterkirche Santo Domingo, Pollença, Carrer Guillem Cifre de
Colonya. Geöffnet bis 20. September von Dienstag bis Samstag von 11
bis 13.30 und von 18 bis 23 Uhr, Sonntag von 11 bis 13.30
Uhr.
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